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Ausgabe:

1938 Nr. 19

Spalte:

340-341

Titel/Untertitel:

Das christliche Altertum 1938

Rezensent:

Campenhausen, Hans

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Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 19.

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Hauptanliegen des Kommentars ist die formale Gliederung
des Prophetenbuches, die mit einer festen Stro-
phik rechnet, im Gegensatz zu Duhm, dessen angeblich
nur auf dem „Stilgefühl" aufruhende Betrachtungsweise
grundsätzlich abgelehnt wird. Des ferneren wendet sich
C. gegen die „critique chirurgicale", die mit der „ampu-
tation" arbeite. — Die Einleitung umfaßt 45 Seiten. Sie
beginnt mit dem Historischen und schildert im 2. Kap.
die zeitliche Anordnung der Prophetien des Jerernia, die
in die Ereignisse des Geschichtsverlaufes hineingestellt
werden. Was das Verhältnis des MT zur LXX betrifft,
so schließt C. sich Thackeray an: es gab zwei „recueils
principaux", nämlich 1—28 LXX und 32—51 LXX, entsprechend
zwei verschiedene Übersetzer. Die „Theologie
Jeremias" wird in genau 2 Druckseiten abgehandelt; diesen
Fragen gehört das Interesse des Verf. offenbar nicht.
Für ihn wichtig — und zugleich bei ihm originell — ist,
wie gesagt, der strophische Aufbau: wie es einen Parallelismus
der Glieder innerhalb der Verse gibt, so gibt
es auch einen solchen in Bezug auf die Strophen und
die Gedichte. Aus dieser Erkenntnis bestimmt sich nach
C. die Anordnung der poetischen Stücke. — Der Kommentar
selbst enthält jeweils zunächst eine (gute) Übersetzung
— bei der die Parallelausdrücke in den einzelnen
Strophen bezw. Gedichten durch Fettdruck hervorgehoben
sind — mit exegetischen Bemerkungen zu den einzelnen
Versen, in ständiger Auseinandersetzung mit gegnerischen
Meinungen aus der Zeit vor 1920; eine „literarische
und historische Kritik" pflegt dann das Stück abzuschließen
. Eine religiöse oder gar theologische Auswertung
findet sich dagegen nicht; das ist bezeichnend
für das Ganze. Die text- und literarkritischen Fragen
werden gründlich und ehrlich, bei konservativer Gesamthaltung
, erörtert. Für die formale Gestaltung zeigt
der Verf. einen bemerkenswert guten Bück. Aber die
Fragestellungen, mit denen der Christ und Theologe von
heute dem biblischen Text, insbesondere auch dein alt-
testamentlichen, gegenübersteht, fehlen. Die theologiegeschichtlich
so bedeutsamen letzter, anderthalb Jahrzehnte
sind an diesem Kommentar spurlos vorübergegangen.
Hofgeismar (Marburg). H. W. Hertzberg.

Burch, V., D. D.: The Epistle to the Hebrews. Its Surces and
Message. London: Williams & Norgate (1936]. (XI, 148 S.) 8°. 5s.

Das vorliegende Werk geht auf Vorlesungen zurück,
die der Verf. als Cathedral Lecturer der Theologie in
Liverpool gehalten hat. Er bekämpft die Mißverständnisse
gegenüber dem Hebr., die sich auf den Umwegen
über die" hellenistische oder jüdisch-hellenistische Philosophie
und Spekulation ergeben und versucht seinerseits
eine Deutung im Zusammenhang mit dem palästinischen
Judentum auf der Grundlage hebräischer Überlieferung.
Das übliche lehrhafte, doktrinäre und dogmatische Verständnis
lehnt er ab und tritt vielmehr für eine Deutung
aus lebendiger Frömmigkeit und erlebter Liturgie ein,
so wie sie von dem Durchschnittsjudentum der Zeitenwende
geschaffen wurde. Es ist nicht eigentlich das
AT., auf das der Verf. des Hebr. zurückgegriffen hat,
sondern die daraus gestalteten Lektionare der jüdischen
Synagoge, die Liturgie der Feste und Fasten des jüdischen
Kirchenjahres. Also nicht ein polemisch oder apologetisch
ausgerichtetes Testimonienbuch ist die Grundlage
sondern erlebte Pilgrimsfrömmigkeit, und es ist
eine Botschaft an das Judentum in der Verbannung, die
der Hebr. verkündet. Burch knüpft mit diesem Verständnis
an die Forschungen von G. F. Moore und Thackeray
an. Besonders der letztere ist in seinem Werk: The Sep-
tuagint and Jewish Worship (1923) den Zeugnissen
der jüdischen kultischen Frömmigkeit nachgegangen. So
untersucht auch Burch das alttestamentliehe Material
des Hebr. auf seine Stellung und Verwendung im jüdischen
Kult und findet dabei eine Verwandtschaft mit der
heilsgeschichtlichen endzeitlich ausgerichteten Frömmigkeit
des Spätjudentums, wie sie in den jüdischen Apokalypsen
und,auch in der Offenbarung des Johannes zutage
tritt. Der Offenbarer und die Offenbarung, um die
es hier geht, ist Jesus Christus und seine Verkündigung.
Er führt die Verbannten nachhause, und der Verf. des
Hebr., selbst ein Jude, der unter dem Exil seines Volkes
seufzt, wird als Christ für alle Heimatlosen seines Volkes
| und darüber hinaus für alle Menschenpilger der Träger
der frohen Botschaft vom Weg nachhause, vom Vaterhaus
.

Dabei wendet er sich gegen all die herabziehenden
Mächte, die die Pilgrime auf ihrem Weg nach oben bedrohen
, Ermüdung, Verirrung, Verzicht auf das Ziel,
und stärkt seine Gemeinde mit dem Hinweis auf den
Offenbarer, der im AT. unter mannigfachen Namen verkündet
ist. Auch ihn sollte die Versuchung, die er erlitt,
von dem ihm vorgezeichneten Wege ablenken. Entspre-

j chend bezieht sich die Versuchung seiner Gläubigen
nicht auf Gesetzesübertretungen sondern auf die Christusnachfolge
. Der Hebr. kann dabei an Versuchung

I durch Leiden anknüpfen, wie sie in der jüdischen Leidensfrömmigkeit
namentlich der makkabäischen Zeit geprägt
worden ist. Hier wird besonders auf das jüdische
Lektionar des 4. Sabbat im Schebat, dem makkabäischen
' Monat verwiesen. Die Perikope vom Eingang

I in die Ruhe, wie die vom Hause Gottes, schließlich auch

i die Melchisedek-Typologie stehen in Beziehung zu der

| Geschichte des Tempels von seiner Gründung bis zu seiner
Zerstörung, die in der Trauerliturgie des 9. Ab vergegenwärtigt
wird. Auch das hat unsern Verf. beein-

! flußt, wie ja auch nach Thackerays Forschungen (aaO.
S. 95) eine Predigt zum 9. Ab hinter den Ausführungen
des Paulus in 1. Kor. 1, 18—2, 16 steht. Die Tempel-

I geschichte, deren letzte katastrophale Wendung der Verf.

I und seine Leser selbst erlebten, hat die Frömmigkeit
der Verbannten geprägt und bietet so den negativen Hin-

! tergrund für die Heilsbotschaft des Hebr. Das alttestamentliehe
Material, aus der Gegenwartsfrömmigkeit der

i jüdisch-palästinischen Synagoge übernommen, dient daher
nicht der Bekämpfung des Judentums, sondern der
Gewinnung der Juden für den Christus, der im AT.

| heimlich verkündigt wird. Er ist der Friedensfürst, der
sich in den vom Hebr. angezogenen Stellen mächtig of-

| fenbart. Friede und Recht sind die Zeichen seiner Herrschaft
. Er bringt den Bund des Lebens und ist so das
wahre Ziel der Pilgrimschaft. Seine Gemeinde ist der

j rettende Hafen für die Verbannten. Das wird in dem

: Schlußkapitel auch im einzelnen exegetisch ausgeführt
und ist jedenfalls des Verf. Grundidee für das Ver-

| ständnis des gleichermaßen berühmten und schwierigen
urchristlichen Schriftstückes.

Der besondere Wert dieser Untersuchungen liegt in

I der Ablehnung eines bloß intellektuellen Verständnisses

, des Hebr. als der ersten systematischen Abhandlung der

i christlichen Theologie, als die der Hebr. seit Reuß

] immer wieder bezeichnet worden ist. Nicht christolo-
gische Lehre, sondern Christusverkündigung bietet der
Brief. Auch die Darstellung des ,exiled mind', an den
sich die Heilsbotschaft wendet, bietet mit ihrer Anknüpfung
an die jüdische Liturgie wertvolle Anregungen, ob-

j wohl das hellenistische Element in dein Brief nun wohl
unterschätzt wird. Aber die wissenschaftlichen Einzelfragen
dürfen hier zurückstehen gegenüber der warmen

i Einfühlung in die Lebensluft des Hebr., die dieses

' gewiß einzigartige Zeugnis urchristlicher Frömmigkeit
für die Verkündigung der Gegenwart fruchtbar macht.
Gießen. Georg Bertram.

B i h 1 m e y e r, Prof. D. Dr. Karl: Kirchengeschichte, auf Grund des
Lehrbuches von F. X. von Funk neubearb. 1. Teil: Das christliche
Altertum. 10., vielf. verb. u. teilw. umgearb. Auflage. Paderborn: Ferd.
Schöningh 1936. (XVI, 401 S.) gr. 8° = Wissensch. Handbibliothek.

RM 7.20 ; geb. 9—.

Wiewohl verspätet, erscheint auch heute noch ein
Hinweis auf die neue, zehnte Auflage der Bihlmeyer-
schen Kirchengeschichte des Altertums wohl am Platz.
Die erste von ihm veranstaltete (6.) Auflage des Lehrbuchs
ist in dieser Zeitschrift 1913 Sp. 187 f. von Loofs,