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Ausgabe:

1938 Nr. 10

Spalte:

185-189

Autor/Hrsg.:

Newman, Ernst

Titel/Untertitel:

Evangeliska Alliansen 1938

Rezensent:

Sentzke, Geert

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185

Theologische Literaturzeitung 1938 Nr. 10.

186

•die Ignatius, und die sieben, die Oraciän gewidmet sind.
An diesen Zahlen gemessen kommen freilich Descartes J
mit drei und Pascal mit fünf Seiten wiederum zu kurz,
und schließlich möchte man trotz des Buchtitels Leibniz '
vergleichsweise mehr als zwei Seiten zugebilligt sehen

— von dem Darstellungsumfang bei den Reformatoren
ganz zu schweigen.

Bei der ungeheuren Fülle des dargebotenen Materials
wird man sich nicht wundern dürfen, auch einigen j
Ungenauigkeiten und Versehen zu begegnen. Ich notiere
einige Kleinigkeiten aus den Gebieten, die mir am
nächsten liegen:

S. 11 ff.: In dem Erasmus-Kapitel hat natürlich die Literatur des I
Gedächtnis-Jahres 1936 noch nicht berücksichtigt werden können. Damit ^
ist aber nicht entschuldigt, daß der Verfasser bei seiner Darstellung der
politischen Ideen des Humanisten nur die 1923 erschienene Arbeit von ;
Constantinescu-Bagdat über die „Querela pacis" (Diss. Freiburg i. d. Sch.)
heranzieht. Als er sein Buch niederschrieb, lagen die einschlägigen Un- !
tersuchungen von L. K. Born (1928) und üeldner (1930) längst vor.
Die Arbeit der Elise Constantinescu wird von O. Ritter (Erasmus und
der oberrheinische Humanistenkreis, 1937, S. 38) als „das kritiklose Referat
einer doktrinären Pazifistin" bezeichnet. — S. 174: Als das Erscheinungsjahr
von Molinas Concordia liberi arbitrii cum gratiae donis
muß doch wohl das Jahr 1588 gelten, wenn das Werk auch erst 1589
zum Verkauf freigegeben wurde. — S. 185: Hier mag ein kleiner Zusatz
erlaubt sein. Die alten Anschauungen über das erste Auftreten und
die Herkunft der Syphilis wirken noch lange fort. Swift beispielsweise
redet die Krankheit in seinem Gedicht Pethox vom Jahre 1723 so an:
Or whether, as the Learn'd contend,
You from the Neigh'bring Gaul descend;
Or from Parthenope the proud,
Where numberless thy Vot'ries crowd :
Whether thy great Forefathers came
From realms that bear Vesputio's name . . .,
wobei Parthenope einen andern Namen für Neapel bedeutet und die nach
Vesputio genannten Bereiche Amerika darstellen. — S. 215: Ein solch
negatives Urteil über Gongora und den Gongorismus wird heute auf
Widerspruch stoßen. - S. 386: Calvin war, als er 1536 die Institutio
veröffentlichte, knapp 27 und nicht 33 Jahre alt. - S. 401 : Maldonat
hat sich in Bourges, wohin er 1575 übersiedelte, nicht „allein" der
Schriftslellerei gewidmet. Hei Schnürer tritt nicht genügend zutage, was
er als Visiteur de la province de France geleistet hat. Auch seine Bedeutung
für den Aufbau der Hochschule von Pont-ä-Mousson hätte
kräftiger unterstrichen werden können. — S. 405: Daß man im 16. Jahrhundert
in Frankreich den „alten, von Spanien wieder herübergewander-
ten Amadis-Roman aufgegeben" habe, stimmt durchaus nicht. —S. 409 :
Es ist ein wenig heikel, Montaigne, den Verfasser der Essais, schlechthin
als Bürgermeister von Bordeaux zu bezeichnen. - S. 558: Hier
war der Platz, die Ursuline Maria von der Menschwerdung zu nennen, j
Die Frühgeschichte der Ursulinen scheint mir überhaupt ein wenig un- j
zureichend dargestellt zu sein. — Weil grade von kleinen Lücken die
Rede ist: warum gedenkt Schnürer nicht auch des Jesuiten Lallement
Und seiner Doctrlne spirituelle? — S. 645: Pascals Essai pour /es
coniques ist in französischer, nicht in lateinischer Sprache geschrieben.
Daß Pascal sich 1654 den Solitaires von Port-Royal „beigesellte" ist
mindestens eine verfängliche Ausdrucksweise; man darf nicht vergessen,
daß er zeitlebens nie selbst ein Solilaire geworden ist. — S. 646: Als
Todesdatum Medinas gilt doch wohl der 30. Dezember 1580. — S. 698:
"ber den Anspruch der Katholiken, in einem Einzelfalle und zwar in
der englischen Kolonie Maryland als erste die Idee der Religionsfreiheit
verwirklicht zu haben, wäre etwa Holl, Luther, S. 486, zu vergleichen.

— In den England gewidmeten Abschnitten fehlen die Namen John
Donne und Dryden. Dem Anglikaner Donne, der sich heute, als
-metaphysischer" Dichter eiues großen Ruhmes erfreut, merkt man :
immer seine katholische Herkunft und Erziehung an. Und Drydens

''bertritt zum Katholizismus ist eine der bekanntesten Tatsachen aus >
■dem Bereiche der damaligen Literatur in England. — Bei einer
Neuauflage, um das abschließend zu sagen, wären die zahlreichen
Druckfehler bei Eigennamen auszumerzen. Hier ist kein Platz, sie zu
verzeichnen.

Marburg. W. Kalthoff.

New man, Ernst: Evangeliska Alliansen, en Studie i protestan-
tisk enhets-och frihetssträvan. Lund 1937. (VIII, 364 S.) Kr. 8.75.
Inhalt: I: Gustav Adolf II. als Bahnbrecher protestantischen Einheitsstrebens
; II: Acontius und das „Fundamentale" im Christentum;
"I: Der Durchbruch der lutherischen Rechtfertigungslelirc in dem prote- ;
s'antischen Frömmigkeitsleben; IV: Die „evangelikale" Allianzidee;
Vi Die Gründungs-Konferenz in London 1846; VI: Die nationalen
Organisationen und die internationalen Generalkonferenzen; VII: Die
Arbeitsformen und die leitenden Ideen; VIII! „The Worlds Evangelical
Alliance (British Organisation)" 1912—1936.

Mit diesem Buch hat Newman, Professor der Kirchengeschichte
an der Abo Akademi, eine Lücke in der
internationalen theologischen Literatur ausgefüllt, denn
es muß als ein Mangel bezeichnet werden, daß es bisher
noch an einer Darstellung der E. A., die als wichtiges
kirchengeschichtliches Ereignis des 19. Jahrhunderts anzusehen
ist, gefehlt hat. Besonders dürfte die E. A. auch
deswegen in der Gegenwart Interesse verdienen, da sie
eine Art Vorläufer oder Wegbereiter der ökumenischen
Bewegung ist. N. nennt sein Buch eine „Studie". In
Wirklichkeit aber ist es ein monumentales Werk, das auf
364 Seiten die ideegeschichtHchen Hintergründe jener
Bewegung und den äußeren Verlauf derselben (die
nationalen Zweigorganisationen und die Generalkonfereri-
zen) in fast allen in Frage kommenden Ländern (Schweden
und Finnland werden ausgeschlossen, da N. die E.
A. in diesen Ländern in besonderen Büchern behandeln
will) darlegt. Das Buch ist aufgebaut auf Grund eines
außerordentlich reichen Quellenmaterials. Nicht nur die
Protokolle und Akten der einzelnen Konferenzen und der
nationalen Zweigorganisationen, sondern auch viele Zeitungen
und Zeitschriften aus England, Deutschland,
Schweden, Frankreich und Holland und viele Monographien
sind herangezogen. Die auf jeder Seite stehenden
Anmerkungen und Hinweise legen Zeugnis ab von
der Belesenheit und dem Fleiß des Vfs., und die Fülle
der Gesichtspunkte, die er anzulegen weiß, machen das
Studium dieses Buches zu einem schönen Genuß.

In den ersten Kapiteln werden die theologiegeschichtlichen
Voraussetzungen dargelegt. Nachdem die schwedischen
Könige Karl IX. und Gustav Adolf II. und einige
Ireniker gestreift wurden, verweilt N. länger bei Acontius
. Er wertet ihn als Repräsentanten eines untheolo-
gischen Christentums, der prinzipiell auf der Seite der
Reformatoren (vor allem Calvins) steht. Acontius führte
die Unterscheidung von „fundamental" und „nicht fundamental
" in das theologische Denken ein und suchte
zu zeigen, daß die wahre Kirche Christi über und in den
geschichtlichen Kirchen zu suchen ist. So schuf er die
Voraussetzungen zu einer Annäherung der Konfessionen.
— Auf reformiertem und anglikanischem Boden erlebte
im 18. Jahrhundert die lutherische Rechtfertigungslehre
ihren Durchbruch. Man kann in gewisser Weise sagen,
daß „the evangelical revival" mit ihren verschiedenen
Verzweigungen in England, Schottland und Amerika ein
Durchbruch des herrenhuteriseh-lutherischen Evangi-
liumsverständnisses ist. John Wesley schränkte den Umkreis
der „wesentlichen" Lehren immer mehr ein. Er
sagt es frei heraus, daß die religiösen Ansichten anderer
ihm ebenso gleichgültig seien wie ihre Gedanken über
dieses oder jenes astronomische Svstem. Die Hauptsache
ist, daß die Seelen erlöst werden' zu einem heiligen Leben
. Es ist klar, wie in einer solchen Haltung der Wille
zur Zusammenarbeit mit Christen anderer Kirchen im
Dienste des Evangeliums mitgesetzt ist. — Auch die
Lage in Deutschland faßt N. in's Auge. Die Erweckum's-
bewegungen des 19. Jahrhunderts stärkten teils das konfessionelle
Bewußtsein, brachten teils aber auch konfessionelle
Weitherzigkeit mit sich. N. nennt in diesem
Zusammenhang die Vermittlungstheologen Neander und
Tholuck Genauer aber geht er auf die Zeitschrift „Der
Kirchenfreund für das nördliche Deutschland „Osnabrück
1837/39 ein, deren Redaktion einmal bekennt,
daß ihr das In dubiis libertas heilig sei, wenn nur in
necessariis uuitas und in omnibus Caritas ist. N. nennt dann
noch u. a. die verschiedenen Krummacher, Kraft, d'Au-
bigne und geht näher auf Johann Geibel und Wichern
ein. Geibels Pseudonyme Buch (Wiederherstellung der
ersten christlichen Gemeinde von Philadelphos, Leipzig
1842) hat auch seine Wirkungen in Schweden gehabt!
Wiehern hat in einem Aufsatz: „Die wahre Gemeinde
des Herrn" aus dem Jahre 1839 Gedanken geäußert, die
N. als eine Verbindung von romantischer Begeisterung
für überkonfessionelle evangelische Katholizität mit reformiertem
Biblizismus bezeichnet (vergl. Gerhardt's Wichern
Biographie Band I, S. 274).