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Ausgabe:

1937

Spalte:

121-123

Titel/Untertitel:

Jesus Christus im Zeugnis der Heiligen Schrift und der Kirche 1937

Rezensent:

Fascher, Erich

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treten — ebenfalls auf Grund selbständiger Vergleiehung
— die mit ihnen übereinstimmenden Lesarten der Pe-
schitta, des Marcion, der Paulus-Papyri bis hin zu
der neuen Chester Beatty-Handschrift, des Clemens
Alexandrinus und einiger späterer Ägypter. Ihnen sind
beigefügt die aus den kritischen Ausgaben bekannten
wichtigsten sonstigen Zeugen (Groß- und Kleinhandschriften
, Handschriftengruppen, Übersetzungen, Kirchenväter
) und ein Randapparat vermerkt, ob die betreffenden
Varianten den alt-ägyptischen Text geben, oder
abendländische, syro-byzantinusche bzw. sonstige Lesarten
sind.

Den zweiten Teil bilden Untersuchungen über die
besonderen Verhältnisse von bo und sa, auch sie mit umfassenden
und übersichtlichen Listen ausgestattet. Zunächst
wird festgestellt, daß beide Übersetzungen alexan-
drinischen Charakter zeigen mit einigen, bei sa deutlicher
als bei bo hervortretenden, Besonderheiten abendländisch
-syrisch-byzantinischer Färbung. Dann wird, zunächst
für bo und weiterhin entsprechend für sa, ermittelt
, wie- sie sich zum ägyptischen Text verhalten, wenn
dessen Zeugen, die großen, alten Unzialen S A B C, nicht
übereinstimmen. Ferner werden die abendländischen Lesarten
, die Koine-Lesarten und die sonstigen Lesarten
in bo bzw. sa besprochen.

Endlich wird die Frage aufgeworfen nach dem Verhältnis
von bo und sa zu einander. Dies erscheint als
ein gegenseitiges. „Eine nachträgliche gegenseitige Beeinflussung
ist mehr als wahrscheinlich" (S. 101).

Die Arbeit macht — und das ist die Haupttugend,
die sie nötig hat — einen sehr sorgfältigen Eindruck.
Stichproben erweisen die Zuverlässigkeit der Textvergleichung
, sowie der übrigen Angaben- Die ntl. Textkritik
schuldet dem Verf. dafür aufrichtigen Dank. Ihre
Schulden würden noch wachsen, wenn er sich entschlösse,
auch den Rest des NT in ähnlicher Weise zu bearbeiten
. Auch das AT sähen wir gern in den Kreis seiner
Veröffentlichungen einbezogen. Kann doch dessen
Textgeschichte derjenigen des NT die ersprießlichsten
Dienste leisten.
Göttinnen. W. Bauer.

Jesus Christus im Zeugnis der Heiligen Schrift und der Kirche. Eine
Vortragsreihe von K. L. Schmidt, E. Qaugler, R. Bultmann,
A. Oilg, E. Wolf, M. Domin ice. München: Chr. Kaiser 1936.
(253 S.) 8°. = Beiheft 2 zur „Evangel. Theologie". RM 6—; geb. 7—-.
Es widerstrebt dem Rezensenten, die in diesem Band
vereinigten Vorträge der Reihe nach inhaltlich wiederzugeben
und mit einer Charakteristik zu versehen, welche
dem Leser zur „raschen Orientierung" genügen und da-
mit eine eigene Lektüre ersparen könnte. Ihr Inhalt ist
so reich, daß eine kurze Wiedergabe nicht möglich ist. Wer
aufmerksam liest, wird sich manche Randnote machen
und manches zu durchdenken finden, sei er nun Neute-
stamentler, Kirchenhistoriker oder Systematiker. Hier
soll etwas mehr Grundsätzliches erörtert werden; denn
diese sechs Vorträge lassen eine gemeinsame Grundeinstellung
erkennen, welche ihr Herausgeber Peter Barth
— er schreibt im Auftrag der Theolog. Arbeitsgemeinschaft
des Kantons Bern — im Absatz 2 seines Vorworts
anklingen läßt. Zwar ist der ursprünglich geplante
Grundriß nicht zustande gekommen, weil Wilh.
Vischer-Basel seinen Vortrag über „Das Christuszeugnis
des Alten Testamentes" nicht zur Verfügung stellen
konnte und weil anstelle der Ausführungen D. Schrenks-
Zürich über das Christuszeugnis des Paulus ein von
Kud. Bultmann bereitwillig hergegebener, anderswo gehaltener
Vortrag über Jesus und Paulus treten mußte,
trotzdem ist das ganze Buch — in dem auch zwei alt-
Katholische Gelehrte neben Reformierten und Lutheranern
mitarbeiten — ein erfreuliches Zeugnis neuer
theologischer Arbeit nach 2 Richtungen: Einmal wird
bei strengem Festhalten an sauberer historisch-kritischer
Methode der Wortcharakter der urchristlichen Quellen
ständig im Auge behalten, sodann läßt die „demütige

Aufgeschlossenheit und Wachheit des Glaubens", die
da „hört auf das von Gott gesprochene, von der Schrift
! bezeugte und von der Kirche verkündigte Wort" (Vor-
i wort Absatz 2), eine Zusammenarbeit von konfessionell
verschiedenen Gelehrten als durchaus möglich erkennen.
| Sie wird möglich, um es kurz zu sagen, durch eine doppelte
Achtung: die Achtung vor der sauberen wissen-
schaftlidhen Arbeit des letzten Jahrhunderts und ihren
Ergebnissen und die Achtung vor dem „Wort Gottes"
in diesen Quellen, welche jede bloß philologisch-historische
Text'bebandlung wie jede Verabsolutierung der
gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnis ausschließt,
weil sie diese Erkenntnis weder als höchsten Wert noch
[ als Selbstzweck betrachtet, sondern in ihr Mittel zum
Zeugnis oder zur Verkündigung im Raum der Kirche
sieht. Erkenntnis nicht ohne Zeugnis, Verkündigung
nicht ohne Kirche, d. h. also: Theologie ist nicht Selbst-
' zweck, sondern Mittel zur rechten Verkündigung, Er-
i kenntnis dient nichti wenigen, sondern allen, die um
Kirche und ihre Funktion in der Welt wissen, wie denn
alles Zeugnis jede individualistische, rein wissenschaftliche
und selbstgenügsame Erkenntnis ausschließt bezw.
gegensätzliche Erkenntnis unter das Kerygma stellt und
damit auf ein letztes Ziel ausrichtet. Ob K. L. Schmidt
die Synoptiker behandelnd vor falschen Synthesen (S.17)
warnt, ob Ernst Gaugier bei aller Aufgeschlossenheit
für kritische Einleitungsfragen im Johevg. das Zeugnis
von Christus ermittelt, ob Rud. Bultmann — 30 Jahre
nach Adolf Jülicher — in seiner Weise den Zusammenhang
zwischen Jesus und Paulus aufweist, ob Arnold
Gilg in Auseinandersetzung mit Meinungen, die seit
! A. Ritsehl, Ad. HarnaCk, Fr. Loofs u. a. weit verbreitet
j sind, die altkirchlichen Theologen gegen den Vorwurf
der Spekulation oder Hellemsierung des Evg. in Schutz
I nimmt — wir spüren hinter den Traditionsstücken das
Kerygma, hinter verschiedenen Begriffen oder Bildern
i die gleiche SaChe, und selbst „erstarrte Dogmen" oder
I „spitzfindige" Formeln verlieren in Giilgs Betrachtung
den abwertenden Charakter des Abstrakten oder Überflüssigen
, wenn man hier nicht den Streit um theologische
Schulnieinungen samt den dazugehörigen kirchlichen
Gruppen sieht, sondern hinter ihnen das Ringen
um den jeweils notwendigen, aber stets hinter der
Größe der Sache zurückbleibenden Ausdruck des uralten
und immer wieder aktuellen Kerygmas vom Christus.
Stellt man sich lesend so ein, dann ergeben sich von
Tertullian bis zu Athanasius und den Kappadociern, ja
I bis zu Luther und Calvin — hinsichtlidi des gedanklichen
Ringens um die rechte Fassung der geglaubten
Gott-Menschheit Christi — innere Linien von einer Kontinuität
, die uns an den Satz des verstorbenen Göttinger
| Kirchenhistorikers Mirbt gemahnt, es gebe kein modernes
dogmengeschichtliches Problem, das nicht schon in
den ersten vier Jahrhunderten der Kirche gründlich
durchdacht worden sei. Man wird also jeden modernen
Theologen mit einem altkircblichen in Beziehung setzen
können, zu welchem er anlagemäßig und glaubensmäßig
innere Affinität hat; man wird aber aue'h jener voreiligen
Jugend, welche schnell von „erstarrten Dogmen"
| redet, zeigen können, daß die Ablehnung einer alten
I Formel weder von der Verpflichtung, eine bessere zu
I finden, entbindet noch als bloße Ablehnung schon ge-
| nügt; denn die geglaubte Wahrheit braucht das Gefäß
j des Wortes und der Formel, soll nicht alles gefühls-
j mäßig zerflattern. Und endlich: mögen in jedem Jahrhundert
ein Tertullian und Cyprian, Origenes und Athanasius
, Augustin und Hieronymus, Luther und Zwino-li
Schleiermacher und Hengstenberg, Vilmar und Ritschl
! oder Frank neben- oder nacheinander um die Fassung
des Kerygma ringen, sie erscheinen sofort als notwendige
Repräsentanten einer möglichen Ausdrucksform, sobald
sich der Blick von der Theologie auf das dahinter
gemeinte Glaubenszeugnis richtet. Und so können denn
— hinsichtlich dieses Christuszeugnisses — wie Wolfs
I tief grabender Aufsatz über Luther zeigt, welchem Do-