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Ausgabe:

1938 Nr. 1

Spalte:

278-279

Autor/Hrsg.:

Erdmann, Carl

Titel/Untertitel:

Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens 1938

Rezensent:

Eger, Helmut

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277

Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 15/16.

278

Predigt des Petrus im Gedächtnis behalten und aufgeschrieben
.

Ein Anhang behandelt dann sehr ausführlich die
Frage nach der Echtheit des Markusschlusses (16,9—20),
besonders in Auseinandersetzung mit Th. Zahn. Der
Vf. glaubt nachweisen zu können, daß Markus garnicht
erzählen, sondern pragmatisch darstellen wolle, und daß
darum die Zusammenhangslosigkeit des Schlusses nicht
gegen die Echtheit spreche; außerdem entspreche der
Schluß genau der Einleitung. Mit einigem Recht wird
die Beweiskraft der Tatsache bestritten, daß Worte, die
im Evangelium nicht begegnen, im Schluß vorkommen,
und demgegenüber gar behauptet, daß auffällige Ausdrücke
wie 7iQiöxr oaßßdrov 16,9 bewußt gesetzt seien
und darum gerade die Echtheit bewiesen. Die Erörterung
des textkritischen Befundes ergibt sodann, daß
alle drei Rezensionen von Sodens den Schluß kannten,
daß der Schluß aber auch schon durch Origenes, Tertul-
lian, die Epistula Apostolorum, Hermas, Aristides, Barnabas
bis an den Anfang des 2. Jahrhunderts zurückverfolgt
werden könne. Das Fehlen des Schlusses im Va-
ticanus, Sinaiticus und Sinaisyrer soll puristischer Tendenz
entspringen. Freilich sei der Schluß von Markus
nicht sofort angefügt worden, sondern erst nach der
Rückkehr von einer Reise in den Orient, doch sei auch
die Fassung ohne Schluß verbreitet worden, und daher
erkläre sich das Vorhandensein von Handschriften ohne
den Schluß. Der sogenannte „kurze Schluß" sei eine
Notiz des Markus, die dieser dem Werk anfügte, als
er das Evangelium ohne den Schluß liegen lassen mußte.
Der Vf. weiß dann auch ganz genau, zu welcher Zeit der
Schluß von Markus nachträglich angefügt worden sei.

Die äußerst fleißige und mühevolle Arbeit erstaunt
durch ihre Kombinationsgabe und durch das Vertrauen
des Vf. zu den von ihm festgestellten Tatbeständen.
Leider scheint mir keine seiner Thesen irgendwie überzeugend
zu sein. Denn einmal ist der Zusammenhang
des Markusevangeliums mit Petrus, den die Papiasnotiz
behauptet, auch durch den Vf. nicht erwiesen, und dann
ist der lockere Aufbau des Markusevangeliums zu deutlich
, als daß der Vf. durch seine an den Text herangetragenen
Gedankenverbindungen diesen Tatbestand beseitigen
könnte (K. L. Schmidts „Rahmen der Geschichte
Jesu" ist vom Vf. überhaupt nicht benutzt). Die vorgetragene
Gliederung überzeugt nicht, weil sie Zusammengehöriges
auseinanderreißt (vgl. die Abschnitte vor
12,41 und besonders 14,53); und der angebliche Zusammenhang
des Aufbaus mit dem Inhalt der Petruspredigt
ist in Wirklichkeit der Zusammenhang des Markusevangeliums
mit dem gesamtapostolischen Kerygma.
Am gewalttätigsten aber sind die Versuche des Vf.,
statt Stichwortdispositionen gedankliche Zusammenhänge
zu rekonstruieren, und die Gliederung mit Hilfe der Verteilung
des Namens Jesus überzeugt erst recht nicht.
Ich glaube darum nicht, daß die angeblich objektiv erwiesene
Einteilung irgendwie der Absicht des Evangelisten
entspricht. Und was den Schluß anbetrifft, so ist
der Vf. zwar mit Recht mißtrauisch gegen die Wortstatistik
, wo es um den Nachweis der Unechtheit geht, er
selber braucht sie aber in höchst anfechtbarer Weise
zum Nachweis der Echtheit. Der textkritische Sachverhalt
wird so verschoben, daß die Tatsache verschwindet,
daß die ältesten Zeugen der ägyptischen Rezension
und der „westlichen" Textgruppe den Schluß nicht kennen
, und der Nachweis, daß der Schluß schon bei Aristides
, Barnabas, Hermas bekannt gewesen sei, wird
keinen unvoreingenommenen Leser überzeugen. Die Hypothese
von der nachträglichen Anfügung des Schlusses
durch Markus selbst und gar ihre chronologische
Unterbauung sind aber reine Phantasie. Auch hier scheint
mir der Scharfsinn des Verfassers die Einwände gegen
die Echtheit des Schlusses nicht wirklich entkräftet zu
haben, obwohl die Beweiskraft mancher geläufigen Einwände
mit Recht angezweifelt wird. Man scheidet von
<iem mühsamen Werk, ohne überzeugt worden zu sein,

und bedauert, daß soviel Arbeit an ein so aussichtsloses
Unternehmen verschwendet wurde.
Zürich. Werner Georg Kümmel.

| Erd mann, Carl. Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens.

Stuttgart: W. Kohlhammer 1935. (XII, 420 S.) gr. 8° = Forschungen
zur Kirchen- und Geistesgeschichte, Bd. 6. UM 24—.

E. will mit seiner Arbeit, mit der er frühere Untersuchungen
zusammenfaßt und weiterführt, der neben
j dem Wallfahrtsgedanken von der Forschung nicht beachteten
„zweiten Komponente des Kreuzfahrertums" nach-
i gehen, nämlich der Idee des christlichen Rittertums
und des heiligen Krieges.

In der Einleitung zeichnet E. das im Laufe der Zeiten
sich wandelnde Verhältnis des Christentums zum
| Waffenhandwerk und zum heiligen Kriege im Sinn der
j Kreuzzüge. Einen ersten großen Einschnitt sieht er mit
der durch Konstantin entstandenen Staatskirche gegeben.
Ihre Problematik hat Augustin behandelt und der Zu-
| kunft seinerseits mit seinem Begriff des bellum justum
I neue Probleme aufgegeben. Einen zweiten Einschnitt,
i zeitlich nicht so einfach und deutlich zu umgrenzen,
bedeutet die Einwirkung der germanischen Kriegs- und
Heldenethik auf das christliche Denken. Hier geht es
I nicht mehr um den Verteidigungskrieg als bellum justum,
wie Augustin ihn verstand, sondern um den Augriffskrieg
. Diese Regungen eines neuen Geistes auf dem
Gebiet des christlichen Denkens stießen auf erheblichen
I Widerstand bei der theologischen Tradition. So ist denn
die Stellungnahme der abendländischen Kirche zu jenen
Fragen um die J ahrtausendwende „außerordentlich spannungsreich
".

In den einzelnen, an eigenen Forschungsergebnissen
überaus reichen Kapiteln kreist E. das Problem der Ent-
1 stehung des Kreuzzugsgedankens ein und sucht von den
verschiedensten Seiten her seine These zu erhärten, daß
der spezifische Kreuzzugsgedaiike des 11. Jahrhunderts
ein Produkt der hierarchischen Ideologie und des Reformpapsttums
einerseits und des Stand werdenden germanisch
-christlichen Rittertums andrerseits sei.

E. zeigt, daß der allgemeine Gebrauch heiliger Fahnen
als christlicher Kriegsfahnen im Abendland in die
zweite Hälfte des 10. und in die erste Hälfte des 11.
Jahrhunderts fällt. Diese Tatsache ist ein Zeichen des
sich wandelnden Zeitgeistes. In der gleichen Zeitspanne
wurde die Idee des heiligen Krieges nicht mehr nur als
! Sache des Königtums angesehen, sondern als eine eigentliche
Angelegenheit des Rittertums. Die kirchliche Stellung
zum Krieg wurde im ganzen positiver. Gerade die
Reformvertreter waren Träger dieser Entwicklung. Allerdings
ist die Theorie des Kreuzzugsgedankens der tat-
; sächlichen Ausbildung erst nachgefolgt. Der Mann, der
j hier entscheidende Bedeutung erlangte, war Hildebrand-
Gregor VII. Er hat „die kriegerische Praxis mit dem
Ideal der Kirche in Einklang gebracht und seinen Krie-
! gen einen geistlichen Kreuzzugscharakter gegeben" (S.

164). Das vexilium S. Petri wurde der treffende Aus-
! druck des militia S. Petri, mit der Gregor VII. eine
[ Idee, wenngleich in papalistischer Verengung, verkündete
die die Zukunft für sich hatte. Seine Versuche die
; Ritterbewegung ganz für seine hierarchischen Ziele ein-
j zuspannen, schlugen freilich fehl. Diese sah vielmehr
l als das geeignete Feld ihres Betätigungsdranges und der
Bewahrung ihrer ritterlichen und kirchlichen Ehre- im
; Kreuzzug als Heidenkrieg. Nur sozusagen als ergänzende
; traditionelle Gegenidee gehört die Wallfahrtsidee zur
Laienfrömmigkeit des Rittertums. Urban II. hat, als
i die Zeit dafür reif war, klugerweise alle diese Tendenzen,
die der Wallfahrtsidee, der Idee des Kreuzzuges als
Heidenkrieges und der militia S. Petri vereinigt, als er
die Parole zum ersten sog. Kreuzzug ausgab.

Seine Hauptthese hat E. m. E. überzeugend durchgeführt
und damit der Forschung eine wichtige neue
Erkenntnis erarbeitet. Diese kann jetzt auf dem Boden,
den E. gewonnen hat, weiterarbeiten. Begrüßenswert