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Ausgabe:

1938 Nr. 1

Spalte:

199-200

Autor/Hrsg.:

Spengler, Oswald

Titel/Untertitel:

Reden und Aufsätze 1938

Rezensent:

Vorwahl, Heinrich

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Seite 1

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199

Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 11.

'200

vom Patriarch-Bischof dieser Kirche, G. A. Prochaska in
Prag. Auch sonst hat der Herausgeber Glieder der verschiedenen
Gemeinschaften zur Mitarbeit und so auf
genauer Sachkunde ruhende Beiträge gewönne». Knappheit
, Übersichtlichkeit, Sachkenntnis und Bemühen um
größte Objektivität sind erfreuliche Merkmale der gesamten
Art des Bandes.

Erfreulicherweise scheint ja das kirchenkundliche Interesse
, das lange brach lag, sich wieder etwas zu beleben
. Da Gleiches vom Interesse für religiöse Volkskunde
gesagt werden darf, ist vielleicht wirklich Hoff- i
nung vorhanden, daß die Kenntnis des Kirchenwesens j
künftig als unentbehrliche Voraussetzung für tätige Ar- i
beit an ihm erkannt werden wird. Natürlich kann es sich
für uns nicht um Mitarbeit am tschechoslowakischen Kirchenwesen
handeln; aber das Studium kirchlichen Werdens
in diesem von dem unseren so sehr verschiedenen
Gebiet ist doch für Niemanden fruchtlos, der sich ehrliche
Mühe gibt, überhaupt Kirche und Kirchengeschichte
zu verstehen.

Breslau-Sibyllenort._ M. Schi an.

Spengler, Oswald: Reden und Aufsätze. München: C. H.Beck
193 7. (XI, 295 S., 1 Abb.) 8°. RM 4.50; gebd. 6—.

Der vorliegende Band enthält alles, was außerhalb
der Hauptwerke an Reden und Aufsätzen Spenglers
in der Formulierung abgeschlossen vorliegt, und umspannt
daher einen Zeitraum von über 30 Janren. Unbekannt
war bisher die Dissertation über Heraklit (Halle 1904),
die an den Anfang gestellt ist und bereits von Gnaden
einer noch nicht zu methodischem Bewußtsein erhobenen
„physiognomischen" Betrachtungsweise lebt. Nun hatte
auch Nietzsche schon in den ersten Jahren seiner Baseler
Zeit eine besondere Vorliebe für Heraklit gewonnen,
so daß sich Spenglers Wendung zur Welt als Geschichte
in Nachfolge Nietzsches zunächst auch zur Antike vollzieht
. Spenglers Rede über „Nietzsche und sein Jahrhundert
'" beschränkt sich im wesentlichen auf die Spiegelung
dieses Denkers an Goethe mit der Methode des
„physiognomischen Takts", mit der er den Gegensatz
des freundlichen Goethehauses am Frauenplan und des
kleinen freudlosen Hauses in Sils Maria zum Sinn- |
bild der heiteren Geselligkeit Goethes und der schauerlichen
Einsamkeit Nietzsches werden läßt. Doch sieht I
Spengler den Gegensatz von Herren- und christlicher
Moral falsch gefaßt; er lehnt die „kunstgewerblichen
Weltanschauungen" „mit Buddhaausgaben auf Büttenpapier
" völlig ab und sagt: „Religion, ja — aber dann
nimm dein Gesangbuch und geh in die Kirche!" („Pessimismus
?"). Nietzsche bleibt ihm zuletzt doch Protestant
und gottgläubig — und wenn somit Spengler i
auch nicht in das Zentrum des Problems Nietzsche
trifft, erkennt er doch, daß Nietzsche wie sein Zeitalter
dem Darwinismus verfallen waren, aus dem heraus zusammen
mit der heimlichen Neigung, die christliche
Zeitrechnung ihrem theologischen Sinne nach zu ver- j
nichten, er die Freude der Vorgeschichtler an ungeheuren
Jahreszahlen erklärt. („Das Alter der amerikanischen
Kulturen"). So sehr Spengler an den Nerv seiner eigenen
geistigen Sicht rührt, wenn er innerhalb der Nietz-
schesclieu Perspektivenschichtung die Entdeckung der geschichtlichen
Tatsache als Ausdruck einer Seclenregung
und des Willens zur Macht als der eigentlichen geschichtsbildenden
Macht betont, so auffällig ist es, daß er
nirgends auf Herder als Vorgänger zu sprechen
kommt. Den „Impulscharakter" (Ewald, Logos XVIII,
419) seiner „Philosophie" räumt Spengler selbst ein,
wenn er berichtet, daß sie 1911 unter dem Eindruck
von Agadir konzipiert sei. Wie er mit erstaunlichem
Detailwissen und zugleich kühner Phantasie jede terra
incognita der Historie in Angriff nimmt, zeigt vor allem
die Abhandlung „Zur Weltgeschichte des zweiten vor- j
christlichen Jahrtausends", zu deren Beurteilung nur der
Spezialforscher berechtigt ist. Umgekehrt hat Spenglers ;
Rede „Aufgaben des Adels" eine glänzende Rechtfertigung
durch H. F. K. Günthers Untersuchung „Führer- j

adel durch Sippenpflege" (München 1936) erhalten, die
den Mangel an Stetigkeit in der deutschen Geschichte
darauf zurückführt, daß es nicht gelungen ist, eine gleich
sicher gelagerte Schicht auserlesener Familien zu schaffen
, wie sie dem Britischen Reiche zur Verfügung stand.
Die Vielfältigkeit der hier angeschnittenen Themen, vor
allem das Nebeneinander von geschichtlichen, philosophischen
und politischen Fragen, gibt ein ziemlich deutliches
Bild vom Umfang des Spenglerschen Wissens und des
weltanschaulichen Hintergrundes seines Denkens. Denn
was die Reihe der verschiedenartigen Schriften tatsächlich
zusammenhält, ist die Geschlossenheit der Persönlichkeit
und der Weltanschauung, die hinter allen, auch den kleinsten
Beiträgen der verdienstvollen Sammlung sichtbar
wird.

Quakenbrück. H. Vorwahl.

Althaus, Prof. D. Paul: Grundriß der Dogmatik. l.Teil. 2 ,neub.
Aufl. Erlangen: Rud. Merkel 1936. (110S.) gr. 8°. Kart. RM3-.

Diese bedeutend erweiterte Neuauflage der A.'sehen
„Grundlegung der Dogmatik" behandelt nach einer kurzen
Einleitung über die Theologie im Allgemeinen und
die systematische im Besonderen (S. 7—12) die Lehre
von der Offenbarung als ihren einzigen Inhalt, unter
Ablehnung aller religionsphilosophischen und überhaupt
„vortheologischen" Erörterungen. Die Offenbarung Gottes
in Christus „erweist sich selbst im Glauben . .. .
Die Grundlegung der Dogmatik ist also sachlich selber
schon Dogmatik" (S. 12).

Der erste Teil bespricht die vorbereitende Offenbarung
Gottes (S. 13—30), und zwar „von der Offenbarung
in Christus her", der zweite diese letztere, schließend
mit einem Abschnitt über „Offenbarung und Geisteswelt
(Apologetik)" sowie über „Aufgabe und
Methode der Dogmatik" (S. 31—109). Auf der letzten
Seite werden dann noch die wichtigsten neueren Gesamtdarstellungen
der Dogmatik verzeichnet.

Die vorbereitende Offenbarung zerfällt in die „Ur-
offenbarung" (S. 14—28) und „die Wirklichkeit des
Zornes Gottes" (S. 28—30). Die erstere wird nicht
als urgeschichtliche, sondern als „die unser Menschseiu
jederzeit erst begründende" verstanden (S. 15). Von
ihr muß zuerst gehandelt werden, weil die heilsgeschicht-
lichc Offenbarung sich überall auf sie bezieht und an sie
anknüpft. Sic behandelt nämlich die Menschheit als
schuldig, und das setzt eine gegenwärtige Selbstbezeugung
Gottes an sie voraus. Sie bezieht sich aber
auch immer auf eine bestimmte Wirklichkeit des menschlichen
Daseins und seiner Welterfahrung, in welcher
die Ur-Offenbarung vor sich geht: Natur und Geschichte
, menschliche Gemeinschaft, Gewissen, Selbsterfassung
des Menschen überhaupt (S. 16 f. vgl. 20 ff.).
Besonders wird die Gotteserfahrung im sittlichen Bewußtsein
und den Ordnungen hervorgehoben als „echte
Beziehung zu demselben Gott, der im Evangelium mit
ihnen (den Menschen) handelt" „Auch ohne die Wirkung
der christlichen Botschaft entsteht immer wieder
Gottesgewißheit im Durchleben der Geschichte, heute insbesondere
so, daß Menschen von den Ordnungen, z. B.
der Bindung an ihr Volk, neu ergriffen und gewiß sind,
darin dem Heiligen und Unbedingten zu begegnen, von
ihm begabt und berufen zu sein". (S. 17 f. vgl. 24 f.).
Das ist auch schon Glaube, wenn auch noch nicht christlicher
. Und im Gewissensanspruch „erweist sich uns
Gott in seiner Gerechtigkeit und Gutheit und gibt uns
Anteil an ihr". Allerdings „stellt er uns auch in den
Zwiespalt zwischen Sollen und Sein, Wollen und Vollbringen
, in das Leiden unter uns selbst"; aber eben
darin „wissen wir um uns als zu Gott, zu seiner Gerechtigkeit
geschaffen" (S. 22).

Ohne diese Ur-Offenbarung könnte kein Mensch
die biblische als Gottes Wort vernehmen. Denn diese
bezeugt sich dem Gewissen d. h. dem ursprünglichen
Wissen des Menschen von Gott. Kirche und Theologie
sollen sie daher nicht ablehnen und „als Trug und Heidentum
ächten", sondern „als Begegnung mit dem einen