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Ausgabe:

1937

Spalte:

174-176

Autor/Hrsg.:

Baetke, Walter

Titel/Untertitel:

Art und Glaube der Germanen 1937

Rezensent:

Kesseler, Kurt

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Mächtigkeit durch Jahrtausende hindurch bis heute sich
erhalten" hat, so ergibt sich daraus für die Mission die
überaus wichtige Frage nach „Notwendigkeit und Maß
von Artgemäßheit und bodenständiger Verwurzelung der
christlichen Verkündigung". Um aber dies Problem in
seiner ganzen Schwierigkeit aufzuzeigen, stellt der Verfasser
eine eingehende religionsgeschichtliche Untersuchung
über .Werden und Wesen des chinesischen Nomos'
voraus, die mit einer kurzen Analyse der Begriffe: Rasse,
Blut und Boden, Volkstum und Volksnomos unterbaut
wird.

Als wesentlicher Zug im chinesischen Nomos ergab
sich auf Grund sorgfältiger Heranziehung einschlägiger
Texte der kanonischen Literatur die in der chinesischen
Naturreligion religiös sich ausprägende Tendenz, „den
Menschen durch Bindungen an die Mächte des Bodens
und Blutes in den Zusammenhang mit der Natur einzuordnen
. In ihren philosophischen Ausprägungen, die sie
sich im metaphysisch-ethischen Taoismus und in dem
zum eigentlichen Ausdruck des Chimesentums gewordenen
ethisch-metaphysischen Konfuzianismus schuf, änderten
sich dann zwar die Medien der Bindung, aber das
Ziel, auf das sie ausgerichtet war, blieb dasselbe: die
Harmonie des Menschen mit dem Tao (= Tscheng)".
Die Erreichung dieses Ziels liegt in der Hand des Menschen
selbst, also in der anthropozentrischen Grundhaltung
, die für das Tscheng die unerschöpfliche Quelle
seiner Dynamik ist. Aus ihr geht jene Selbstmächtigkeit
des Menschen hervor, die dem chinesischen Nomos die
gewaltige Dynamik verlieh, die auf Harmonie mit dem
Universum hindrängt, zugleich aber auch die Tendenz in
sich trägt, alles Fremde seiner Eigenart einzuordnen,
alles Metaphysisch-Mythologische und Religiöse zu profanieren
und zu rationalisieren.

Der III. Teil ,Der Nomos Chinas und das Evangelium
' beginnt mit einem historischen Überblick über
,den Eingang des Christentums in das chinesische Reich',
die in drei klar geschiedenen Epochen, der Nestorianer-,
der Jesuiten- und der protestantischen Mission erfolgte.
Es ist überaus dankenswert, daß der Verfasser zur näheren
Kenntnis der Nestorianer-Mission erstmals das so
verstreut veröffentlichte Material (die sog. King-tsching-
Literatur) zu verwerten sucht (S. 77ff.) und es wäre
nur zu wünschen, es möchten diese wichtigen Texte uns
einmal in wissenschaftlich zuverlässiger Übersetzung vorgelegt
werden. Wenn G. Rosenkranz im Hinblick auf
die missionarische Verkündigung in China die höchst
aktuellen Fragen stellt: „Inwiefern bieten die Glaubensbekenntnisse
das ursprüngliche und wesentliche Christentum
dar? Passen sie für die Eigenart des chinesischen
Geistes und wenn nicht, ist es gestattet, sie zu
andern? Wie kann die Kirche in China am besten ihre
Überzeugung ausdrücken, daß Gott sich ihr durch die chinesischen
Philosophen geoffenbart hat?", so lag es
nahe auf den bedeutenden deutschen Chinamissionar
Ernst Faber hinzuweisen (S. 117 ff.), der das Problem
der Beziehungen zwischen dem chinesischen Nomos und
dem Evangelium schon in einer Zeit erkannt hat, als es
von der heimischen Missionswissenschaft noch kaum geahnt
wurde. Dem geschichtlichen Überblick folgt schließlich
eine kürzere methodische Erörterung über ,Nomos
Und Evangelium in der Begegnung', vor allem über die
Methode der Anknüpfung als Anpassung, Aneignung
und Erfüllung, wobei er noch anhangsweise die weitverbreitete
Neulebensbewegung (unter Führung Tschiang
Kai-scheks zur Wiedererweckung der von den Vätern ererbten
konfuzianischen Ethik) vom missionarischen Gesichtspunkt
aus bespricht. Die ,Missionswissenschaftli-
cher. Forschungen' haben mit diesem neuen Band die
missionswissenschaftliche Literatur wesentlich bereichert
Und wäre nur zu wünschen, daß die klar durchdachten
Ausführungen gerade von den Missionaren eingehend erlogen
würden. Eine kleine Richtigstellung sei angefügt:
A}jf S. 89 Anm. 1 findet sich die Bemerkung, daß
"Katholiken auch heute noch die wissenschaftliche Behandlung
des Ritenstreits verboten" sei (ähnlich auch bei
H. Frick Deutschland innerhalb der religiösen Weltlage'
(1936), S. 80) — dies trifft nicht zu, da in missionswissenschaftlichen
Universitätsseminaren der Ritenstreit
schon wiederholt behandelt wurde auf Grund der vorhandenen
Quellen.

Aus seinem Arbeitsgebiet bietet uns der Verfasser
auch eine Broschüre über das wichtige Problem: ,Gibt

i es Offenbarung in der Religionsgeschichte?', der ein
Vortrag bei verschiedenen theologischen Zusammenkünften
zugrundeliegt. Nach kurzer Orientierung über die
Gegenwartsbedeutung des Problems werden die verschiedenen
Erscheinungsformen der Religion — dynamisti-
scher mana-Glaube, Seelen- und Dämonenglaube, Götterglaube
und Ein-Gott-Glaube — auf das Vorkommen von
Offenbarung untersucht, um daraus über das Verhältnis
der christlichen Offenbarung in der Religionsgeschichte
Klarheit zu gewinnen. Die Ausführungen des Verfassers

1 gipfeln in dem Schlußabschnitt über die vielumstrittenen
Beziehungen von ,Religionsgeschichte und Theologie',
namentlich der Theologie, die in einseitiger Isolierung
gegenüber den Offenbarungserlebnissen in der Geschichte
der Religionen glaubt verharren zu müssen. Auf S. 36
lesen wir den Satz: „Der Buddhismus ist ein Beispiel dafür
, daß es auch innerhalb der atheistischen Erscheinungsform
der Religion Offenbarung gibt". Ob hier
nicht der Begriff des Atheismus unzutreffend angewendet
wird? Vgl. dazu den Aufsatz von H. Hackmann ,Über
Objekt und Gebietsumfang der Religion" in ,Nieuw
Theol. Tijdschr.' Jahrg. 1923, S. 1 ff.
München. R. F. Merkel.

Baetke, Walter: Art und Glaube der Germanen. 2. Aufl.
Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt [1934]. (79 S.) 8°. Kart. RM 2—.

Das aufschlußreiche Buch ist außer einer knappen,
aber sehr nachdrücklichen Ablehnung der Sonnenmythologie
von Herrmann Wirth eine klare und durchgreifende
Auseinandersetzung mit den Thesen Bernhard
Kummers über Midgards Untergang, die auch in theologischen
Kreisen Anklang gefunden hatten. „So wenig
der Germane sich Götter und Menschen in einem idylli-
I sehen Mitgardsfrieden vereint dachte (die Götter wohnen
in Asgard, nicht in Midgard), so wenig hat es in seiner
Vorstellung eine Welt gegeben, die-einem solchen
Utgardreich entspräche." Damit ist der Grundansatz
Kummers bestritten. Das Buch entwickelt in der Folge
Zug um Zug eine Fülle von Gegensätzen zu Kummers
t Konstruktionen. Zwar folgt ihm B. in der Hochschätzung
der isländischen Sagas als Quellen, in denen wir den
I germanischen Menschen finden, wie er liebt und haßt,
j betet, opfert, feiert, glaubt, zweifelt, mit dem Schicksal
j hadert usw., aber die einseitige Auswertung vermeidet B.
durch den Vergleich mit andern Quellen, durch den Blick
auf die gesamte gemeingermanische Frömmigkeit und
ihren Ausdruck im Kultus, in Opfer und Gebet.

Die germanischen Götter sind nicht als Macht und
Kraft (im Sinne des sogenannten Mana) zu fassen, sondern
als Persönlichkeiten. „Die Feststellung des personhaften
und willensmäßigen Charakters der Götter
ist für die Beurteilung der germanischen Religion von
grundlegender Bedeutung." Eine arische Mystik in dem
I Sinne des „Gott in uns", nach Art des einseitig verstan-
i denen Meisters Eckehart als Prototyp des deutschen
j Wesens und der germanischen Frömmigkeit hat es niemals
gegeben. „Es ist unerfindlich, wie man die ganz
und gar willensmäßige, aktive, lebensbejahende Haltung
des heidnischen Germanen mit einer mystischen Gefühls-
) religion in Einklang bringen will". Ein „Freundgott-
i glaube", in dem der Mensch mit seinem ihm güns.ti<r
j gesinnten und ihn beschützenden Gott wie ein Freund
mit dem Freunde verkehrt, hat hin und her bestanden
aber nicht einseitig und allgemein und nur als Erschei-
I nung des Heidentums in der Spätzeit, als die heilige
| Ehrfurcht vor den Göttern zu ermatten becann. Der
I Freundgottglaube bot keine tragfähige Grundlage für