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Ausgabe:

1938 Nr. 21

Spalte:

383-384

Autor/Hrsg.:

Rosenfeld, Hans-Friedrich

Titel/Untertitel:

Der hl. Christophorus, seine Verehrung und seine Legende 1938

Rezensent:

Hennecke, Edgar

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Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 21.

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der Gemeinschaft. — Und ebenso wichtig ist die Ablehnung
der überstrengen Askese: Benedikt wandte sich mit
der Lehre, die in seiner Regel Gestalt fand, an sündige
Menschen, die er nicht mit unerfüllbaren Forderungen
vernichten, die er vielmehr in weiser, maßvoller Zucht
aufrichten und in ein als Gottesdienst gestaltetes Leben
der Gemeinschaft einfügen wollte. So wurde er Vorbild,
Wegweiser, Autorität.

Berlin. Otto Lerche.

Rosenfeld, Hans Friedrich: Der heilige Christopherus. Seine
Verehrung und seine Legende. Eine Untersuchung zur Kultgeographie
u. Legendenbildung d. Mittelalters. Leipzig: in Komm, bei O. Harrassowitz
1937. (XX, 552 S., 8 Abb.) 8°. RM 13-.

Die Reihe neuerer hagiographischer Sonderuntersu*
chungen füllt sich immer mehr auf, seit 1930 durch Behandlung
einzelner Heiliger in den von Georg Schreiber
herausgegebenen „Forschungen zur Volkskunde" (Düsseldorf
), zu denen sich eine 1936 in Paderborn herausgekommene
über Sankt Liborius gesellt. Ältere sind vorhergegangen
, auch in Zeitschriften verstreut, zum Teil
wie die vorgenannten im engeren Anschluß an das noch
bestehende oder erweiterte katholische Brauchtum —
demzufolge z. B. Christopherus neuerdings sogar zum
Schutzpatron des Autos gemacht wird —, andere in relativer
Unabhängigkeit davon mit umfassender historischkritischer
Einstellung.

Unter den letzteren darf die vorliegende, als Bestandteil
der Acta academiae Aboensis 1937 in Helsing-
fors gedruckte, einen vornehmen Rang beanspruchen.
Durch hervorragende Umsicht und Gründlichkeit ausgezeichnet
, erinnert sie etwa an das ältere zweibändige
Werk von Ernest Rembry über den hl. Aegidius (Saint
Gilles, Bruges 1879, 1881), das freilich auf einen engeren
Kultkreis berechnet war. Beide Volksheiligen wurden
gegen Ende des Mla. in die Gruppe der Nothelfer
eingereiht. Bis dahin ergibt der eingebende Nachweis
des Verf. über die Verehrung des hl. Christophorus
(Kap. I, durch Beigabe von drei Karten im Sinne der
Heiligengeographie gestützt) und die mit staunenswerter
Umsicht und Belesenheit angefertigte Übersicht der Kultstätten
im Abendland, die das ikonographische Material
nebst Liturgie und Reliquien einbezieht (Kap. II), „daß
trotz aller verbindenden Fäden ein starker Gegensatz
zwischen überwiegenden Teilen des romanischen Sprachgebietes
und den germanischen Ländern sich auftut. Bevorzugung
des Patroziniums dort gegenüber starker Zurückhaltung
hier, umgekehrt aber hier ein viel früheres
und intensiveres Umsichgreifen der volkstümlichen Verehrung
auf Grund des Glaubens an die apotropäische
Kraft des Bildes, obwohl dieser ebenso wie die mit ihm
aufs engste verbundene neue Bildvorstellung vom romanischen
Südalpengebiet seinen Ausgang genommen hat"
(S. VI). Man vergegenwärtige sich zu diesem Behuf nur
das imposante, den Tallauf beherrschende Wandbild an
der Westfassade der Kirche zu Biasca (Tessin) S. 405.
414 (vgl. ThLZ. 1908, Sp. 143).

Mit diesem Bildtypus, dem andere, vereinzelt schon
um 1150, vorhergegangen sind, befinden wir uns bereits
im Bereich der Christusträger -Legende, die also,
analog der Vorstellung vom hl. Georg als Drachentöter,
erst verhältnismäßig spät zu belegen ist. Das könnte angesichts
der Bedeutung des Namens im vorliegenden
Falle wunder nehmen, aber eben durch Wortilkistration
(S. 397 ff. — vgl. schon altchristliche Bezeichnungen
bei Ign. von Antioch. —) haben die damaligen Bildan-
fertiger den neuen Typus erst erschlossen, was dann
zur Ausbildung der anziehenden, germanischem Fühlen
entsprechenden Legende geführt hat. Sie ist vor Jacobus
de Voragine in einem deutschen, nicht vor 1230 verfaßten
, Gedicht (B) bezeugt, zu dem Verf. S. 499 ff. eine
neue Parallelfassung herausgibt. (Eine Inhaltsangabe
nach niederdeutschem Text lieferte Alb. Freybe, Christophorus
, 1882; einen anderen Text in ripuarischer Mundart
G. Frenken, Wunder und Taten der Heiligen, 1925).
Diese neue Legende, derzufolge der Heilige nur dem

| Stärkeren dienen will in der Reihenfolge König — Teufel
— Christuskind, das er über den Fluß trägt, hat mit
der ursprünglichen Legende außer der Gestaltgröße des
Heiligen noch den grünenden Stab oder Baum gemein,
auf den er sich im Bilde stützt, während sein voriger
(allerdings schon fiktiver) heidnischer Name Reprobus
naiv in Offerus verkehrt und das hundeähnliche Aussehn
seines Kopfes (alte Legende) verschwiegen wird (Andeu--
tung davon in russischer Ikone Taf. II Abb. 7). Doch
zeigen jene Bilder zunächst nicht das Kind, sondern
j einen erwachsenden Christus in kleiner Gestalt, vor der
Brust und erst allmählich höher getragen.

Die bezüglichen Auseinandersetzungen werden in den
j beiden Schlußkapiteln vorgetragen, während ein mittleres
i (III) auf die lateinische Passio eingeht, die für frühere
', abendländische Darstellungen maßgebend gewesen ist
j und deren Text nach den ältesten (karolingischen) Hand-
I schritten Rosenfeld S. 520 ff. vorlegt. Sie enthält bereits,
wohl im Zusammenhang mit den Wanderungen zum angeblichen
Grabe des hl. Jakobus, den gleichen 25. Juli
als Tag des Martyriums des Heiligen, stellt aber m. E.
nur eine verkürzte und vergröberte Fassung der älteren
griechisch-orientalischen Form dar, und es wird
nichts dagegen sprechen, letztere bereits vor 450/52
zu datieren, dem ältesten Datum für Errichtung einer
Christophoruskirche: in Chalkedon (S. 8). Das bedeutet
keine große Entfernung von der Stätte des ältesten Mar-
| tyriums (Antiochia-Pisidien) wie von dem Amtssitze des
i Bischofs, der den Getöteten begraben haben soll, und es
! spricht in der Tat einiges dafür, daß dem Bericht ein hi-
' storischer Kern zugrunde liegt. Um so lieber hätte man
| in dieser so ausführlichen Untersuchung eine Wiedergabe
i auch dieses Berichts, wenn auch nur referatweise, vorgetragen
gesehen, zumal da er auch auf abendländische
Liturgien abgefärbt zu haben scheint (vgl. S. 58, 444,
dazu 56). Wenn aber K. Zwierzina 1909 den Nachweis
inhaltlicher Verwandtschaft mit apokryphen (nicht „gno-
stischen"!) Bartholomäus-Akten erbracht hat (S. 347),
so scheint mir bei deren jüngerem Alter das Abhängig-
j keitsverhältnis eher umgekehrt zu liegen.

In Deutschland ist der älteste nachweisbare Fall der
Weihe einer Christophkirche Sindelhausen (Diözese Freising
) 772, was der Verf. S. 52 zutreffend erklärt. Weniger
vermag ich, mindestens für Niedersachsen, seiner
Bestreitung der bisherigen Ansicht beizupflichten, daß es
sich bei Christoph um einen geschätzten Heiligen des
mittelalterlichen Rittertums handelte (S. 105 f., vgl.
1171); denn die aufgezeigten Beispiele (seit ca. 1000
n. Chr.) beruhen doch wirklich zumeist auf Gründungen
des Adels, dem die wehrhafte Urkraft des Heiligen nach
der Legende imponiert haben wird.

Vielleicht gehören auch einige weitere Fälle in diese Kategorie, die
ich den aufgezählten hinzufüge: im Bistum Mainz altsächsischen Teils
Mackensen bei Dassel und Burgkapelle Altengleichen über Reinhausen,
im Bist. Osnabrück Neuenkirchen bei Melle, im Bist. Münster Kompa-
tronat zu Brandlecht.

Alles in allem genommen, besitzen wir durch Rosen-
! feld eine Monographie, die auch abgesehn von dem viel-
i seitig behandelten Sonderstoffe durch erschöpfende Berücksichtigung
aller angrenzenden Literatur eine äußerst
wertvolle Fundgrube darstellt.

Oöttingen. E. Hennecke.

! Kommende deutsche Heilige. Heiligmäfiige Deutsche aus jüngerer
Zeit. Hrsg. von Albert Köhler in Verb, mit Josef Sauren u.a.
Dülmen i. W.: Verlag Laumen [1936]. (361 S.). Lex 8°. Geb. 6.60.

„Es kann kein Zweifel sein: im deutschen katholi-
■ sehen Volke besteht eine große Sehnsucht nach den kom-
j menden deutschen Heiligen." Ob dem wirklich so ist,
i wie es in dem Geleitwort des Generalvikars Dr. v. Meu-
1 rers' heißt, das kann nur ein Priester der römischen Kir-
: che sagen, der im Banne der Altarmysterien selig befangen
immer wieder neue Mittler zwischen Gott und
Mensch braucht. Den 53 kurzen Bio- oder besser Hagio-
I graphien der kommenden deutschen Heiligen geht voran
eine Darstellung des Selig- und Heiligsprechungspro-