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Ausgabe:

1938

Spalte:

282-283

Autor/Hrsg.:

Tüchle, Hermann

Titel/Untertitel:

Die Kirchenpolitik des Herzogs Karl Alexander von Württemberg 1938

Rezensent:

Bossert, Gustav

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Theologische Literaturzeitung 1938 Nr- 15/16.

282

Institution, ihre materiellen Grundlagen und überhaupt hätte den Professoren ein gesichertes Dasein verstartet,

die äußeren Bedingungen für ihre Wirksamkeit während wenn nicht die Staatsmacht trotz der Privilegien immer

jener zwei Jahrhunderte, während die Darstellung der ] durch Steuern sie illusorisch gemacht hätte.

Geschichte der Universität als Unterrichtsanstalt und als j Die Universität war, wie im Mittelalter, eine Vereini-

Forschungsinstitut dem zweiten Bande vorbehalten ist. j gung von Lehrern und Schülern. Die Reformation schuf

Bisher hat es zwei ausführliche Darstellungen der j «inen festen Stab von Lehrern. Außer den ordentlichen

Universitätsgeschichte gegeben: Henning Matzen hat j Professoren gab es außerordentliche, Privatdocenten und

1879 in zwei starken Bänden die Rechtsgeschichte der i Sprachlehrer. An der Spitze der vier Fakultäten standen

Kopenhagener Hochschule von 1479 bis 1879 dargestellt, ; Dekane. Außer ihrer Lehrtätigkeit wurden die Professo-

Holger Frederik Rordam hat 1866—1877 in vierBän- ; ren häufig von dem Staat in Anspruch genommen. So

den die Geschichte der Universität von der Reformation lag ihnen die Übersetzung der Bibel ob, sie übten die

bis zum Jahre 1621 geschrieben, wesentlich in analisti- Censur aus, hatten Anfragen in Ehe- und Scheidungs-

scher Form, mit besonderer Betonung des kirchenge- ; Sachen, wegen Aberglaube und Zauberei zu beantworten,

schichtlichen Stoffes, aber ohne Rücksicht auf Zusam- | Im allgemeinen studierten nur die eigenen Kinder

menhänge mit dem europäischen Geistesleben; auch spä- , des Landes an der Universität, die ja auf Fremde keine

ter hat Rordam noch eifrig Beiträge zur weiteren Ge- i große Anziehungskraft ausüben konnte; nicht einmal die

schichte der Universität veröffentlicht (vgl. Th.L. Z.1932, ( Landeskinder waren zum Besuch der Universität ver-

Sp. 543). pflichtet. Reisen zu fremden Universitäten waren allge-

Johannes Bugen ha gen, der 1537—1539 als theo- mein, nur der Besuch des Jesuitenkollegs in Braunsberg

logischer Professor in Kopenhagen war, ist der Organisator
der neuen Universität gewesen. Es lag eine große,
aber nicht zu umgehende Schwierigkeit darin, daß der
leitende Organisator ein Fremder war, der mit den Ver

ist vorübergehend verboten gewesen. Die oft jungen
Studenten mußten vom Rektor der besuchten Schule ein
testimonium eruditlonis et vilae mitbringen. 1629 wurde
das Examen artium an der Universität eingeführt. Der

hältnissen der Königreiche Dänemark und Norwegen un- j mittelalterliche Brauch der Deposition ist 1732 abge
bekannt war; die Universität Wittenberg ist daher das I schafft worden. Die Studenten waren in der Regel Theo-
Vorbild der neuen Einrichtung gewesen. Durch die Re- logen, erst 1736 wurde durch die Einführung des juri-
formation wurde die Universität im wesentlichen eine ; stischen Examens die Möglichkeit, einen Juristenstand
Unterrichtsanstalt für die künftigen Geistlichen; früher ' aufzuziehen, gegeben. Außer den Vorlesungen, die in der

war sie eine kirchliche, jetzt wurde sie eine staatliche
Institution.

1539 wurde auf dem Herrentag zu Odense die „Fan
datio et Ordinatio universalis Scholae fiafniensis" be
schlössen, welche 200 Jahre das Grundgesetz der Kopen

Regel Diktate waren, und den Repititionen hielten die
Professoren Disputationen ab; Professoren und Studenten
übten sich in den Deklamationen.

Zum Unterhalt armer Studenten gründete Friedrich
II. die Kommunität1; daraus ist 1623 die Regents

hagener Universität gewesen ist. 3 theologische Pro- i gebildet. Außerdem besaß die Universität seit 1595 den

fessoren wurden bestimmt, 1 Jurist, 2 Mediziner, 5 Pro- 1 Vaikendorfsehen Hof, seit 1689 Borchs Collegium und

fessoren in der Artistenfakultät (Pädagogik, Dialektik, ! gleichzeitig Ehlers' Collegium als gemeinsame Wohnung

Rhetorik, Physik und Mathematik). — Friedrichs II. Fun- ! für je 16 Studenten (zusammen also 48). — Das letzte

dation gab den Professoren bessere Gehälter (1571). Der j Kapitel berichtet von Ordnung und Disziplin, die in den

Absolutismus machte dann die Privilegien der Universität
fast bedeutungslos. Ein neues Grundgesetz wurde 1691/3
ausgearbeitet, doch wurde eine durchgreifende Reform
erstaunter Christian VI. 1731/2 durchgeführt. Darin trat

Gesetzen immer wieder gefordert werden, von deren
Übertretung die Verhandlungen des Konsistoriums aber
immer wieder uns berichten.

Die Anzeige hat versucht, einen Einblick in den In-

das Rechtsstudium in den Vordergi-und, während die Hu- i halt des Buches zu geben; vergleicht man Norvins

maniora und namentlich die Philosophie zurückgesetzt ; 1. Band mit Rordams vierbändigen Werk, so zeigt sich,
wurden. .wie hier auf weniger Seiten die systematische Darstel-

Durch die Reformation war als oberste Behörde der ■ lmig, die den Zusammenhang mit der europäischen üei-

Universität an Stelle des Bischofs von Seeland der König ; stesgeschichte im Auge behält, den Vorzug vor der nun

getreten. Die Universität hatte das Recht, ihre Lehrer zu j ja auch schon 60 Jahre alten annalistischen Aufzählung

berufen; später bedurfte es der Bestätigung durch den . verdient, so wertvoll auch Rordams fleißige Sammlungen
König. Nach Einführung des Absolutismus ernannte der *ur ihre Zeit waren und heute noch sind.
König die Professoren. Der Kanzler des Königs (später Rendsburg. Th. o. Achelis.

Präsident der dänischen Kanzlei) war zugleich Kanzler
(seit 1732 Patron) der Universität (Übersicht über die
Kanzler 1539—1730 S. 60 9). Größeren Einfluß hatte
der Bischof von Seeland als Mitglied der wichtigsten

Fakultät, der theologischen. Die Selbstverwaltung der Tflchle, Dr. Hermann: Die Kirchenpolilik des Her7otr« Karl

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1) Wohl nach dem Vorbild des „Collegium Augusti prineipis" in
Wittenberg, vgl. Zeitschrift für Schleswig-Holsteinische Geschichte Bd
54 (1924), S. 373.

inneren Angelegenheiten der Universität lag im wesent
liehen bei der theologischen Fakultät; der akademische
Senat (Consistorium) bestand ursprünglich aus dem Rektor
und den Dekanen, dann kamen alle Professoren der
theologischen, später auch einige der anderen Fakultäten
hinzu. Der Rektor wurde aus den Professoren nach
einem bestimmten Turnus bestimmt; er war ein halbes
Jahr in Funktion und wurde dann Prorektor. Die Pro

Alexander von Württemberg (1733-1737). Würzburg: Konrad
Tnltsch 1937. (VI, 208 S., 1 Abb.) 8°. RM 4—

Tüchle schreibt vom katholischen Standpunkt aus!
Den Wunsch der Kurie, das evangelische Württemberg
zu rekatholisieren, hebt er hervor. Den Herzo"
schildert er nicht als fanatischen Konvertiten, sondern
als Herrscher, der für sich freie Glaubensübung in
einem evangelischen Lande fordert und damit für To-

fessoren werden im allgemeinen zur Geistlichkeit gerech- leranz eintritt, und der gegenüber den widerstrebenden

net. Ihr Privileg der Steuerfreiheit wurde in den Kriegs- Landständen seine Fürstengewalt zur Anerkennung brin-

zeiten des 17. Jahrhunderts nicht beachtet und fiel durch gen will. So spielt die Kirchenpolitik nur beiläufi"-

den Absolutismus völlig weg. Die Freiheit von Zoll und eine Rolle für ihn. Anders ist es bei den um ihre Kirche

Accise für Bier und Wein zum eigenen Gebrauch wurde besorgten Landständen. Wohl geht der Vf. von dem

1645 aufgehoben. Auch die Privilegien gegenüber der | Landtagsabschied von 1565 aus, nach dem der evange-

städtischen Verwaltung kamen in Abgang. : lische Glaubensstand Württembergs für immer festge-

Die Ökonomie der Universität lag in den Händen des legt war. Daß dieses wichtige Gesetz Herzog Chri-

Konsistoriums und gab ihm, zusammen mit der Verwal- stophs vor allem gegen Österreich und die dem Land

tung der Legate und Stipendien, viel zu tun; die Ver- 1534 aufgezwungene Afterlehenschaft gerichtet war

walrung dieser bescheidenen Güter war vortrefflich und übergeht T. Das Gesetz behielt seine Geltung auch nach