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Ausgabe:

1937 Nr. 8

Spalte:

141-144

Autor/Hrsg.:

Campenhausen, Hans von

Titel/Untertitel:

Die Idee des Martyriums in der alten Kirche 1937

Rezensent:

Koch, Hal

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Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 8.

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Deutsch" haben könnte, fallen hier fort. Dabei ist
auch diese Auslegung des Epheserbriefes in unsere Zeit
hineingesprochen, und in ihren Worten klingen die kirchlichen
Fragen und Ereignisse der letzten Jahre an. Der
Verf. flüchtet nicht in die falsche Überzeitlicbkeit eines
theologischen Standpunktes, liest aber auch nicht kir-
chenpolitische Konsequenzen in den Text der heiligen
Schrift hinein. Schriftauslegung ist also ein Dienst an
der Kirche. Auch in diesem Punkt ist die Arbeit des
Verf. anzuerkennen. Zum Einzelnen: Ob es glücklich
ist, in 2,14 von einer „als Sperre dienenden Scheidewand
" zu reden? (H. Schlier sagt: „Die himmlische
Mauer" S. 18—26). Der seltsame Ausdruck cpecr^s hat
etwas Schillerndes; der „Zaun" grenzt ab, schützt daher
auch (Jes. 5,2). Das Wort „Zaun" scheint mir darum
besser zu sein als etwa „Sperre". Hier liegen gewiß ganz
eigentümliche exegetische Schwierigkeiten verborgen. Zu
erwägen ist die Auslegung von 5,25: „So wie alles, was
im Himmel und auf Erden Vater heißt, sein rechtes Urbild
hat in der Väterlichkeit Gottes, so haben Mann und
Frau für ihr gegenseitiges Verhältnis das Urbild in
Christus und der Gemeinde" (S. 109). Ich möchte dieser
Interpretation des gewichtigen xafrot? nicht widersprechen
, glaube aber nicht, daß sie sich allgemein durchsetzen
wird. Der dämonologische Hintergrund von Welt
und Geschichte wird auch bei Mittring hervorgehoben
— ohne ihn ist unser Brief nicht verständlich
— etwa S. 37, vor allem S. 115 ff. Aber an diesem
Punkt sind wir alle erst auf dem Wege dazu, die heilige
Schrift ganz ernst zu nehmen. Ob ein kurzer Hinweis
auf die Literatur zum Epheserbrief ganz unnötig ist?
Ich möchte also die vorliegende Schrift allen empfehlen,
die sich mit dem Epheserbrief beschäftigen wollen.
Halle a. S. O. Michel.

Cam pen hausen, Dr. theol. Hans Frli. v.: Die Idee des Martyriums
in der alten Kirche. Göttinnen: Vandenhoeck & Ruprecht
1936. (VI, 186 S.) gr. 8°. RM 9.80.

Angeregt durch die Untersuchungen von Mommsen
und K. J. Neumann hat in der Zeit vor und nach der
Jahrhundertwende eine umfassende Literatur sich mit
den Christeriverfolgungen und ihrer rechtlichen Grundlage
beschäftigt. Dadurch wurde dann auch die Frage
von dem literarischen Charakter und dem historischen
Wert der sogenannten Märtyrerakten in die Diskussion
mit hineingezogen (bes: die Arbeiten von Reitzenstein,
Geffcken, Holl und Delehaye). Beide Reihen von Untersuchungen
führten mit zwingender Notwendigkeit auf
das fundamentale Problem: Was ist denn eigentlich ein
Märtyrer? Was bezeugt er? Prinzipiell wurde diese
Frage zuerst von Kattenbusch (ZNW IV, 1903) erhoben,
ist dann aber nachher immer wieder aufgenommen worden
(von Achelis, Holl, Schlatter u.v.a.). Während man
die Rechtsgrundlage der Verfolgungen und den Charakter
der Märtyrerakten betreffend jetzt wohl sagen kann1,
daß die damalige Diskussion zu relativ sicheren und anerkannten
Resultaten geführt hat, gilt Ähnliches lange
nicht für die Idee des Martyriums. Wie wenig Sicheres
die Forschung auf diesem Gebiete geleistet hat, sieht
man am besten, wenn mau den Artikel „Märtyrer"
von Achelis in RGG durchliest. In die grundlegende
und besondere Ideologie des Martyriums ist man bis
jetzt noch nicht eingedrungen. Mit großem Interesse —
auch nicht ohne Skepsis — greift man deshalb zu dem
Buch v. Campenhausens mit dem kühnen Titel, „Die
Idee des Martyriums".

Im ersten "Kapitel („Die religiösen Voraussetzungen
der Märtyreridee") zeigt der Verf., daß die Idee des
Martyriums und die Vorstellung des Märtyrers christ-
l'chen Ursprungs sind und nicht auf andere Lebensan-
Schauungen und Religionen übertragen werden können,
°hne daß sie durch und durch umgestaltet werden.
Darum ist es für die Untersuchung nötig „bei Jesus
einzusetzen und nicht etwa dort zu beginnen, wo das
wort martys, Zeuge, in der christlichen Überlieferung

auftaucht und für den Märtyrer gebraucht wird". Zwar
hat man auch das Spätjudentum als Religion des Martyriums
bezeichnen können. Inhaltlich ist aber der jüdische
Märtyrer-Begriff ganz verschieden vom christlichen,
j In erster Reihe steht bei den Juden immer die Treue gegenüber
dem Gesetz und der Gehorsam unter Gottes
I Gebot, während in der christlichen Gemeinde das Martyrium
in der konkreten Erfüllung eines Zeugenauftrags
| besteht. Um dieses klar zu machen fängt der Verf.
| mit der Aussendung der Jünger an (Mth. 10). „Die un-
j bedingte, eschatologische Botschaft, die Jesus brachte
und in seiner Person selbst bedeutete", ist Ursprung
der kirchlichen Verkündigung geworden. Jesus hat aber
I selbst vorausgesagt — und sein eigenes Schicksal und
; das der Urgemeinde haben ihm Recht gegeben — daß
I diese Botschaft von vielen abgelehnt und verfolgt werden
würde. „Die Verbindung des missionarischen mit
dem martyrologischen Motiv findet sich dementspre-
j chend schon in der Urgemeinde." Es handelt sich um
j die Ausrichtung des von Jesus mitgegebenen Auftrags:
Geht und verkündet: das Himmelreich ist nah. Bei
treuer Ausführung des Auftrags sind aber die Leiden unvermeidbar
, und die Verantwortung der Jünger ist die,
ob sie trotzdem treu bleiben. Der Gedanke an ein süh-
! nendes oder stellvertretendes Leiden liegt völlig fern.
„Das Martyrium" ist nicht Sache einer besonderen Klasse
, sondern alle Christen sind Sendboten und Bekenner,
und niemand ist es gestattet, Jesus zu verleugnen. Ganz
ähnlich ist die Auffassung des Paulus (p. 10 ff.). Auch
er kennt keinen fest geprägten Märtyrerbegriff (gegen
Lohmeyer); er ist aber ein Missionar dem die Verkündigung
des Evangeliums als zwingende Notwendigkeit
obliegt, und sein ganzes Leben ist deshalb echtes Martyrium
: ein Aufgezehrtwerden im Dienste. Vom Martyrium
im späteren „martyrologischen Sinne" ist gar
nicht die Rede, und der Tod ist noch nicht als einzig-
| artige Form der Bezeugung hervorgetreten. Es handelt
sich nur um die vielen Leiden, die der Dienst des Evan>
geliums mit sich bringt.

Mit der „Entstehung des martyrologischen Zeugenbegriffes
" beschäftigt sich Cap. II, wo auch eine gründliche
lexikalische Untersuchung zu finden ist. Erst nach
der neronischen Verfolgung mehren sich, gegen Ende
des Jahrhunderts, die blutigen Verfolgungen, und der
ursprünglich religiöse Zeugenbegriff gewinnt seinen spezifischen
martyrologischen Sinn. Um diese Entwicklung
des Begriffes zu verstehen darf man nicht wie Holl
von dem lukanischen Gebrauche des Wortes „martys"
ausgehen: Zeuge ist, wer den Auferstandenen gesehen
hat und die Wahrheit der Auferstehung buchstäblich
bezeugen kann. Von hier aus geht keine Linie zum
kirchlichen „Märtyrerbegriff", und der Verf. hat m. E.
recht, wenn er die Erklärung Holls ablehnt: der Märtyrer
schaut in der Todesstunde den Auferstandenen und
wird dadurch zu einem wirklichen Zeugen im lukaniischen
Sinne. Diese Konstruktion, die in der Forschung —
dank der Autorität Holls — eine ziemlich große Rolle
gespielt hat, ist jetzt endgültig als künstlich und will*
kürlich abgelehnt. Im johanneischen Schriftenkreise findet
sich nun eine durchaus andersartige Zeugenvorstellung
: Es handelt sich hier nicht um einzelne Fakta,
sondern Christus als ganzer wird als die Wahrheit bezeugt
. Alles hängt daran, daß Gottes Sohn wirklich in
das Fleisch gesandt worden ist, sichtbar, hörbar und
mit den Händen greifbar. Aber gegenüber dem großen
Daß der Sendung, verlieren die biographischen Einzelheiten
an Bedeutung. Der johanneische Verfasser ist
über „den als naiv anmutenden Historismus eines Lukas
" hinausgeschritten, und die Augenzeugenschaft spielt
bei ihm keine Rolle. Der Glaube ist hier Glaube an
seine Person, i. e. Glaube an Gott, der mit seiner Person
eins ist und für ihn zeugt. „Dieser Glaube ist dann
aber so wenig mehr ein Menschenwerk wie das Zeugnis
Gottes" (Joh. 6,65). Dieses lebendige Zeugnis, das Gott
durch Jesus gegeben hat, hört nun mit dem Tode Jesu