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Ausgabe:

1938 Nr. 21

Spalte:

375-377

Autor/Hrsg.:

Auerbach, Elias

Titel/Untertitel:

Geschichte Israels vom Tode Salomos bis Ezra und Nehemia 1938

Rezensent:

Duensing, Hugo

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Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 21.

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Mitannischicht über Assyrien auch mit einem gewissen
arischen und damit nordrassigen Einschlag zu rechnen
habe. v. Soden zitiert ein Kriegs-Epos, das in der Nachkriegszeit
in Niniveh ausgegraben ist und das ohne Zweifel
den Einfluß arischer Geistesrichtung zeige. Wenn
es auch im Zuge der Zeit liegt, überall nordische Einflüsse
zu wittern, so ist zuzugeben, daß aus den Worten
des Heldengesanges eine ungewöhnliche Freude an
Kampf und Streit hervorleuchtet. In dem Aufzeigen der
rassenmäßigen Grundlage liegt m. E. das Hauptverdienst
des vorliegenden Heftes.

Hiddensen Arnold Gustavs.

Auerbach, Elias: Wüste und gelobtes Land. II. Band: Geschichte
Israels vom Tode Salomos bis Ezra und Nehemia. Berlin:
Schocken Verlag 1936. (288 S., XV Tafeln.) 4°. Geb. RM 10—.
Der erste Band dieses Werkes ist seinerzeit von
Caspari in der Theol. L. Z. 1933, Sp. 169-71 angezeigt
worden. Der Charakter des Werkes ist derselbe
geblieben, die Ausstattung gleich ansprechend und würdig
. Auch dieser Band liest sich gut, weil die Darstellung
des Verfassers von Anschauung gesättigt ist. Er
besitzt geschichtliche Phantasie; das ist seine Stärke,
aber auch seine Schwäche; denn dadurch artet stellenweise
seine Nacherzählung romanhaft aus. Als bezeichnendes
Beispiel kann die Schilderung des Weges Menasses
nach Babel gelten S. 158, wo wir ausführlich darüber
unterrichtet werden, was ihn hätte erwarten können und
was er vielleicht gedacht (!) haben kann. Und das
alles aufgrund des sehr anfechtbaren (s. zuletzt Robinson,
A History of Israel S. 400f.) Berichtes der Chronik.
Auch will der Vf. der Chronik glauben, daß Menasse
einen Gesinnungswandel vollzogen und ein treuer Diener
Jahwes geworden sei, obwohl der dogmatische Ursprung
dieses im geraden Gegensatz gegen 2. Könige stehenden
Berichtes klar zu Tage tritt; es mußte doch erklärt werden
, wie ein solch gottloser König 55 Jahre auf dem
Thron bleiben konnte. Auf der anderen Seite bringt die
Phantasie den Vf. dazu, fruchtbare oder doch immerhin
eswägenswerte Vermutungen zu äußern. Es muß beispielsweise
in der Tat ein geschichtlicher Weg glaubhaft
gemacht werden, auf dem nach und trotz des Zusammenbruchs
Nordisraels die dort entstandenen Literatlirreste
nach Juda gerettet wurden. Erwägenswerte Urteile ziehen
sich durch das Buch. Z. B. S. 61, wonach der Untergang
Nordisraels nicht in sozialer Zersetzung erfolgt,
vielmehr Israel „im vollen Saft seines Lebens" der brutalen
Gewalt erlegen sein soll. Und was dabei über die
sozialethische Empfindlichkeit seiner besten Geister S.
61 f. gesagt wird, enthält Wahrheit. Ausgezeichnet ist
die Ausführung über die nachexilische die wirkliche Geschichte
verlassende und entstellende Geschichtsdarstellung
mit dem Urteil S. 267 „Ein grandioses Beispiel dafür
, daß Geschichtsdichtung Geschichte machen kann,
mehr als die Geschichte selbst." Interessant ist die
S. 214 geäußerte Vermutung, daß Kyros die Erlaubnis
zur Heimkehr auch wohl deshalb gegeben habe, weil die
verbannten Juden, durch deren Besiedlungsgebiet „aller
Wahrscheinlichkeit nach" der entscheidende Stoß gegen
Babel ging, ihn tatkräftig unterstützt und sich mit Waffen
in der Hand (!) an der Niederwerfung Babylons
beteiligt hätten. Nach S. 41 soll Ahab der Schöpfer
der anti-assyrischen Koalition gewesen sein. Der Elohist,
an dessen Existenz der Vf. m. E. mit Recht festhält,
wird von ihm auf die Zeit um 900 gelegt, und er hält es
für möglich, daß der Elohist dem Wort Elohim die
Bedeutung von „Gottheit, Allgott" gegeben habe. In
der Chronologie geht der Vf. eigene, sich möglichst eng
an die Überlieferung anschließende Wege, wobei es doch
nicht ohne mannigfache Kritik der Überlieferung abgeht,
und kommt beispielsweise zu dem Ergebnis, daß das Todesjahr
des 'Uzzia 733 sei. Dann wäre dieses auch das
Berufungsjahr des Jesaja, der damit als Sturmvogel
des syrisch-ephraemirischen Krieges erscheinen könnte.
Die Geschichte der Opferung Isaaks wird S. 266 P zuge-

I

j schrieben, der kultische Dekalog von Ex. 34 auf S.
I 69 E! Die Erkrankung Hizkias setzt der Vf. S. 140
in das Jahr 714/13, indem er V. 6 in 2. Kön. 20 als
Einschub und die 15 Jahre als vaticinium ex eventu
betrachtet. In welcher Weise die Geschichte des 'Amasja,
I des Königs von Juda, geschrieben wird, mag man S.
j 83/84 nachlesen und dabei als Neuigkeit erfahren, daß
Amasja schon während seiner Gefangenschaft vom Volk
abgesetzt und durch seinen 16jährigen Sohn 'Azarja
< ersetzt wurde, nach 15 Jahren aber (769) noch einmal
! versuchte, auf den Thron zu kommen und nach seinem
| Fluchtversuch das Leben einbüßte. Und dies, weil es
2. Kön. 14,17 von ihm heißt, daß er nach dem Tode
des Jehoas noch 15 Jahre gelebt habe, wobei der
Ausdruck lebte gepreßt wird, indem dadurch das Regieren
ausgeschlossen sein soll. Ein wirklich neuer Einfall
! Muten schon manche der angeführten Vermutungen
! und Konstruktionen merkwürdig an, so enthält das Werk
j auch offensichtliche geschichtliche Fehlurteile. Dafür nur
einige Beispiele. S. 180 wird das religionsgeschichtliche
Urteil gefällt: „Darum hat es für das siebente
Jahrhundert keinen Sinn mehr, die Gottesbezeichnung
; Jahwe noch als Namen zu fassen; sie ist rein appellati-
| visch geworden, bedeutet schlechthin Gott." Wir haben
j aber einen schlagenden geschichtlichen Beweis dafür,
daß noch gegen Ende des 7. Jahrhunderts Jahwe als
i Nationalgott empfunden wurde, das ist die Namensänderung
des Eljakim in Jojakim; denn die ist, wie Stade
j früher schon gesehen hatte, nur so zu verstehen, daß die
ägypter-freundliche Partei, die dem Pharao das eingab,
! sich eben damit als die nationale erweisen wollte. Das
deuteronomische Gesetz soll nach S. 169 im Spenden-
| kästen gefunden sein (nach 2. Chr. 34, 14 ff.). Diese Tat-
i sache soll angeblich „bis heute nicht bemerkt" worden
! sein. Vgl. aber Bertheau zur Stelle! Wie es aber dahin
! gekommen ist, kann der Vf. nicht dadurch glaubhaft
j machen, daß es bei der letzten vorangegangenen Leerung
dahinein gebracht sei; denn die Leerung und na-
j türlich auch wieder Verschließung geschah ja nach sei-
j ner eigenen Meinung unter Kontrolle der königlichen
Beamten. Außerdem kann der Chronikbericht nur die
Gelegenheit bezeichnen wollen, bei der das Finden und
Überreichen stattfand. S. 272 heißt es als Endurteil:
„An einer weltgeschichtlichen Zeitenwende gehen aus sei-
: nem Geiste die beiden großen Gestalten Hillel und Jesu
hervor, und jüdischer Geist ergießt sich, zu unabsehbarer
j Wirkung, über die ganze bekannte Welt." Hillel bedeutet
aber für die Welt, d. h. die Menschheit, die ihn kaum
kennt, nichts und nur für einen Teil des Judentums
: etwas, Jesus bedeutet umgekehrt für die Menschheit
I schon etwas, für das Judentum dagegen nichts. In wel-
i chem Sinne man die beiden nebeneinander stellen kann,
] hat vor langen Jahren Franz Delitzsch in einer Broschüre
gezeigt. Ob nur die Legende das Bild Jesu nach Jes.
53 gestaltet hat, wie S. 221 behauptet wird, soll da-
; hingestellt bleiben. Eine merkwürdige Äußerung findet
sich auf S. 262: „ewige Jugendlichkeit des jüdischen
Volkes, das erst altert und stirbt, wenn es die Messiasidee
verliert." Das kann der Vf. nur in einem rationalistisch
umgedeuteten Sinne meinen: „Denn jeder gegen-
| wärtige Messias bedeutet notwendig Enttäuschung und
tiefen Absturz, da er dem Volke das Glück nicht bringen
kann, das ja nur ein Wunschbild und nicht eine geschichtliche
Realität ist." Aber solche Urteile muß man
j dem Vf. zugute halten, weil er ein Angehöriger des Volkes
ist, dessen Geschichte er beschreibt, und weil infolgedessen
an manchen Stellen, wo von seinen Vorzügen
und seiner Bedeutung die Rede ist, seine Darstellung
einen dithyrambischen Schwung annimmt. — Die Darstellung
ist allgemein verständlich, wendet sich also
nicht in erster Linie an die Fachgelehrten, obwohl auch
j hier und da eine Auseinandersetzung mit zünftiger Gelehrsamkeit
stattfindet. Aber die Wissenschaft darf an
diesem neuen geschichtlichen Entwurf des selbständigen
I Urteiles des Verfassers wegen nicht vorübergehen.