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Ausgabe:

1938 Nr. 1

Spalte:

267-268

Autor/Hrsg.:

Glasenapp, Helmuth von

Titel/Untertitel:

Unsterblichkeit und Erlösung in den indischen Religionen 1938

Rezensent:

Mensching, Gustav

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Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 15/16.

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die letzteren auf den Gesellschaftsinseln wörtlich wiederholt werden
müssen, während sie auf den Marquesas-Inseln vielmehr improvisiert
werden. Außerdem ist hier von den Orakeln die Rede, die als von
einer Gottheit eingegeben und manchmal in einer besondern Sprache
nicht nur Priester, sondern auch andere Personen erteilen, sowie von
den Vorzeichen, die man zu empfangen glaubt, und endlich den Opfern,
die man darbringt. Die nächsten Kapitel betreffen die verschiedenen
Formen des Tabu, die Tempel und die manchmal mit ihnen verbundenen
Begräbnisplätze, sowie die Götterbilder, Altäre und sonstigen gottesdienstlichen
Geräte, endlich die Abzeichen von Häuptlingen und andern
höherstehenden Personen.

Der zweite, The place of religion in thc cttltures of Central Poly-
nesia überschriebene Teil beginnt mit einer Darlegung der verschiedenen
Theorien über den Ursprung der Religion und über ihr Verhältnis zur
Magie, das W. oder der Herausgeber des vorliegenden Buches selbst
(S. 209 f., vergl. auch XIII und 288) — nicht sehr glücklich — so
denkt, daß es Religion mit der Bekräftigung des Übernatürlichen, Magie
mit seiner Anwendung für individuelle und soziale Zwecke zu tun habe.
Dann werden sehr ausführlich Religion und Magie auf den Gesellschafts-
inseln geschildert, das Häuptlingswesen auch auf Tonga und die Bedeutung
der Religion für die Wirtschaft auch im übrigen Zentral-Poly-
nesien. Den Schluß bilden Ausführungen über das Verhältnis der Religion
zum Recht und ihre Stellung in der Kultur, wobei hervorgehoben
wird, daß manche Seiten derselben, wie die Erziehung, noch nicht genügend
untersucht worden seien.

Das unter W.s Namen gehende Buch selbst, von dem
hier natürlich nur die religionsgeschichtiich wichtigen
Partieen berücksichtigt werden konnten, ist besonders
als Zusammenfassung, wenn auch nicht der neuesten,
so doch der neueren Forschungen über Zentral-Polyne-
sien wichtig. Ein weiterer Band aus seinem Nachlaß soll
demnächst noch erscheinen und wird dann seine Verdienste
um dieses Gebiet ganz deutlich erkennen lassen.

Bonn. Carl C1 e m e n.

Glasenapp, Helmuth von: Unsterblichkeit und Erlösung in
den indischen Religionen. Halle: Niemeyer 1038. (X, 72 S.)
gr. 8° = Schriften d. Königsberger Gelehrten Gesellschaft, 14. Jahr,
Geisteswiss. Kl., H. 1. RM 5.40.

H. v. Glasenapp unternimmt in der vorliegenden
Schrift den sehr dankenswerten Versuch, eine systematische
Darstellung der Vielfältigkeit der auf indischem
Boden vertretenen Heilslehren zu bieten. Die vier großen
Abschnitte, in die das reichhaltige Material gegliedert
ist, behandeln folgende Themen: 1. Unsterblichkeit.
Hier wird zunächst unter Absehen von der Heilsproblematik
die Unsterblichkeitsfrage im Sinne der Verlängerung
des Erdenlebens und als Fortleben nach dem
Tode erörtert- Die Grundlage dafür bilden die verschiedenen
Seelentheorien, die am Ende des ersten Abschnittes
ebenfalls dargestellt werden. Der 2. Abschnitt handelt
von der „Vergeltung", also im wesentlichen von den
verschiedenen Ansichten über die Kausalität des Karina,
sowie von dem Übergang zu neuen Existenzformen und
den Punkten, an denen eine Durchbrechung des Zwanges
des Karmagesetzes dennoch möglich ist. Abschnitt 3
zeichnet die „Heilswege", die bei aller Verschiedenheit
im einzelnen auf zwei große Grundformen reduzierbar
sind: Erlösung aus eigener Kraft und Erlösung durch
Gnade. Der 4. Abschnitt endlich zeigt die Mannigfaltigkeit
der Vorstellungen vom Erlösungszustand in den
von Gl. unterschiedenen drei Kategorien indischer Heilslehren
: in den „atheistischen Systemen", in den „theisti-
schen Gnadenreligionen" und in den „All-Einheits-Lehren
".

Der Verfasser bietet eine umfassende und erschöpfende
Darstellung der Anschauungen der verschiedenen
großen indischen Religionen nicht nur, sondern er verfolgt
darüber hinaus auch die Ansichten der mancherlei
Sekten und Schulen soweit sie sich auf die Erlösung
beziehen. Die große Quellenkenntnis des Fachmannes
erschließt dem Nichtindologen zugleich durch zahlreiche
Texthinweise entlegenere und schwer zugängliche Quellen
. In dieser Vollständigkeit ist m. W. noch nie von
indischen Heilsanschauungen gehandelt worden. Dafür
wird besonders der Religionshistoriker dem Verf. dankbar
sein.

Im einzelnen hat der Referent eine Reihe von Fragen auf dem
Herzen, die vielleicht kurz erörtert werden dürfen. S. 37 wird die Unheilssituation
in indischer Anschauuug mit dem Terminus „Nichtwissen"
(avidyä) gekennzeichnet, dessen Sinn aber vom Verfasser in „angeborener
Unkenntnis über die Heilswahrheiten" oder an anderer Stelle (S. 41) in
„angeborenem Irrtum" gesehen wird. Ich glaube, daß man mit dieser
stark rationalistischen Interpretation dem religiösen Sinn der Sache nicht
gerecht wird. Es muß sich im „Nichtwissen" um eine durchaus reale
Wirklichkeit negativer Art handeln analog der christlichen Idee der
generellen und existenziellen Sünde. Und es muß daher andererseits
und im Unterschiede von der Auffassung des Verf. in der Erlösung
durch „Einsicht in das Wesen der Welt" (S. 41) mehr gemeint sein als,
wie der Verf. an anderer Stelle S. (56) sagt, „eine Vorstellung, die für
eine bestimmte Lehre das Wesen der Erlösung in sich schließt". Wissen
und Erkenntnis im Sinne indischer Heilslehren müssen m. E. als eine
Art erlebnishafter Aneignung numinoser Wirklichkeit selbst zur Aurhebung
des primären Unheilsstadiums verstanden werden. Aus diesem Grunde
würde ich auch bestreiten, daß „Wissen" zu Recht vom Verf. in dem
Abschnitt „Erlösung aus eigener Kraft" (S. 41) behandelt wird. Söder-
blom hat mit vollem Recht in Bezug auf das Heilsereignis im Buddhismus
von einem „Gnadengeschenk ohne Schenker" gesprochen. Endlich finde
ich die Bezeichnung „atheistische Systeme", zu denen auch der Buddhismus
gerechnet wird (S. 61), zwar hinsichtlich der darin enthaltenen
Negation des persönlichen Theos berechtigt, meine aber, daß das Positive,
nämlich daß auch hier durchaus ein Theion vorhanden ist, wichtiger ist
und dennoch unausgedrückt bleibt. Ja, der Ausdruck „atheistische"

j Systeme legt sogar den Verdacht nahe, der ja auch in Bezug auf den
Buddhismus vielfach geäußert wurde, vom Verf. aber nicht geteilt wird,

| daß tatsächlich jegliche Art göttlicher Wirklichkeit negiert wird. Ob
man überhaupt zwischen den von Gl. so genannten „atheistischen" und

I den „All-Einheits-Lehren" eine so grundsätzliche Trennung machen soll,
wie es hier geschieht, ist eine weitere Frage, die einem besonders dann
kommt, wenn S. 68 für das „Eingehen des Erlösten in Brahmau" das
Bild vom Einmünden des Flußes in das Weltmeer aus der Mundaka-
Upanishad gebraucht wird, ein Bild mithin, das seine genaue Entsprechung
in dem buddhistischen Text Udäna VIII hat: „Gleichwie das Licht, vom
Windeswehn getroffen, zur Ruhe eingeht und dem Blick entschwindet,
so geht der Weise, Nam' und Leib ablegend, zur Ruhe ein, entschwindend
jedem Blicke".

Bonn. Gustav Mensching.

Köhler, Manfred: Melanchthon und der Islam. Ein Beitrag
zur Klärung des Verhältnisses zwischen Christentum und Fremdreligionen
in der Reformationszeit. Leipzig: L. Klotz 1938. (164 S.) 8°. RM 3.50.

Vor Jahresfrist veröffentlichte der Referent in Erwei-
j terung der Ausführungen des Leipziger Religionshisto-
j rikers H. Haas über ,das Bild Muhammeds im Wandel
der Zeiten' (1916) in der leider zu wenig bekannten,
| vorzüglich geleiteten italienischen religionswissenschaftlichen
Zeitschrift ,Studi e Materiali di Storia delle Re-
ligionr (Vol. XIII, S. 68ff.), herausgegeben von dem
| Religionshistoriker Raffaele Pettazzoni in Rom, eine Ab-
I handlung über: ,Der Islam im Wandel abendländischen
Verstehens'. Darin wollte ich in kurzen Zügen der sich
wandelnden Auffassung des Islam und seines Stifters
im abendländischen Kulturkreis nachgehen, die mit der
| Aufklärung immer gerechter wird, bis endlich im 19.
! Jahrhundert vor allern durch Gustav Weil die kritische
! Forschung einsetzte. Habe ich in meiner Arbeit lediglich
auf Luther Bezug genommen, so hat nunmehr Manfred
j Köhler in seiner religionshistorisch bemerkenswerten Ar-
j beit die Stellung Melanchthons zum Islam näher unter -
J sucht und damit .einen Beitrag zur Klärung des Verhält-
I nisses zwischen Christentum und Fremdreligionen in der
J Reformationszeit' gegeben. Einleitend skizziert der Ver-
j fasser die Stellung der vorreformatorischen Zeit zu Mu-
: hammed und dem Islam, wobei ihm leider einige wich-
[ tige Schriften, auf die ich in meiner Abhandlung teilweise
erstmals hinwies (z. B. auf Joh. Stander, 1308), entgangen
sind. Eingehend befaßt er sich dann mit Melanchthons
Darstellung des Islam' und mit ,Melarichth>ons
| Kritik des Islam'. Wie Luther hat auch Melanchthon bis
in seine letzten Lebensjahre sich mit der Religion Muhammeds
und ihren Gläubigen beschäftigt, blieb aber in
| Darstellung und Kritik auts Stärkste abhängig von den
verabsolutierenden - biblizistischen Anschauungen seiner
[ Zeit. Da Melanchthon im Gegensatz zu verschiedenen
seiner Zeitgenossen (Th. Bibliander, Jean Bodin, Guil-
laume Postel) auf starr lutherischem Standpunkt ver-
! harrte, so fehlte ihm jedes Verständnis für eine religionsvergleichende
Betrachtung. „Durch einen Abgrund
getrennt, über den keine Brücke führt, steht au? der