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Ausgabe:

1938 Nr. 21

Spalte:

380-381

Autor/Hrsg.:

Hoffmann-Aleith, Eva

Titel/Untertitel:

Paulusverständnis in der Alten Kirche 1938

Rezensent:

Loewenich, Walther

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Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 21.

380

ist mit Recht immer wieder darauf verwiesen, daß Markus
ein naiver Schriftsteller ist, und daß darum keine
großen stilistischen Feinheiten erwartet werden dürfen,
sondern mehr unbewußte Stilgewohnheiten. Die Arbeit
ist fleißig und zeigt, daß auch bei Markus gewisse stilistische
Besonderheiten begegnen, aber im ganzen ist das
Resultat trotz der großen Mühe recht unbedeutend.
Zürich. Werner Georg Kümmel.

Völter, Prof. Daniel: Die Grundfrage des Lebens Jesu. Mit

5 Anhängen. Stuttgart: A. Bonz Erben 1936. (180 S.) gr. 8°. RM3—.
V. geht der Frage nach, was der historische Jesus
über seine Person, seine Aufgabe und seine Berufung
gedacht und gesagt hat. Er hält den Titel „Menschensohn
" für die ursprüngliche Selbstbezeichnung Jesu- Aber
die Anknüpfung hat Jesus nach V. nicht im Danielbuch
gefunden, sondern lediglich beim Propheten Ezechiel.
Hiernach bezeichnet Jesus sich als Prophet (vgl. Ez.
2,5), und zwar ergebe sich aus dem Amt als Wächter
über das Volk das gesteigerte Selbstbewußtsein Jesu (S.
12 f.). Aber, so wird man fragen, warum haben Ez. oder
einer der anderen Propheten nicht das gleiche gesteigerte
Selbstbewußtsein Jesu? Auch den Tod Jesu findet
Verf. in Ez. angedeutet, und zwar soll ihn Jesus mit
Ez. 3, 24—29 und 4,4—8 angedeutet gefunden haben.
Freilich wenn hiernach der Menschensohn mit Stricken
gebunden und mit einer am Gaumen klebenden Zunge
bald auf der rechten, bald auf der linken Seite bewegungslos
liegen muß, so wird die Anknüpfung für die Leidensund
Auferstehungsworte Jesu doch mehr als fraglich.
In einem umfangreichen Abschnitt sucht Verf. dann den
Nachweis zu erbringen, daß Jesus sich nicht mit dem
Danielschen Menschensohn gleichgesetzt hat, daß dies
vielmehr der Glaube der späteren Gemeinde sei, und
alle diese Menschensohnstellen im Danielschen Sinne
Interpolationen oder Textänderungen seien. Was Verf.
zu Mark. 8,38; Matth. 10, 22f.; Luk. 18,1—8; Matth.
19, 27—29; Mark. 2, 23—28; 2, 18—22 ; Mark. 14, 12—16
zu bedenken gibt, ist in vielem beachtlich und richtig;
hingegen ist die „Säuberungsaktion" in Luk. 17,22 f.
willkürlich und der neu geschaffene Zusammenhang nicht
passend. Auch dem Abendmahlsbericht dürfte Verf. nicht
gerecht werden (vgl- jetzt „Theologisches Wörterbuch
zum NT." IV, S. 726 ff.; Lohmeyer in Theol. Rundschau
1937/38). Sehr richtig ist dann wieder die Bedeutung des
Ostererlebnisses des Petrus für die Kirche erkannt- Noch
eine Reihe anderer Stellen werden besprochen, und Verf.
kommt zu dem Schluß, daß alle messianischen Aussagen
unecht sind. Nur auf eine Stelle möchte ich noch etwas
genauer eingehen. Völter sucht — und ich glaube, mit
gutem Gescnick — nachzuweisen, daß im Prozeß Jesu
die Tempelreinigung und die dabei ausgesprochene Ankündigung
der Zerstörung des Tempels die entscheidende
Rolle gespielt haben. Meinerseits möchte ich dazu noch
zu überlegen geben: Wer ist zur Tempelreinigung berechtigt
? Steht das nicht allein dem König und erst
recht dem messianischen König zu? Wird so nicht gerade
Völters kluge Konstruktion zum Hinweis auf ein
„messianisches" Auftreten Jesu? Und dazu paßt dann
Mark. 14,61! Völter hat gewiß mit viel Scharfsinn die
„Menschensohn"-Worte literarkritisch untersucht. Aber
er ist nicht dem Problem nachgegangen, daß Jesus und
der Anbruch des Reiches Gottes zusammengehören, und
daß von hier aus schon sein messianisches Sendungsbewußtsein
— freilich nicht im Sinn eines jüdischen Messias
— gegeben ist: er weiß sich als. „Walter" des
Reiches. Und woraus sonst erklärt sich sein rückhaltloses
Auftreten gegen die bisherige Frömmigkeit, —
so unerhört, daß das Volk vor diesem „Paradoxen" entsetzt
erschrickt (Luk. 5,26) — und die Unbedingtheit
seiner Forderung? Mit alledem will ich nicht einer vorschnellen
Lösung der „Grundfrage des Lebens Jesu"
das Wort reden. Wir sind V. dankbar, daß er uns mit
seiner Arbeit wieder neu die ganze Schwierigkeit des
Problems gezeigt hat. So anregend seine literarkritische

Untersuchung und viele seiner einzelnen vorgeschlagenen
Lösungen sind, so ist doch auch das andere festzustellen,
daß allein mit literarkritischer Methode dies Problem
nicht zu lösen sein dürfte. Es kommt dazu, daß ja auch
j am Begriff „Menschensohn" Jesu Selbstbewußtsein nicht
j hängt. Es ist leicht möglich, ja m. M. n. wahrscheinlich,
i daß dieser Name Eigentümlichkeit der judenchristlichen
Gemeinden ist. Damit ist aber noch nichts gegen Jesu
• Selbst- und Sendungsbewußtsein gesagt; das hängt nicht
l an diesem Begriff. Daher läßt sich die Frage auf dem
i von V. allein begangenen Wege auch nicht lösen.

Anhangsweise bringt Völter noch Beiträge zum Verständnis
von Joh. 1,42, außerdem zur „Judaslegende
j und ihrer Entstehung" — Verf. hält die ganze Geschichte
j von Judas' Verrat an Jesus für spätere Erfindung —,
I ferner über den ursprünglichen Bericht des Flavius Jo-
I sephus über Jesus in Ant. XVIII, 3,3, weiter über „die
Entstehung von Matth. 11,25—30 und Luk. 10,21 ff"
und schließlich über „die Bergpredigt des Matthäus und
i die Feldpredigt des Lukas".

Auch wer die Gesamtthese Völters ablehnt, wird in
] Einzelheiten viel geistvolle Anregung in dem Buch
finden.

Breslau. Preisker.

I Sehl unk, Prof. Martin: Paulus als Missionar. Gütersloh: C.
Bertelsmann 1937. (115 S.) gr. 8° = Allgemeine Missions-Studien,
hrsg. v. Prof. D. J. Richter u. Prof. D. M. Schlunk. 23. Heft. RM3—.

Der Inhalt des Buches ist nicht neu. Es bringt Auf-
j sätze, welche bereits in der N. A. M. Z. erschienen sind.
I Gleichwohl wird das Buch in Laienkreisen seine Leser
I finden. Ohne auf die wissenschaftlichen Probleme einzu-
I gehen gibt das Buch in gemeinverständlicher Darstellung
eine Übersicht über die Persönlichkeit und das Wirken
des Paulus als Missionar. Es schildert schlicht die
Welt, in der er wirkte, seinen Lebensgang, ins besondere
seine Bekehrung, kennzeichnet ihn als Pionier der Heidenmission
und Vorkämpfer der Freiheit, als Lehrer
der Heiden und der Kirche, als Erzieher, Seelsorger und
Gründer der Kirche und gibt zum Schluß eine Charakteristik
seiner Person sowie eine Würdigung seiner
Bedeutung. Hie und da werden Verbindungslinien gezogen
zur heutigen Missionsarbeit.

Berlin. Johannes Witte.

Aleith, Eva. Paulusverständnis in der alten Kirche. Berlin:
A. Töpelmann 1937. (XI, 122 S.) gr. 8° = Beihefte z. Ztschr. f. d.
neutestamentliche Wissenschaft 18. RM 8—.

Die Erforschung und Auswertung der altkirchlichen
Exegese ist eine Aufgabe, die noch mehr als bisher ange-
j griffen werden muß. Meinem Beitrag über das Johannes-
l Verständnis im 2. Jahrhundert (Beihefte z. ZNW 13,
j 1932) in manchem verwandt ist die vorliegende Arbeit.

Die Verfasserin hat sich mit ihr ein dankbares und zu-
j gleich undankbares Thema gestellt; dankbar, insofern die
! Untersuchung allerdings ein bezeichnendes, wenn auch
nicht überraschendes Licht auf die theologische Entwick-
: lung der alten Kirche wirft, undankbar, insofern die Ar-
'• beit eigentlich nur in einer fortgesetzten Fehlanzeige bestehen
kann. Das zeigt sich bereits in den nachapostolischen
Schriften, zu denen hier nicht nur wie üblich die
sog. Apostolischen Väter, sondern auch die nachpaulini-
j sehen Schriften des NT gerechnet werden (Hebr., l.Petr.,
Eph., Pastoralbr.). Die bekannte These vom beginnen-
j den Moralismus und Rationalismus dieser Literatur wird
hier an ihrem mangelnden Paulusverständnis erhärtet.
Ob der Hebr. in diese Reihe gehört, kann bezweifelt werden
, wenn aber, dann hätte wohl auch Lukas aufgenommen
werden müssen. Auch „Johannes" gilt hier als Pauliner
, und zwar in einem Maß, das Ref. nicht gutheißen
kann. Daß an Johannes die paulinische Theologie nicht
spurlos vorübergegangen ist, braucht nicht geleugnet
werden, aber ein Paulusschüler ist der große Unbekannte
i nicht. Er ist ein Eigener und kann nur als solcher verstanden
werden. Der schöne Satz „In dieser Liebe (bei
I Joh.) verschmilzt die paulinische Kontroverse von Glau-