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Ausgabe:

1938 Nr. 18

Spalte:

328-332

Titel/Untertitel:

Christus 1938

Rezensent:

Kohlmeyer, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 18.

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habt hätten. An dieser Stelle erscheint mir die Möglichkeit, daß das
erste der beiden Zusatzkapitel doch dem ursprünglichen Zusammenhange
angehörte, nicht ausgeschlossen.

Was das Ganze betrifft, so herrscht allseitige Übereinstimmung
über Autorschaft (seit 1906 in steigendem
Grade sichergestellt), Datum (217 oder bald danach,
auf älterer Grundlage mit eigenen Zutaten) und Anlaß
zur Herausgabe der „Apostolischen Tradition", die neben
der weit älteren „Lehre der 12 Apostel" (Didache) das
wichtigste und einflußreichste altchristliche Schriftstück
darstellt, das uns in ausreichender Vollständigkeit über
kultische Anordnungen und anschließende Gemeindeeinrichtungen
, dort des Ostens, hier des Westens, aus so
früher Zeit unterrichtet. Die Bestimmungen treffen mit
gleichzeitigen Nachrichten christlicher Schriftsteller, vor
allem Tertullians, gelegentlich überein, und bezüglich
der Einordnung der Katechumenen in die Gemeinde
ziemlich genau mit den Angaben der um 70 Jahre
zurückliegenden Apologie Justins (außer der Dix S.
XXXIX auf Valentin in Rom verweist). Veranlassung
gab die dem theologischen Standpunkt Hippolyts entgegengesetzte
monarchianische Stellungnahme der römischen
Bischöfe Zephyrin und Kallist, zumal des letzteren
, neben dem Hippolyt als schismatischer Bischof
von Rom gegolten hat. Das wird vom Verfasser
der vorliegenden Untersuchung mit Bevorzugung des
offiziellen „Papstes" stark betont, und in diesem Zusammenhange
die schriftstellerische und persönliche Qualität
Hippolyts ungebührlich herabgesetzt (S. XV f. u. ö.).
Neben der Übernahme einzelner Gebetsvorlagen aus dem
Spätjudentum (von Dix S. XL ff. geschildert) läßt die
noch spürbare Nachwirkung urchristlicher Regungen die
Wahl des Titels einigermaßen berechtigt erscheinen, aber
der Besitz des Gemeindegeistes hat sich bereits vornehmlich
auf die Oberstufen der kirchlichen Ämter konzentriert
.

Über die Nachwirkung der Kirchenordnung handelt
Verf. S. XLIVff.; sie hat auch in offiziellen Liturgien
des Westens Spuren hinterlassen (S. XXXIX Anm.).
Auf die Vorrede Hippolyts, von der aus der Begriff der
„Apost. Tradition" noch umfassender zu entwickeln und
das Verhältnis zur vorangegangenen, in denselben Rahmen
gehörigen Schrift „über die Gnadengaben" zu erörtern
gewesen wäre, ist Dix so wenig wie sein Vorgänger
genauer eingegangen; er stellt aber einen weiteren Band
in Aussicht, der „the detailed Introduction and all con-
sideration of the book's contents and setting" enthalten
soll.

Einstweilen wird die Forschung auch auf deutscher
Seite weitergehen, da, wie verlautet, eine Neuübersetzung
des äthiopischen Textes nach 8 Handschriften unter
Vergleich ihres unmittelbaren Vorgängers des Arabers,
sowie eine Abhandlung über den Kirchenbegriff Hippolyts
in Aussicht stehen.

Oöttingen. E. Hen necke.

Rensing, Theodor: Das Dortmunder Dominikanerkloster

(1309-1816). Münsteri. W.: Aschendorff 1936. (VII, 288 S. m. 56
Abb.) RM 8.80; geb.'10.80.

Während in der von uns angezeigten Geschichte des
Augsburger Dominikanerklosters von Siemer (vgl.
Theol. Lit. Ztg. 1937, Nr. 11, Sp. 202) das Kirchengeschichtliche
durchaus überwiegt, ist Rensing von der
kunstgeschichtlichen Seite an sein Thema herangekommen
. Der vierte Abschnitt des Buches (S. 208—284)
behandelt — veranschaulicht durch 36 Tafeln — die
Baugeschichte des Klosters in allen Phasen durch die
Jahrhundeite sowie die Ausstattung und Ausschmückung
der Klosterräume und der Kirche. Der Hauptteil des
Buches aber ist den einzelnen Mitgliedern des Konventes
, seinen Prioren, Lektoren und Brüdern gewidmet
(S. 123—207), und somit steht das Familiengeschicht-
liche durchaus im Vordergrunde. Damit wird dem Buche
heute Beachtung auch in jenen Kreisen gesichert, die es
sonst wohl kaum beachten würden. Aber auch in den
übrigen Teilen der Darstellung überwiegen Mitteilungen

| geschichtlicher Einzelheiten und kulturgeschichtliche
Schilderungen, so daß für die eigentliche kirchenge-
| schichtliche Betrachtung kaum Raum bleibt; immerhin
j läßt sich der Verfasser über die Geschichte des Dominikanerordens
im Eingange seines Buches verhältnismäßig
j breit aus (S. 1—7) und ebenso schildert er etwa In-
I quisition und Studienform der mittelalterlichen Universität
(S. 65 ff.) recht ausgiebig.

An sich hat wohl die kulturgeschichtliche Betrachtungsweise
, wie sie R. anwendet, ihre Vorzüge, zumal
hier gestützt auf eingehendes Quellenstudium und unter
| Heranziehung der Geschichte fast aller Dominikanerklöster
Nordwestdeutschlands als Vergleichsmaterial eine
j recht ansprechende Schau geboten wird. Das Dortmunder
Dominikanerkloster, bei dessen Gründung 1309 Mei-
j ster Eckehart beteiligt war, hat eine geradezu qualvolle
I Anfangsperiode erlebt. Nach nur kurzer Blüte, auch
l seines Studiums, im späten Mittelalter, wurde es bald
| in die Nöte und Kämpfe der Reformation verwickelt,
ohne in den späteren Jahrhunderten wieder zu Wohlstand
und großer Wirkungsmöglichkeit zu gelangen.
1719 erhielt das Kloster durch den Kölner Erzbischof
j Pfarr-Rechte: damit wurde ein schon lange Zeit be-
| stehender Zustand rechtlich anerkannt. Es will uns schei-
| nen, als ob die preußische Regierung dieser Tatsache
! Rechnung getragen hat, als sie mit dem 6. März 1816
das Kloster — nicht säkularisierte, sondern — aufhob
und sein Vermögen der katholischen Gemeinde in Dort-
i mund überwies. Nach dem Reichsdeputationshauptschluß
| hätte Oranien und hätte nach ihm die Regierung des
Großherzogtums Berg wohl das Recht gehabt, das Klo-
| ster zu säkularisieren und sein Vermögen für den Staat
I einzuziehen, das freilich durch die Kriegsnöte des 18.
Jahrhunderts stark zusammengeschmolzen war, nachdem
es sich erst mühselig von den Schmerzen des dreißigjährigen
Krieges erholt hatte. Trotz verschiedener An-
I sätze aber ist es dazu weder von Oranien noch dann von
! Berg und schließlich von Preußen gekommen. Als Preu-
i ßen nach dem Abzug der Franzosen und nach der Wie-
| ner Schlußakte endgültig in den Besitz von Dortmund
| kam, wären hier die Oktobergesetze von 1810 ohne Weiteres
anwendbar gewesen. Man sah aber wohl in der
I Dominikanerkirche mehr den Mittelpunkt eines Pfarrsy-
I stems als ein mit Nutzen für den Staat säkularisierbares
I Stift.

Das Buch R.'s, vortrefflich gedruckt und ausgestattet
, steht auch im Hinblick auf den Gegenstand weit
! über dem Durchschnitt der üblichen Klostergeschichten.
I Berlin. Otto Lerche.

! Seeberg, Erich: Christus. Wirklichkeit und Urbild. Stuttgart:
I Kohlhammcr 1937. (XXII, 464 S.) gr. 8° == Luthers Theologie, 2.
j Bd. RM 24 -.

Das Anliegen dieses Buches: „hier geht es . . nicht
■ bloß um die Christologie im engern Sinn. . . Die ,Dyna-
| mis' Christi innerhalb der Religion und Theologie Luthers
gilt es zu verstehen. Hat er theocentrisch oder
| christocentrisch gedacht?"

Den besten Weg dazu findet S. in der „schlichten,
aber erlebten Analyse einzelner wesentlicher Schriften
und nicht in der systematischen Konstruktion". Und
; der Historiker wird sich auf diesem Weg gern führen
lassen. Er ergibt eine Methode dicht übereinander ge-
' legter Querschnitte, sieben im ganzen, innerhalb deren
S. viel mehr deskriptiv als systematisierend vorgeht. Gewiß
, nach Schulmaßstäben droht die Gefahr der Wiederholung
, aber sie wird überwogen durch eine um so
reichhaltigere Kenntnis der jeweiligen Querverbindungen
in den Gedanken Luthers, wenn man sich auf dieser Wanderung
durch das vielgeschossige Gebäude in jedem
Stockwerk von Zimmer zu Zimmer hat führen lassen,
auch wenn sie meist — nicht immer — im Grundriß sich
entsprechen. Man wird inne, daß eine ganze Reihe von
benachbarten Themen in die Erörterung des zentralen
Anliegens hineingezogen werden muß.