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Ausgabe:

1938 Nr. 1

Spalte:

275-278

Autor/Hrsg.:

Hartmann, Gerhard

Titel/Untertitel:

Der Aufbau des Markusevangeliums 1938

Rezensent:

Kümmel, Werner Georg

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275

Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 15/16.

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chischen Henoch wiedererhalten, die Kap. 97, 6—104.
106 f. Das hier angezeigte Heft macht es der gelehrten
Welt zugänglich.

Nachdem das Vorwort nach verschiedenen Seiten hin
Dankesschulden abgetragen hat, berichtet die Einleitung
zunächst von dem Papyruskodex, der den neuen
Fund birgt 1930 erwarb die Universität von Michigan
sechs Papyrusblätter, von denen zwei Wortlaut des griechischen
Henoch enthielten. Es stellte sich dann heraus
, da.ß sich andere Blätter desselben Manuskripts
unter den biblischen ehester Beatty-Papyri befanden.
Auch diese Blätter waren zum einen Teil dem griechischen
Henoch gewidmet und enthielten zum anderen
— ganz wie das auch in Michigan gewesen — Bruchstücke
aus einer Homilie über die Passion, die Bonner
auf Melito von Sardes zurückführt. Begrüßenswerter
Weise hat er diese Fragmente zunächst beiseite gelassen,
um mögliehst bald mit dem neuen Henoch-Stoff fertig
zu werden. Immerhin ergab die Prüfung des Gesamtmanuskriptes
die hohe Wahrscheinlichkeit, daß es niemals
das Buch Henoch, so wie wir es aus der äthiopischen
Übersetzung kennen, enthalten hat, sondern wohl
nur den Schlußabschnitt von Kap. 91 an. Daß dieser
griechische Henoch verglichen mit dem Äthiopen minderen
Umfangs war, deutet er selbst dadurch an, daß
in dem durch den Papyrus erhaltenen Schlußabschnitt
jedenfalls kein Platz ist für das kurze Kap. 105 sowie
für das Schlußkap. 108. Auf den Inhalt von Kap. 107
folgt unmittelbar die Unterschrift: tmaxoh- Ero)/.

Weitere Teile der Einleitung behandeln das Paläo-
graphische und das Sprachliche. Verf. gibt lerner Rechenschaft
über sein Verfahren als Herausgeber und legt
die Richtlinien dar, nach denen er gearbeitet hat. Auf
der jeweils linken Seite finden wir eine ganz getreue
Wiedergabe des in dem Papyrus vorliegenden Textes
mit all seinen Eigentümlichkeiten und Fehlern: die Wörter
sind nicht abgeteilt, die Abkürzungen nicht aufgelöst
usw. Auf der rechten Seite ist aus dieser Überlieferung
das Büd geworden, das uns aus modernen Ausgaben
griechischer Schriften geläufig ist. Soweit es für die
Verständlichkeit nötig war, ist dabei die Emendation
der Tradition zur Hilfe gekommen. Die Hälfte beider
Seiten im Durchschnitt wird von Noten eingenommen,
die besonders durch Heranziehung der äthiopischen Übersetzung
die Textherstellung fördern wollen.

Den Schluß bilden eine Übertragung des neuen griechischen
Stückes ins Englische, ein Index der griechischen
Wörter und auf zwei Tafeln die Wiedergabe je
einer Seite aus Michigan und aus der ehester Beatty-
Sammlung.

Die sorgfältige Arbeit Bonners schafft eine unentbehrliche
Grundlage für die weitere Forschung am Buche
Henoch. Zunächst wird nun wohl zu ermitteln sein,
wie sich der Grieche der Schlußkapitel zum Griechen der
Anfangskapitel verhält und wo, mit ihnen verglichen,
die griechischen Syncellus-Bruchstücke sowie die Vorlage
des Äthiopen textgeschichtlich ihren Stand haben.

Da im Index die Adverbia als solche aufgeführt zu werden pflegen,
hätte es sich vielleicht empfohlen, p. 104 a jrxn,aiov zu schreiben. Das
nXroio- könnte den und jenen Leser dazu verführen, den Nominativ
von tov ^?.r|Oiov 99,15 als 6 3thraio<; (statt 6 nfo-aioy) zu bilden.
Göttinnen. W. Bauer.

Hartmann, Dr. theol. Gerhard, S. J.: Der Aufbau des Markus

evangeliums mit einem Anhang-""Untersuchungen zur Echtheit de-
Markusschlusses. Münster i. W.: Aschendorff 1936. (XV, 275 S.) gr. 8s
= Neutestamentl. Abhandl., hrsg. v. M. Meinertz, XVII. Bd., 2.-3. H"

RM 13.75.

„Es scheint eine allgemeine Übereinstimmung der
Exegeten darüber zu geben, daß sich in Mk. eine, klar
nach sachlichen Gesichtspunkten durchgeführte, Einteilung
und Untereinteüung nicht finden lasse". So beginnt
das vorliegende Werk, das es sich zur Aufgabe
gestellt hat, nachzuweisen, daß dem Markusevangeiium
ein sorgfältiger, bis in die Wortwahl genau überlegter
Plan zugrunde liege. Der Vf. geht zu diesem Zwecke

aus von der „überlieferten Lehrverkündigung des Pe-
trus". Nach der bekannten Notiz des Papias hat Markus
sein Evangelium nach den Lehrvorträgen des Petras
gestaltet; der Vf. fragt darum, was wir aus den
Petrusreden der Apostelgeschichte und den beiden Petrusbriefen
über die Art der Petruslehre erkennen können
. Die Reden der Apg. zeigen nach dem Verf. das
stilistische Merkmal der Rückkehr des Endes zum Anfang
und die inhaltlichen Merkmale, daß immer ein
i Name Jesu wesentlich im Mittelpunkt steht, und daß
i immer an das A. T. angeknüpft wird; die gleichen Merkmale
sollen die beiden Petrusbriefe zeigen. Es wird dann
noch besonders hervorgehoben, daß mit dem Namen
„Jesus" immer ein ganz bestimmter theologischer Inhalt
gegeben sei, der freilich der gesamten urchristlichen
Vorstellungswelt zum Verwechseln ähnlich sieht. („Mit
: diesem Befund aus den Petrusworten der Apostelge-
| schichte deckt sich fast vollständig ... die inhaltliche
Kennzeichnung des Namens Jesu im 1. und 2. Petrusbrief
: vor aliem ist Jesus der „Kyrios" und der „Chri-
• stos" S. 35!!).

Weil der Name Jesus eine so große Bedeutung in
I der Petruspredigt hat, geht der Vf. zur Untersuchung des
Vorkommens dieses Namens im Mk. über. Er stellt fest,
daß der Name Jesus in großen Teilen des Mk. überhaupt
nicht vorkommt, wo aber der Name gehäuft be-
j gegnet, sei die Absicht ausdrücklicher Bezugnahme auf
; eine der Lehrverkündigung des Petrus eigentümliche
Sinndeutung des Namens sehr wahrscheinlich. Ganz be-
; sonders ist der Name Jesus zu Beginn einer Perikope
i selten, und es sei darum zu fragen, ob das jeweilige Vor- .

kommen des Namens zu Beginn von Perikopen etwa die
[ Hauptteile des Evangeliums abtrennen solle; es würden
! sich dann 7 Hauptteiie ergeben, von denen der 1., 4.
i und 7. noch eine besondere Einleitung hätten. Der Vf.
! wendet sich nun dem Text des Evangeliums selber
, zu und sucht nachzuweisen, daß sich in der Tat deutlich
; 7 Hauptteile ergeben, die inhaltlich und durch die Häu-
; fung bestimmter Begriffe charakterisiert sind (so soll
j z. B. der 3. Hauptteil, 6, 30—8, 26, zeigen, wie sich ein
! Riß auftut zwischen Jesus und seinem Volk, und darum
1 begegnen besonders häufig die Begriffe des Verste-
hens, des Herzens usw.). Ebenso soll sich nachwei-
; sen lassen, daß sich alle Hauptteile in zwei inhaltlich
i gekennzeichnete Unterteile gliedern lassen. Aus all dem
j ergibt sich „aufgrund objektiver Merkmale", daß Mk.

einen Kunstbau darstelle (1,1—8 Einleitung; 1,9—3,6
j Das Auftreten Jesu; 3,7—6,29 Jesus und seine Jün-
i ger; 6,30—8,26 Unzulänglicher Erfolg; 8,27—10,32
; Das Hervortreten des Christos mit der Lehre vom Leiden .
und Dienen; 10,32—12,40 Erfolge des „dienenden"
Christos; 12,41—14,52 Jesus, Lehrer der notwendigen
Hingabe des Allerletzten um den Menschen; 14,53—16,8
Die Vernichtung des Persönlichsten an Jesus und der
! Anfang des Triumphes). Die Teile seien nach Anlage
: und Länge symmetrisch gestaltet, und die Anfänge der
Teile werden nicht nur durch das Vorkommen des Na-
: mens Jesus, sondern auch durch Überschriften gekennzeichnet
. Aus diesem Aufbau will der Vf. dann eine
i Reihe von rätselhaften Stellen des Mk. erklären (so ist
i Mk. 9, 33 ff. nach ihm keine Stichwortfolge, sondern der
j Gedanke vom Leiden und Dienen der Führer im Got-
| tesreich beherrscht die Gedankenfolge, wobei freilich
i diese Gedankenfolge nur höchst gewaltsam aus den
Worten herausgelesen werden kann).

An diese These schließt der Vf. eine Reihe von
Folgerungen und Vermutungen an. Der planmäßige Auf«
: bau entspricht der Lehrverkündigung des Petrus (die
freilich wieder mit dem allgemein apostolischen Kerygma
| identisch zu sein scheint!). Dabei erweist sich nicht
; nur der 2. Petrusbrief als echt, sondern es ergibt sich,
' daß Markus tatsächlich einfach die Predigt des Petrus
aufzeichnet. Markus selber hat zu dieser von Petrus
geschaffenen Darstellung mit ihrem sorgfältigen Auf-
! bau nichts Wesentliches beigetragen, er hat nur die