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Ausgabe:

1938 Nr. 1

Spalte:

7

Autor/Hrsg.:

Papesso, Valentino

Titel/Untertitel:

Chāndogya-Upanisad 1938

Rezensent:

Glasenapp, Helmuth

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Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 1.

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men werden, sondern auf der Zerstörung alles Eigenwillens
und alles Wahnes der Selbstgerechtigkeit. Unverständlich
ist mir der Satz: „Die Haltung des Gebets ist
das Gegenteil des Willens zum Besonderen."

Dasselbe Bedenken habe ich auch bei dem so gediegenen
Aufsatz von Thurneysen. Mit großer Eindringlichkeit
wird hier als einziges Ziel der Predigt „das
Lautwerden der redenden Stimme Gottes selbst" genannt
. Aber wenn man von Thurneysen aufs Tiefste
ergriffen ist, bekommt man sofort einen kalten Wasserstrahl
durch die schneidende Polemik: „Nicht was dadurch
auf seiten des Menschen erreicht oder verändert
wird." „Nicht damit dies und jenes als ein zweites neben
und außer der Predigt selbst geschehe, sondern es muß
gepredigt werden, damit gepredigt wird!" Ist das biblisch
? Haben die Profeten, hat Paulus nicht im 1. Co-
rintherbrief ganz bestimmte außerhalb der Predigt liegende
Entschlüsse erreichen wollen? Ist dies reformatorisch
? Hat Luther nicht, als er 1522 von der Wartburg
heimkehrend 8 Tage in Wittenberg täglich predigte,
bestimmte Ziele durchsetzen wollen?

Nicht alle Aufsätze haben hier besprochen werden
können. Es schien mir fruchtbarer, wenn ich meinen
Dissensus an vielen Punkten hervorhob. Ich möchte aber
nicht unterlassen zu betonen, daß jeder Leser des Buches
, auch wenn er wie ich manche Vorbehalte der in
ihm vertretenen Theologie gegenüber hat, reichen Gewinn
von der Lektüre haben wird. Ich selbst bin besonders
dankbar für die Aufsätze von Miskotte, Thurneysen,
Eichholz, Gollwitzer.

Bemerkt sei noch, daß die Übersetzung von Miskotte's Aufsatz aus
dem Holländischen das unmögliche Wort „prophetieren" bringt. Wenn
„prophezeien" als mißverständlich nicht gebraucht werden sollte, bliebe
doch „als Prophet auftreten" oder „reden" die richtige Übersetzung. —
Auch „Praktologe" statt praktischer Theologe in Harald Diem's Beitrag
scheint mir undeutsch.

Basel. Johannes Wendland.

Papesso, Valentino: Chändogya-Upanisad. Traduzione, introdu-
zione e note. Bologna: Nicola Zanichelli 1937. (X, 235 S.) kl. 8°. =
Testi e documenti per la Storia delle Religioni div. a cura di R. Pettaz-
zoni. H. 7. L 15 — .

Die Chändogya-Upanisad gehört zu der ältesten
Gruppe der philosophischen Traktate Altindiens, welche
die für die ganze spätere Geistesgeschichte grundlegenden
Lehren von der Wesenseinheit von Einzelseele und Allseele
noch gleichsam im Stadium des Hervorwachsens
aus der Opfermystik der Brähmana-Texte zeigen. Wir
treffen dabei in dieser großen aus vielfach nicht zusammenhängenden
Einzeltexten zusammengesetzten Sammlung
von Überlieferungen Stücke von sehr verschiedener
Art: neben Betrachtungen über den Sinn des Opferwesens
und rituellen Vorschriften stehen tiefsinnige Spekulationen
über das Wesen von Welt und Mensch, neben, allegorischen
Deuteleien, denen wir heute nur noch ein historisches
Interesse entgegenbringen können, stehen Aussprüche
von Ewigkeitswert, die uns auch heute noch im
Innersten zu ergreifen vermögen. Es war daher ein guter
Gedanke Pettazzonis eine Übersetzung dieses vielseitigen,
geschichtlich wie menschlich gleicherweise bemerkenswerten
Werkes in seine rühmlichst bekannte Sammlung von
Übersetzungen religiöser Texte aufzunehmen. Papesso hat
sich seiner Aufgabe mit Umsicht und Verständnis unterzogen
. In der umfangreichen „Introduzione" (S. 1—86)
werden die literaturgeschichtliche Stellung und die Lehren
der Upanisad unter Berücksichtigung der Ergebnisse der
letzten Forschungen eingehend erörtert; die von feinem
Sprachempfinden zeugende Übersetzung (S. 87—235) wird
durch zahlreiche Anmerkungen erläutert, die auch dem
Fernerstehenden das Eindringen in de u nicht immer
leichten Text ermöglichen. Zu rühmen sind die vorzügliche
Ausstattung und der billige Preis (2 Mk.) des Buches
; es wäre zu hoffen, daß auch bei uns eine Sammlung
ähnlicher Art herauskommen könnte, nachdem die
„Religiösen Stimmen der Völker", die Walter Otto bei
Diederichs herausgab, keine Fortsetzung gefunden haben.
Königsberg (Pr.). Helmuth von Qlasenapp.

The Cultural Heritage of India. Sri Ramakrishna Centenary Memorial
. 3 vols. Calcutta, Belur Math 1937. (L, 1917 S.) 8°. = Sri
Ramakrishna Centenary Committee.
Das vorliegende Sammelwerk ist für den Religions-
wissenschaftler aus zwei Gründen von besonderem Interesse
. Erstens wegen seines Ursprungs: es ist nämlich
die große Festschrift, welche von der Buch-Abteilung
der Ramakrishna Mission anläßlich des hundertsten Geburtstages
des 1886 verstorbenen großen bengalischen
Heiligen Ramakrishna herausgegeben wurde; sodann
aber und vor allem wegen seines Inhalts: das Buch ist
eine Encyklopädie der indischen Religionsgeschichte, wie
j sie in dieser Vollständigkeit und Mannigfaltigkeit bisher
noch nicht geschaffen wurde. Strenggenommen sind zwar
nur die ersten beiden Bände einer Darstellung der großen
religiösen Epochen, Männer und Systeme gewidmet,
welche Indien von der ältesten Zeit bis zur Gegenwart
in so reichem Maße hervorgebracht hat; aber auch im
dritten Band, der die verschiedensten Aspekte des geistigen
Lebens der Inder behandelt, stehen die meisten
Abschnitte in so enger Beziehung zu religiösen Erscheinungen
und Problemen, daß auch ein Werk, das den Titel
„Die religiöse Erbschaft Indiens" trüge, kaum auf sie verzichten
könnte.

Einhundert Aufsätze indischer Gelehrter machen den
Inhalt das Buches aus. Ein kurzes Geleitwort von Rabin-
dranath Tagore und eine Einleitung von Sir S. Radha-
krishnan, dem Spalding Professor of Eastern Religions
and Ethics an der Universität Oxford eröffnen den Reigen
, dann folgen Abhandlungen über die Veden und Upa-
nishaden, die Epen und Puränas, Jainismus und Buddhismus
sowie die verschiedenen Systeme der indischen Philosophie
. Der zweite Band ist den Sekten und Heiligen
des Visbnuismus. Shivaismus und Shaktismus gewidmet,
bringt dann Kapitel über Parsismus, Christentum und Islam
auf indischem Boden und beschäftigt sich mit den
modernen Reformbewegungen (Brahma-, und Arya Samäj
sowie Theosophie). Den Abschluß bildet dann ein an
170 Seiten starker Aufsatz „Sri Ramakrishna and Spiritual
Renaissance". Der dritte Band beginnt mit Abhand-
j lunigen über die vorarische Indus-Kultur, die Zivilisation
der Draviden und die Ausbreitung der indischen Kultur
nach Indochina, Indonesien und dem Fernen Osten, dann
folgen Kapitel über die „Regional and Linguistic Structure
of India" und die Bedeutung der Pilgerfahrten im in-
i dischen Leben. Unter dem Titel „Institutions" werden
sechs Aufsätze über das soziale Leben und die Stellung
i der Frau in Altindien, über die indischen Erziehungssy-
I steme und die Staatslehre der Hindus zusammengefaßt.
Der Abschnitt „The Pursuit of Science" behandelt Astronomie
. Mathematik, Medizin, Botanik, Chemie, Physik
und Astrologie in alter und neuer Zeit. Zwölf Arbeiten
j über Baukunst, Skulptur, Malerei, Musik und Dichtung
geben dann dem Ganzen den erwünschten Abschluß.

Wie man sieht, ist das Werk ein ebenso großangelegter
wie großausgeführter Überblick über alles, was Indien
an Großem geleistet hat. Die einzelnen Autoren haben
die ihnen gestellten Aufgaben in sehr verschiedener
j Werse gelöst, die einen haben sich damit begnügt den
| heutigen Stand der Forschung kurz zusammenfassend
| darzustellen, andere haben sich bemüht, die Wissenschaft
durch neue Erkenntnisse zu fördern. In allen Arbeiten
[ aber findet die begeisterte Liebe zur Bhärat-Mäta (Mut-
j ter Indien) und der berechtigte Stolz auf die Leistungen
I der Vorfahren einen charakteristischen Ausdruck; ist doch
der nationale Gedanke einer der bedeutensten Faktoren
I des modernen Indien, der von dem Begründer der Ramakrishna
Mission, Svämi Vivekänanda seinen Schülern als
; geistiges Erbe hinterlassen worden ist.

Die Ausstattung des Werkes ist ganz vorzüglich und
j kann mit derjenigen europäischer Bücher jederzeit in
Wettbewerb treten. Die rund 170 Illustrationen, sind
nicht nur ein Schmuck des Werkes, sondern bringen auch
wertvolles neues Material für das Studium der Geschichte
der indischen Religionen.

Königsberg (Pr.)_Helmuth von Olasenapp.