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Ausgabe:

1938 Nr. 12

Spalte:

221-223

Autor/Hrsg.:

Rohrbach, Paul

Titel/Untertitel:

Der Gottesgedanke in der Welt 1938

Rezensent:

Kesseler, Kurt

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221 Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 12. 222

GAV.) Hilfe und ihrem Segen" zeichnet. 12 Anschauungs- | ständnis und Priestertum ablehnt, so ist doch das Evan-
bilder von der Münchener Künstlerin Annemarie Na- i gelium aeternum nicht bloß „Sinndeutung des Lebens
gelsbach und 4 kleine Karten von Arnold Hiller-Ziegfeld, ] von Gott her und auf Gott hin", so sehr es das auch
ferner eine Konfessionskarte des deutschen Reiches (vom j ist. Evangelium aeternum ist doch die Botschaft von
Kirchenstatistischen Amt) liegen einzeln in einer Falt- j der Erwählung und Erlösung, von der „Kirche", also
Wasche. Auch pädagogische Winke zur Benutzung des j von der „Berufenheit", von der Neusehöpfung der Krea-
Stoffes finden sich. So ist alles handlich und übersieht- tur, von der „Versetzung in das himmlische Wesen",
lieh beisammen, was Lehrer und Pfarrer für ihre Arbeit j also die Botschaft von einer neuen Existenz. Nicht
brauchen. Das Gebotene ist sehr zuverlässig, mit Sach- | historisches, sondern allein existenzielles Denken, also
künde und Geschick ausgewählt und durchaus praktisch, i Denken aus dem „Drinsein", aus gläubiger Existenz,
Die Gesamthaltung entspricht der des Gustav-Adolf- [ kann das Kerygma des neuen Testamentes und den Glau-
Vereins. Sie ist also selbstverständlich klar evangelisch, ! bensgehalt der Bekenntnisse erheben,
•aber „ohne Unterscheidung, wenn auch unter Achtung Es wird daher aller völkischen Frömmigkeit gegen-

des sonderkonfessionellen Bestandes der Diaspora." j über zu sagen sein, daß völkische Existenz und christgläu-
Ebenso selbstverständlich geht sie von der engen Ver- J bige Existenz verschiedene, aber beide vollberechtigte
bindung zwischen Kirche und Volkstum aus und trägt j Wirklichkeiten sind, um deren Bezogenheit die Theologie
gerade dem deutschen Volkstum entschlossen Rechnung, j sich bemüht. Man sollte daher nicht wie Rohrbach alle
Wir können das überaus brauchbare Buch, von dem man | „natürliche Theologie" ausschließen: „uns ist alles an

Gott verborgen außer seiner Willensoffenbarung an uns
im Evangelium". Aber alle Gottesoffenbarung in irdischen
Formen wird erst aus der christgläubigen Existenz
ihre letzte Begründung und Rechtfertigung (Schöpfungsordnung
) und ihre Sicherung gegen Säkularisation
(Gnade, Erlösung) erhalten. Es gibt natürliche Gottes-
offenbarung, aber nur christliche Heilsoffenbarung.

Rohrbachs Darstellung der germanischen Religion
bekundet die eingehende Verarbeitung der zur Sache geschriebenen
Forschungen und bietet ein abgerundetes
Bild. Einzelnes ist innerhalb der geführten Diskussionen
unbedingt überzeugend, z. B. die Ausführungen über die

ohne Übertreibung sagen kann, daß es eine Lücke ausfüllt
, nur von Herzen begrüßen und ihm weite Verbreitung
und großen Erfolg wünschen.

Breslau-Sibyllenort. M. Schian.

Rohrbach, Paul: Der Gottesgedanke in der Welt. Eine Antwort
auf die Frage: Ist die Menschheit lebensfähig? Berlin: Hans
Bott 1937. (263 S.) 8°. Kart. RM. 4.80; geb. 6—.

Das Buch vertritt die evangelische Überzeugung des
Verfassers gegen alle Einwände und Stellungnahmen
der völkischen Frömmigkeit: Allein durch das Evangelium
ist wirklich Gottesglaube in der Welt, „gäbe es
kein Evangelium, so wäre Gott nur ein leeres Wort"

(S. 239). Das ganze Buch ist ein auf einem fast sieb- I germanischen Menschenopfer, über anderes wird man

^igjähricen Gelehrten- und Christenleben aufruhendes verschiedener Meinung sein, z. B. in der Odinfrage.

Bekenntnis zum Christentum, zum Christentum, durch I Unbedingt zutreffend ist die Auseinandersetzung mit

das allein die Menschheit lebensfähig ist. Aber der I den Einwänden der völkischen Frömmigkeit. Da wird

Verfasser hat selber richtig gesehen, daß man ihm ein- I gegen die Anklage auf Semitismus des Christentums

wenden wird, er vertrete ein überholtes liberales Ver- | unwiderleglich gesagt: „Man verbaut sich von vornherein

ständnis des Christentums. Man muß dabei zweierlei j alle religiöse Einsicht, wenn man nicht erkennt, daß

unterscheiden: Nicht das ist vergangen, was die wissen- ; alle vor- und außerprophetischen Religionen in dem

schaftliche Forschung an Einsichten in die Entstehung ! entscheidenden Punkt auf die eine Seite gehören, das

des Christentums und seinen Entwicklungsgang erar- i Evangelium Jesu aber mit seiner Vorstufe in der ethi-

beitet hat. Das alles einschließlich der kritischen Er- sehen Prophetie des Alten Testamentes auf die andere".

kenntnisse bleibt in voller Geltung, aber die Meinung ist
fiberwunden, daß das „Wesen" des Christentums historisch
2U erfassen wäre. Dazu bedarf es des gläubigen Hin-

Treffend wird bei Erörterung der Frage nach der „Art-
gemäßheit" der Religion die Unklarheit Hauers nachgewiesen
und in Zusammenhang damit zur heutigen Ekke-

einhörens in das neutestamentliche Kerygma, wenn man ; hartfrage der irrigen Modernisierung Ekkeharts entgegen
Ausdruck gebrauchen will, der pneumatischen Exegese
, die nicht nach der historisch bedingten Form,
sondern nach dem zeitüberlegenen Sinn fragt. Ich darf
hier auf das verweisen, was Wobbermin in seiner Lebensgengehalten
: „Niemand wäre über die Meinung, das
Wort von der Geburt Gottes in der Seele solle den Gott
in der eigenen Brust bedeuten, entsetzter gewesen, als
unser alter spekulierender Dominikaner" (S. 226).

arbeit grundsätzlich cegen den Historismus „religions- Wie aber kam es zu der schweren Spannung zwi

Psychologisch" geltend gemacht hat.

"'cht vor der Geschichte kapitulieren" (S. 202), so

sehen Christentum und völkischer Frömmigkeit? Rohr-

Wenn daher Rohrbach klagt: „Die Kirche wollte bach weiß um den Einfluß der freigeistigen Kreise,

aber weithin macht er doch auch die kirchengeschichtliche

kann man dazu nur sagen: Gott sei Dank, daß sie ! Entwicklung in katholischer und katholisierender Rich-
"icht kapituliert hat! Es mag dabei leider oft zu Ver- j tung verantwortlich. Er hat damit bis zu einem ge-
ständnislosigkeiten gegenüber der theologischen Wissen- wisse" Grade recht, hier mag schon ein Teil Schuld
schaff gekommen sein, aber als für das Kerygma ver- I bei der historischen Kirche liegen. Aber entscheidend
antwortliche Instanz hat die Kirche mit Recht darüber j ist doch, daß man nicht zwischen natürlichen Grundlagen
gewacht, daß das Evangelium aeternum nicht relativiert > und Entwicklungen und zeitüberlegener Botschaft unterwurde
. Das Gleiche gilt auch zur Bekenntnisfrage. Ge- sc{"ed>. woran vielleicht der Historismus nicht ganz un-
wiß muß die Entstehung der Bekenntnisse und ihre ! schuldig ist, dem ja das Zeitüberlegene unzugänglich
Ausprägung historisch verstanden werden, man hätte bleibt. Die letzte Tiefe der Diskussion wird erst er-
da vielleicht mutiger die geschichtlich entstandenen Be- reicht werden, wenn klar herausgestellt wird, daß die
kenntnisformeln „unter das Gesetz der Geschichte" stel- seelischen Anknüpfungen und die geschichtlichen Austen
sollen. Aber ihr zeitüberlegener „Sinn", das, was drucksformen der Frömmigkeit „arteigen" sein werden
die Väter „meinten", als sie „bekannten", ist geschichts- und sein müssen, daß aber der zeitüberlegene „An-
überlegen. Und darauf kommt es — unbeschadet aller sprach" der natur- und artüberlegenen Botschaft an
wissenschaftlichen Erkenntnis — in der „kirchlichen Exi- jede Art und Rasse ergeht, was wiederum nicht historisch.
Stenz" an. Das aber erschließt sich der Geschichte nicht, ; zu begründen ist. Und darin stimme ich Rohrbach
sy sehr auch die Arbeit der Geschichtswissenschaft hier bei: diesen Anspruch und diese Botschaft kann man
Hilfsdienste leisten kann. ! nur aus dem Neuen Testament heraus hören, freilich aus

dem pneumatisch verstandenen ganzen Neuen Testament
.

Ich bin auf Rohrbachs Buch ausführlich eingegangen,
weil ich für seinen Standpunkt, den ich einst selber im

, So ist das Evangelium aeternum nicht, wie Rohr-
oach ganz auf Harnack fußend meint, bloß Evangelium
Jesu: sondern auch Evangelium von Jesus. Wenn
auch Rohrbach mit Recht jedes magische Erlösungsver-