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Ausgabe:

1938 Nr. 14

Spalte:

260-262

Autor/Hrsg.:

Rittelmeyer, Friedrich

Titel/Untertitel:

Aus meinem Leben 1938

Rezensent:

Knevels, Wilhelm

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259 Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 14. 260

sunden lassen sollen" (S. 89, 18); symbolische Abend- ca. 40 000 1. Wein gehörten. Die Hülle hielt, bis sie

mahlslehre; das Reich Christi, mit Abgrenzung gegen nach seinem Tode und der feierlichen Beisetzung in der

Münzer, nur geistlicher Art; in der Gemeinde Pflicht der ' St Leonhartkirche durch Zerwürfnisse in seiner nächsten

Bannübung; das Fehlen strenger Ordnung z. B. auch der ! Umgebung zerrissen wurde. In dem nun eingeleiteten

Hauptanstoß an den mährischen Täufern; mindestens Verfahren hat keines seiner Familienmitglieder zu sei-

bei den Schülern dazu die Lehre von der Apokatastasis; j ner Sache gestanden; während einst seine Mutter und

die große Gleichförmigkeit unter den fränkischen Tau- zahlreiche Schüler für seine Lehre den Tod erlitten hat-

fern erklärt sich eben aus seinem Einfluß. Die Kritik ; ten, hat nach seinem Beispiel seine ihn überlebende

an den Reformatoren ist gleichfalls einheitlich: sie gehen i Familie sich Freiheit und bürgerliche Existenz durch

nicht unter das Kreuz, sie gehen nicht in die Welt, j Preisgabe seiner Lehre erkauft.

aller Kreatur das Evangelium zu predigen, sie bringen j Diese Lehre selbst wird vom Vrf. als Spiritunlisienuig
keine Frucht). Meist sind es nicht unmittelbare Wrtr- melchioritisch-apokalyptischer Ideen beschrieben. Tragen
kungen, die Hut übt, sondern durch Schüler und Send" i die Beobachtungen des Buches im Einzelnen zu deutli-
boten vermittelte. Da es sieh gewöhnlich um unliterari- j cherer Erkenntnis der Joris'schen Sekte bei und stellen
sehe Kreise handelt, so spielen Schriften eine geringere j sie manche Irrtümer und Übertreibungen ihrer Gegner
Rolle, so wenig sie ganz fehlen. Unter den Gegenmaß- j zurecht, so erscheint, wo es Verständnis und Würdi-
nahmen sei die Einführung von pfarramtlichen Tauf- ! gung des Ganzen gilt, das Urteil als vom eignen Standregistern
erwähnt, — Kirchen Ordnung als antihäretisches j ort des Buches abhängig. Dieser wird nicht so sehr
Kampfmittel! I bestimmt wie beschrieben als „rückhaltlose Nutzung aller
Die Ausgabe verdient hohes Lob. Da es aber (außer J uns zu Gebote stehenden Mittel", „Vergangenheit und
einem Personen- und Ortsnamenverzeichnis und Jahres- Gegenwart, Geschichte, Gebet, Prophezeiung, Vernunft,

zahlen über den Seiten) an Hilfen fehlt, den reichen In
halt zu erschließen, so sei es in Hinblick auf die zahlreichen
noch zu erhoffenden weiteren Bände der Sammlung
erlaubt, die in der Besprechung des 1- Bandes
geäußerten Wünsche zu wiederholen, zumal leider das
Sachverzeichnis, das vielmehr noch ausgebaut werden
sollte, im 2. Bande ganz gestrichen ist. Ein Inhaltsverzeichnis
wäre gleichfalls umso nötiger, als selbst da,
wo die Chronologie es erlaubte, darauf verzichtet ist,
das sachlich Zusammen gehör ige zu vereinigen (so un-

Kritik und Logik der Ereignisse, Offenbarung und
ülaube". (S. 46) Danach ist es nicht auffallend, wenn
— nach anderem Maßstab geurteilt — nun Verwandtes,
wie die verschiedenen Spielarten des Spiritualismus, allzu
genau unterschieden, Entgegengesetztes aber, nur
der äußeren Form nach Ähnliches, (wie etwa der Amtsanspruch
Luthers und dem Vorrechtsanspruch der Geistpropheten
) (S. 33/34 unter dem gleichen Oberbegriff
(„überschwängliche Sprache jenes Zeitalters") zusammengenommen
werden.

terbreeben Nr. 228—32 den Zusammenhang von 227 Die Dokumente sind in drei Gruppen vorgelegt: 1.

und 233; die 7 Urteile Nr. 234 ständen passend neben I chronologisch geordneten Züricher Archivalien, 2. dem

219, das sich auf sie bezieht, usw.). Einführung der ge
rade auch bei älteren deutschen Texten besser lesbaren
Fraktur würde die Möglichkeit geben, Zitate durch den
Druck kenntlich zu machen. Nötigt der Geldmangel dazu
, weithin statt Schriftstücke wörtlich abzudrucken, nur
ihren Inhalt wiederzugeben (bzw. auf die — oft entlegenen
— Stellen hinzuweisen, wo sie schon gedruckt
sind), so sollten doch künftige Bände darin keinesfalls
noch weiter gehen. Denn wo es, wie oft in der Papstoder
Kaisergeschi'chte, voir allem darauf ankommt, die
Abfolge der Handlungen und Ereignisse festzustelkn,
genügt ein sorgfältiges Referat; bei geistigen Bewegungen
aber, wo es sich um Wort und Lebte handelt
und wo auch der umsichtigste Berichterstatter außerstande
ist, allen möglichen Fragestellungen gerecht zu
werden, hat ein Regest nur den Wert eines Registers!
Bei der geschichtliehen Bedeutung der Bewegung, deren
Urkunden in dieser Sammlung zugänglich gemacht werden
sollen, ist dringend zu hoffen, daß es gelingen
wird, den ungestörten Fortgang des so schön angefangenen
großen Werks weiter zu sichern.

2. Auch das im Archiv für Reformatiousgeschichte
veröffentlichte Buch des amerikanischen Gelehrten Roland
H. Bainton enthält interessante Dokumente aus der
Geschichte der Täuferbewegung

Inhalt der Baseler Jorislade in der gegenwärtigen Reihenfolge
(die doch nur numeriert, nicht ordnet), 3.
Schriftstücken aus dem Baseler Staatsarchiv. Vielleicht
hätte doch wenigstens mit einer Tabelle der Versuch einer
chronologischen Ordnung all dieser Dokumente gemacht
und durch ein Verzeichnis die Übersicht über sie erleichtert
werden können?

Diese Bemerkungen sollen doch den Wert der Veröffentlichung
nicht herabsetzen; auch diese Studie, die
sich liebevoll und kenntnisreich in ein vielfach noch unbekanntes
großes Gebiet hineinbegibt, vermag einen Eindruck
zu vermitteln, wieviel es hier zu finden gibt,
und sie hat selbst ein gutes Stück der erforderlichen großen
Arbeit geleistet.

Göttingen. H. Dörries.

Rittelmeyer, Friedrich: Aus meinem Leben. Stuttgart: Verlag
Urachhaus 1937. (435 S.) 8°. RM 5.80.
Besser als jeder Nachruf auf den unlängst verschiedenen
Leiter der „Christengerneinschaft" zeigt dieses
Buch den Sinn und die Linie des Lebens und Wirkens
dieser bedeutenden Persönlichkeit. Auch wenn wir von
den sonderbaren anthroposophischen Theorien absehen
(z. B. von den Siebenjahrrhythmen des Qeistesweges
durch die Planetenwelt, nach denen er sein Leben deutet
), finden wir eine überaus einleuchtende Darstel-
Der Titel der Studie, die den Lebensgang und den j lung dessen, was Rittelmeyers Leben war, sein wollte
posthumen Baseler Prozeß des niederländischen Sekten- I und sein sollte. Daß er fesselnd erzählt und durch viele
Stifters David Joris schildert und aus mancher neu- ; eingestreute Beispiele, Anekdoten und Bilder die Lek-
gefundenen Urkunde Licht auf seine Lehre fallen läßt, ■ türe anschaulich und angenehm macht, versteht sich bei
versteht sich von dem vom Vrf. vorbereiteten größeren | Rittelmeyer von selbst. Die Darstellung geht bis zur
englischen Werk über „religiöse Freiheit im Zeitalter i „Höhe", d. h. der Gründung der „Christengerneinschaft"
Calvins" her, das außer Joris noch Servet, Castellio j (1922). „Was weiter geschieht, gehört auf ein an-
und Ochino gewidmet sein soll. Denn ein „Kämpfer i deres Blatt". Rittelmeyer kann es nun selbst nicht
für Toleranz" ist er gewiß nicht gewesen. Wie er nach ! mehr beschreiben.

außen die Pflicht öffentlichen Bekenntnisses verleugnete, j Was Rittelmeyer aus seiner Kindheit und Jugendzeit
so verfuhr er auch gegenüber dem weiten Kreis seiner i erzählt, ist eine Fundgrube für psychologische und päda-
Anhänger; hier hielt er auch den Prophetenanspruch auf- gogische Erkenntnisse. Obwohl sein religiöser Lebensrecht
, den er im engsten Kreis schon herabminderte. ! auftrag in ihm schon früh sich regte, fand er zu der
Die reichen Spenden seiner Verehrer ermöglichten es J religiösen Welt der Eltern keine Verwandtschaft. Ledig-
ihm, in seinem Baseler Stadthaus und auf seinem Land- j lieh einige Ansätze waren beim Vater (Pfarrer inSchwein-
schloß Binningen das breite Leben eines vornehmen furt) vorhanden, die in die Richtung wiesen, die Rittel-
Glaubenflüchtlings zu führen, zu dessen Reliquien außer | meyer später ging: ein gewisser Sinn für die Spuren
zahlreichen Pelzrücken, Federhüten und Himmelbetten | Gottes in der Natur und die Zeugnisse des Christen-