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Ausgabe:

1938 Nr. 17

Spalte:

317-318

Autor/Hrsg.:

Walter, Johannes von

Titel/Untertitel:

Mystik und Rechtfertigung beim jungen Luther 1938

Rezensent:

Markgraf, Bruno

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Seite 1

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817 Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 17. 318

warnt E. davor, aus dem Patroziniuin einer Kirche auf Rechtfertigungsglauben von Einfluß geworden. „Nicht

Einflüsse von Klöstern schließen zu wollen und sucht der Gedanke der schöpferischen gottgleichen Persönlich-

das mit dem Hinweis auf das Peter- und Paul-Patro- ! keit wurde von Luther übernommen, sondern das ge-

zinum und das Nikolauspatrozinium nachzuweisen. Be- rade Gegenteil davon. Das war aber das Kreuz."

sonders wendet er sich gegen die von m G. Bossert Leipzig-Markkleeberg. Bruno Markgraf,

d. Ä. und G. Hoffmann versuchte These, als weise Ni

, , «"« vi. '^w™. V^J". u;„ ,,„A Zwingliana. Beiträge zur Geschichte Zwinglis, der Reformation und
kolaus auf cluniacensisch-hirsauischen Einfluß hm und dessProtestantisnius, in der Schweiz, hrsg. vom Zwingliverein. Bd. vi,
set er der Typus des streitbaren Monchtums (im Sinne Heft 7 (s. 345-416). Zürich: Berichthaus 1937 Gr. 8U.
Gregors VII). Es handelt sich bei Nikolaus nicht um dag heft .,t £rasmus und calvin l n y i k o s
„einen besonderen hirsauischen Heiligen ', wie E. meint, . A * t yor üb£r Erasmus und d/r böh.
sondern wirklich um den Vertreter der e uniazenisch- mfsch.ungarische Königshof". Er gibt eine Ergänzung
gregorianischen d. h stramm kirchlich-päpstlichen dee. einem vor 10 Jahren erschienenen Aufsatz von Theo-
Ls fragt sich also: hat Nikolaus zeitweise einen ausge- d Thienemann: Erasme en Hongrie, vor allem auf
sprechen politischen d. h. papsthch-antikaiserl chen Cha- Q d d A fa rf Briefe des Erasmus durch
rakter gehabt? Das wird sich nicht bestreiten lassen. p s Allen Er f tVch den Ursache„, warura Eras.
Weiter muß auch gefragt werden woher man bei jedem mus nach Un|arn Brjefe schreibt und wamm dort
Kirchbau die Reliquien bezogen hat Hatten die Kloster dne Begeisterung fur Erasmus aufflammen konnte. Er
das Recht, Re iquien abzugeben? Dann bespricht E. die sient d(* Hauptgru„d nicht in dem persönlichen Wunsch
Bautätigkeit des Abts Wilhelm und sucht zu zeigen, , nach Geschenk oder Ehre und Einfluß, sondern in dem
daß es nur etwa 10 Kirchen oder Kloster sind, bei denen sachlichen Bestreben, für die „bonae litterae" zu kämp-
man einen Einfluß Wilhelms vermuten kann. E. zeigt, f ebens0 geht es ihm um die religio christiana, deren
wie sich die Hirsauer Baumeister den Verhaltnissen | „rößter Feind der Türke ist, gegen den die christlichen
anzupassen suchten und kein starres Schema zu gründe Eursten sicn zusammenschließen sollten in Einheit des
legten. E. redet dann von dem schwabischen Typus der Glaubens. Der italienische Humanismus war seit der
Kirchen vom Ende des 11. und Anfang des 12. Jh.s Mitte des 15 Jh s bei den hohen Beamten bekannt und
mit ihren östlichen Türmen über den Nebenapsiden, wie durch Matthias Corvinus gefördert worden. Erasmus
sie sich im Bistum Konstanz und im mittleren Bayern , wurde jn Ungarn bekannt wohl durch die Tätigkeit des
und z. B. an der Leonhardskirche in Frankfurt a. M., | Conrad Celtis in Wien. Das kirchliche Leben in Ungarn
einer Schöpfung des Stauienkaisers Friedrich IL, finden. war stark verweltlicht. Aus Böhmen kamen Hilferufe
Er führt diese Besonderheit auf Bischof Gebhard III. | an Erasmus, gegen Ketzer das Evangelium bekannt zu
von Konstanz zurück, der durch seine Verwandten die , machen. Die Deutschen in Ungarn neigten der lutheri-
landschattliche Eigenart auch nach der Oberpfalz brachte. schen Reformation zu und wurden von Markgraf Georg
Durch ihn wurde nach E. auch Bischof Otto I von Barn- von Brandenburg ermuntert. Der Hof sah die Notwen-
berg, ein geborener Schwabe, Forderer des schwabischen digkeit der Reform, besonders die Königin Maria, aber
Kirclientypus. I ^Artner ist ihr zu radikal. Erasmus fand viele Freunde,
bo zeigt E. die geschichtlicne Beüingtheit jeder Kn- , so den Erzieher des Königs Ludwig IL, den Propst
che.igriindungund bestreitet den Begrili eines Hirsai.cr jaküb Piso der auch die Brüder Johann, Stanislaus
„Bauscheinas'; oder einer Hirsauer Bauschule. Die Bild- und Al€xis Thurzo für Erasmus begeisterte, die als
werke am Hirsauer Eulenturm in Alpirsbach sucht E. Bischöfe von Breslau und Olmütz und als Schatzmeister
mit K. Greiner astronomisch zu deuten. E. Schmid j viei am Hof galten und großen Einfluß hatten. Weitere
behandelt die Frage: „War Henri Arnaud reich?". Der Freunde hatte Erasmus in Caspar Ursinus Velius, dem
einstige Waldenserführer und -pfarrer besaß zwar in Lehrer der Rhetorik, und in dem Arzt Johannes Anleinen
pieinontesischen Gütern ein gewisses Vermögen, 1 toninus. Durch diesen wurde der ungarische Hofpre-
hatte aber keinen Nutzen davon. Seine Habe ist noch diger Dr. Joh. Henckel 1526 mit Erasmus bekannt
genau zu ersehen aus den Teilungsakten von 1722, die ; Die Königin Maria erhielt nach der Schlacht von Mohacz
im Privatbesitz vorhanden sind. W. Wiswedel be- Von Erasmus die Schrift: de vidua christiana. Auch ihr
schreibt die Testamentserläuterung, die Erklärung bib- Hofprediger in den Niederlanden, Nikolaus Olah, war ein
üsclier Begriffe und Sätze durch die den Taufgesinnten , Freund des Erasmus. Nach seinem Tode zeigt sich der
zuzurechnenden Schweizer Brüder, von der zwei Drucke Einfluß des Erasmus noch in den ungarischen Bibelin
Berlin und Zürich liegen. Auf sie hatte schon Chr. , Übersetzungen und Schulbüchern und in der Haltung des
Hege und dann Loserth aufmerksam gemacht in dein von siebenbürgischen Bischofs Franz David und des ungari-
iliin veröffentlichten Werk „Pilgrim Marbecks Antwort scilen Reformgeistlichen Andreas Duditius. K. üug-
auf Kaspar Schmuckfelds Beurteilung des Buches der ; gisberg veröffentlicht einen Vortrag über „Joh. Cal-
Bundesbezeugung von 1542". Es ist nur zu wünschen, vjn und Nik. Zurkinden" und erörtert das Problem-
daß auch dieses Täuferwerk neuherausgegeben wird. Glaubensautorität und Gewissensfreiheit. In Zurkinden
So allein wird es möglich, die Auffassung der süddeut- lernen wir einen der trefflichen Laien der Reformations-
schen und schweizerischen Täufer genauer kennen zu 1er- zeit kennen. Zurkinden tat als städtischer Beamter in
«en, vor allem ihre Bibelkenntnis und -erklärtmg. i Bern Calvin manchen guten Dienst, aber hat sich auch

.„Stuttgart-Berg.__O. Bossert. j mjt dem aller Lehrfreiheit und Toleranz abholden Genfer

Walter, Prof. Joh. von : Mystik und Rechtfertigung beim jungen Reformator oft „freundschaftlich gezankt" besonders über

Luther. Gütersloh: C. Bertelsmann 1937. (40 s.) 8° = Studien d. : die Prädestinationslehre, die Zurkinden als nebliges

Luther-Akad. hrsg. C. Stange, 13. Heft. RM 1.20. Labyrinth und spitzfindige Spekulation" ablehnte, und

Verfasser stellt die gegensätzlichen Zeugnisse Luthers über die Ketzerbestrafung, als Calvin diese nach Servets

über seine Einstellung zur Mystik zusammen. Mit Recht Hinrichtung befürwortete. Zurkinden wandte sich gegen

lehnt er gegen Heinrich Böhmer es ab, „das Jahr 1519 Calvins überspitzten Autoritätsglauben und zwar von der

etwa als für Luthers Abwendung von der Mystik ent- Schrift aus. Er ging nicht von spekulativer, sondern

scheidend anzusehen." Im Mittelpunkt der Untersuchung von sittlichen Gedanken aus. Friedfertigkeit ist ihm

steht die Frage der theologia crucis. Sie war Luther, das Zeichen der Gotteskinder. Man freut sich, daß der

schon ehe er mit der Theologia Deutsch und Tauler be- Vf. sagt, die Kirchengeschichtsschreibung beschäftige

kannt wurde, geläufig, und zwar durch Staupitz. Woher sich viel zu wenig mit der Laienfrömmigkeit (S. 391).

sie dieser hatte, ist noch nicht ermittelt. „Aber soviel Bedenklicher freilich ist der Satz, das charaktervolle

wird sich sagen lassen, daß die Verwertung dieses Mo- Laienchristentum werde stets seinem Wesen nach für

tives in der kirchlich-neutraüsierten Mystik der Mut- j Toleranz und Gewissensfreiheit eintreten, solange es nicht

terboden war, dem diese Theologie des Kreuzes beim j verhetzt wurde. H. Hoffmann fügt den Ausfüh-

Reformator entstammte." Dieser Gedanke ist für Luthers j rungen ein Diskussionsvotum bei, in dein er die Größe