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Ausgabe:

1938 Nr. 17

Spalte:

299

Titel/Untertitel:

Anahita 1938

Rezensent:

Glasenapp, Helmuth

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299

Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 17.

800

Im zweiten Teil ihrer Schrift stellt die Verfasserin
dann die Gebräuche der Araukaner und zwar zunächst
die bei einem Todesfall üblichen dar, die, wie anderwärts
, teils den Toten vor fremden Einflüssen schützen,
teils dauernd günstig stimmen sollen. Die Ackerbauriten
waren in der Tat z. T. magischen Charakters — die
Verfasserin bezeichnet so sogar auch die Sitte, daß
beim Erntefest zwei Hanswurste auf Bambuspfählen
zwischen den Gästen herumritten und ihnen das Essen
wegnahmen! — nicht dagegen die bei einem Hausbau
den Geistern der Verstorbenen dargebrachten Spenden.
Magisch war dafür wieder der Totemismus, sofern der
Verbündete des Stammgründers — das war hier der
Totem — von jenem durch einen Bann (besonders
durch Blutmischung) gezwungen worden sein sollte, mit
seinem ganzen Einfluß und seiner Macht zur Erhaltung
der Geschlechterfolge beizutragen. „Von diesem Wesen
leitete der Clan seinen Namen her und man brachte
ihm Ehrfurcht und Liebe entgegen, aber keine Anbetung"
(S. 118). Außerdem bemalte man sich mit seinem Bilde
oder maskierte sich sonst ihm ähnlich, namentlich bei
den Tänzen — und das Alles hatte ursprünglich wieder
magische Gründe. Ob dagegen Sonne, Wasser und
Steine von Haus aus insofern „magische Wesenheiten"
(S. 133) waren, als sie als Totems dienten, ist deshalb
unsicher, weil sie alle anders, als nach dem eben Gesagten
diese, wirklich verehrt wurden — bei den Steinen
könnten hier die auf ihnen sich findenden Vertiefungen
tatsächlich nicht nur später, sondern ursprünglich zur
Aufnahme von Opferspenden gedient haben. Die bei verschiedenen
Gelegenheiten dargebrachten Opfer von Tieren
oder Menschen hatten endlich insofern eine magische
Bedeutung, als das Herz des Opfers übernatürliche
Kräfte mitteilen sollte.

Bonn. Carl Clemen.

Well er, Hermann: Anahita. O rund leger, des zur arischen Metrik.

Yast V. metrisch hrsg. und erkl. Stuttgart: W. Kohlhammer (1938].

(X, 154 S.) gr. 8° = Veröfftl. d. Orient. Seminars d. Univ. Tübingen,

Abhdl. z. Oriental. Philologie u. z. allg. Religionsgesch. H. 9. RM 9-.
Die Schrift trägt den Titel „Anahita" „lediglich deshalb um ihr
einen kurzen Namen zu geben" (p. VI), sie befaßt sich vornehmlich
mit Orundproblemen der vedischen und awestischen Metrik und ist deshalb
in erster Linie für den Sprachforscher von Wichtigkeit. Für den
Relig:onsvissenschaftler von Interesse ist sie erstens weyen der Übersetzung
des ArdvTsür Yast (Yast V) S. 127 -154, „welche Rhythmus,
Klang und Art der volkstümlich-arischen Versgcstaltung versinnbildlichen
soll" und weiterhin wegen der Erörterungen über das Wesen der Göttin
Anahita (S. 71—79), in welcher sich eine arische Gestalt mit einer
semitischen synkretistisch vereinigt hat.

Königsberg-Pr. H. v. G lasen app.

Kleine Mythologie. Die Götter und Helden der Griechen. Frankfurt
a. M.: Societäts-Verlag 1937. (XI, 155 S., zahlreiche Abb. im Text,
2 Ktn.) kl. 8°. RM 2.80.

In der Überzeugung, daß die Geschichte des abendländischen
Geistes mit dem Götterglauben der Hellenen
beginnt und die griechischen Götter und Helden im
Reiche der Phantasie unsterblich geblieben sind, hat
Eckart Peterich für weitere Kreise ein „Nachschlage-,
Lese- und Lernbüchlein" verfaßt mit einem umfassenden
Register, das auch im Text nicht enthaltene Namen
erklärt. Eine allgemeine Einleitung deutet die Ansichten
des Verfassers über Werden und Wesen der griechischen
Religion und Sage an, die in einem späteren,
wissenschaftlichen Buche näher ausgeführt werden sollen-
Die Darstellung selber beschränkt sich auf knappe Wiedergabe
der Tradition und enthält sich prinzipiell, wenn
auch nicht ganz konsequent der Analyse und Deutung.
Man hat den Eindruck, daß das zuverlässige Büchlein
in seiner einfachen Art seinem Zwecke gerecht zu werden
vermag, und hofft, daß es möglichst viele seiner
Benutzer zu näherer Beschäftigung mit dem hellenischen
Mythos anregen wird, sei es an Hand antiker Dichtun- ;
gen, wie sie Peterich in ausgewählten, z. T. neu über- I
setzten Versen zur Einführung der einzelnen Abschnitte {
sprechen läßt, oder an Werken der bildenden Kunst, |

die in verkleinerten Wiedergaben von Vasendarstellungen
nach Furtwängler-Reichhold vertreten ist, oder gar
mit Hilfe von Büchern moderner Gelehrter, unter denen
neben Pieller-Robert, Burckhardt, W. F. Otto und Wila-
mowitz unbedingt wenigstens auch Kern zu nennen war.
i Tübingen. Hans Herter.

.Evans-Wentz, W. Y.: Yoga und Geheimlehren Tibets. Mün-
chen-Planegg: Otto Wilhelm Barth 1937. (286 S.) 8°. RM 6—; geb. 8-.
Das Werk ist eine von dem Pseudonymus „Alterego"
: verfaßte Verdeutschung des Buches „Tibetan Yoga and
i Secret Doctrines or seven Books of Wisdom of 'the
Great Path, according to the late Läma Kazi Dawa-
Samdup's English Rendering arranged and edited by
W. Y. Evans-Wentz" (Oxford University Press 1935).
Es gibt die von dem verstorbenen Lama Kazi Dawa-Sam-
dup (einen der wenigen Kennern alttibetischen Tradi-
j tionen, der des Englischen mächtig war) in Gemeinschaft
: mit Dr. Evans-Wentz hergestellt und von diesem herausgegebene
und erläuterte Übersetzung von 7 mystischen
j Traktaten sehr verschiedenen Umfangs und Inhalts.

Der 1., hier „Der höchste Pfad der Schülerschaft; die Vorschriften
j der Gurus" genannt, stammt von dem Meister Dvagpo-Lharje (gest. 1152)
und ist teilweise bereits durch A. David-Neel „Meister und Schüler"
S. 159 ff. bekannt, das gleiche gilt von Nr. 2 „Der Pfad zum Nirväna ;
der Yoga des Großen Symbols" (Mahämudrä). Es ist dies ein von
Padma Karpo (17. Jh.) verfaßter Auszug aus älteren Schriften, ebenso
wie Nr. 3 „Der Yoga der 6 Lehren", ein Text der sich mit der Praxis
der künstlichen Erzeugung von Körperwärme u. dergl. beschäftigt. Nr. 4
„Der Yoga der Bewußtseinsübertragung" hat einen ähnlichen Inhalt wie
1 das von Evans-Wentz übersetzte „Tibetanische Totenbuch" (Bardo Thödol)
und soll auf eine Überlieferung von 900 Jahren (die deutsche Übers.
I [S. 184] übersetzt den englischen Text p. 254 fälschlich mit „vor etwa
100 Jahren") zurückgehen. Im Gegensatz zu den ersten vier Texten,
die alle der Kargyütpa-Schule entstammen, gehört Nr. 5 „Der Yoga der
! Unterwerfung des niederen Selbsts" der alten Ningmapa-Sekte Padma-
j sambhavas an; das Werk behandelt das „Chöd"-Ritual, das in Form
I eines Mysteriendramas die Vernichtung der Ich-Sucht bezweckt. Nr. 6
„Der Yoga des langen Hum" ist ein kurzer Vajrayana-Traktat über die
! symbolische Bedeutung der Silbe „Hum". Nr. 7 „Der Yoga der Leere"
ist eine Übertragung des „Prajnäparamitä-Hrdaya", einer nur wenige
i Verse unifassenden Kondensierung der Lehre von der „Leerheit"
(sünyatä), wie sie von Nägärjuna und der Schule der Mädhyamikas vertreten
wurde. (Eine Übersetzung einer Auswahl von Texten der
I Prajnäpäramitä-Literatur gab M. Walleser „Die Vollkommenheit der Erkenntnis
" Göttingen 1914).

Evans-Wentz hat sich der Herausgabe der Übersetzungen
seines Guru mit großer Hingabe und Begeisterung
unterzogen und in einleitenden Bemerkungen
und Fußnoten ihren schwierigen Inhalt aufzuhellen ver-
| sucht. Es ist schade, daß er die Forschungen Stciierbats-
ky's, Obermiller's, La Vallee Pou9sm's u. a. nicht be-
| rücksichtigt hat, ihre Kenntnis hätte das Verständnis
vieler Stellen gefördert.

Merkwürdig berührt es z.B. wenn er p. 18 u. 20 (deutsch S. 27
u. 28) vom „Lamkara-Sütra" des Asanga spricht; die richtige Form
„Süträlankära" scheint sich bei ihm mit dem Text „Lankävatära" vermischt
zu haben. Kant und Schopenhauer verwechselt er p. 349 (deutsch
S. 238), wenn er ersterem die Anschauung, die Welt sei Wille und Vorstellung
zuschreibt. Auch die Angaben über die indischen Philosophen,
ihre Datierung u. s. w. bedürfen einer kritischen Sichtung.

Die deutsche Übersetzung hat nicht nur die Illustrationen des englischen
Originals (auf die aber versehentlich S. 260 unter Anm. 74 hingewiesen
wird!), sondern auch zahlreiche Erläuterungen in demselben
fortgelassen; störend wirkt, daß Sanskritworte vielfach in fehlerhafter
| Form oder mit falschem Artikel auftreten (S. 30 Pantanjali, 48 die
Jambudvipa, 229 derSiddhi, 233 dieVajra, 239 d e r Prajnaparamita).
j S. 253 heißt es „Sangsara wurde vom Herausgeber der gewöhnlich gebrauchten
sinnverwandten Form Samsara vorgezogen". Hier ist das
englische „as a transliteration from the Sanskrit" hinter dem Wort
„Sangsara" ausgefallen, wodurch der Satz unverständlich wird; es handelt
sich natürlich nicht um sinnverwandte Wörter sondern um verschiedene
Transskriptionsmethoden desselben Wortes.

In der Wiedergabe mancher Ausdrücke wird man
auch anderer Ansicht sein als Alterego. Ungeachtet dieser
Schwächen, die es als ratsam erscheinen lassen,
für wissenschaftliche Zwecke stets das englische Werk
heranzuziehen, vermag das Buch doch einen Einblick in
eine geistige Welt zu vermitteln, über die wir im Deut-