Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1937 Nr. 7

Spalte:

120-121

Autor/Hrsg.:

Koole, Jan L.

Titel/Untertitel:

Studien zum koptischen Bibeltext 1937

Rezensent:

Bauer, W.

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

119

Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 7.

120

sachlich näher an AT. und Judentum heranrückt, während
die Briefe eher seine persönliche Bindung an das
Judentum erkennen lassen. Tatsächlich gibt es keine
Brücke zwischen der Theologie des Paulus und dem
Judentum. 2) Die Heilslehre des Paulus trägt zwar
in ihrer Ausgestaltung jüdische Züge, aber gerade die
besonders anstößigen Lehren von der unbedingten Sündhaftigkeit
des Menschen und von der Sühnkraft des
Todes Christi lassen sich nicht aus dem Judentum verstehen
und sind von Juden stets abgelehnt worden.
Der ,Sündenpessimismus' aber, der dem Paulus häufig
vorgeworfen wird, ist eher als eine für den Hellenismus
charakteristische Erscheinung anzusehen. Paulus hat ihn
in der Kraft des Glaubens, der neues sittliches Leben im
Menschen schafft, überwunden. Für ihn ist der unter der
Taufgnade stehende Mensch dem Elend der Sünde und
des Todes grundsätzlich entrückt. 3) Persönlich steht
Paulus, wie ein Vergleich mit seinem Lehrer Gamaliel,
mit Philo oder mit Josephus zeigt, jenseits der im Judentum
gegebenen Möglichkeiten theologischer, religiöser
oder propagandistischer Wirksamkeit. Er erscheint als
Christusträger, dem man eine gewisse Eigenständigkeit
sogar neben Jesus zugestehen muß. Verf. knüpft damit
an die Ergebnisse seines letzten größeren Werkes: Paulus
und Christus. Ein biblisch-religionsgeschichtlicher
Vergleich, 1934, an und kommt schließlich zu folgendem
Schluß (S. 90): „Also ist es auch nicht der Jude
Paulus', auf den wir hören, sondern der vom Gott
aller Völker und Rassen berufene Bote, dem der Auftrag
geworden, das neue Evangelium, nachdem es von den
Juden als unjüdisch abgelehnt und gelästert worden war,
nun den nichtjüdischen Völkern zu verkünden".
Gießen. Georg Bertram.

Asmussen, Hans: Theologisch- kirchliche Erwägungen zum

Galaterbrief. München: Chr. Kaiser 1935. (205 S.) gr. 8U.

RM 3.S0; geb. 4.90.

Schon der Titel dieses Buches fällt in seiner Eigenart
auf. Um das Ganze zu verstehen, muß man das
11 Seiten lange Vorwort genau lesen. „Jedes erscheinende
Buch erhält seinen Charakter auch durch die Zeit
seines Erscheinens", stellt der Verf. zu Eingang fest. Es
ist Kampfzeit in der Kirche, dabei droht die Gefahr, daß
über der Lust am Kämpfen der Kampfpreis aus dem Gesichtskreis
entschwindet. „Ungehinderter Dienst am
Heiligtum" — das ist nach Asmussen der ersehnte Siegespreis
, dieser Dienst ist aber nicht auf irgendwelche
Ziele theologischer oder kirchlicher Machtpolitik, auf
Organisation oder Taktik ausgerichtet, sondern dieser
Kampf ist „unablösbar von dem Kampf um die Krone
des Lebens". Dabei spielt die Frage der Autoritäten,
auf die man sich beruft, eine große Rolle, und A. stellt
fest, daß die Heilige Schrift neben den Reformatoren
und Bekenntnisschriften eine erstaunlich geringe Rolle
spiele. Und für ihn gilt: „Aufs Luthertum oder auf
sein Gegenteil stirbt man nicht." „Selbst Luther darf
nicht zwischen uns und die Schrift treten." Und das sei
echt lutherisch: „Der Wille, sich als Theologe und als
Christ zur Schrift unmittelbar zu verhalten, ist
eines der treibenden Momente der Reformation." „Weil
ich für die Bekenntnisse kämpfe und nicht gegen sie,
wende ich mich gegen jeden Versuch, sie zu vergötzen.
Nicht sie sind Norm, Regel und Richtschnur, sondern
die Schrift. Wer sie anders behandelt, macht sie in römi
scher Weise zur Tradition." Von dieser Einstellung aus
will A. mit all denen ins Gespräch kommen, die bereit
sind zu hören, aber „nicht schon vorher wissen, was
bei einem Schriftwort herauskommen darf und muß".
Die Zahl dieser zum Hören Bereiten ist gegenüber den
schon Wissenden, über ein festes Schriftverständnis Verfügenden
gering. Kirchliche Fähnlein sind es — so sagt
der auch im Frontkampf des Weltkrieges Erprobte —
die man auch „unseres lieben Herren Landsknechte"
nennen könne. A. spürt seit Jahr und Tag, daß gerade
vom Galaterbrief ein Drängen ausgeht, daß man

i hier die Rettung findet. Wie die Kriegsgeneration, die
1918 wieder die Universitäten bezog, empfand er den
klaffenden Riß zwischen wissenschaftlichen Kommenta-
| ren und praktischer Bibelauslegung. „Beide, die doch
in einer glücklichen Ehe zusammenleben sollten, bieten
meist das Bild getrennt lebender Gatten." Die Exegesen
sind oft zu philologisch, die praktischen Auslegungen
reden fürs stille Kämmerlein, am Leben vorbei, als ob
die Erbauung ein Sonderbezirk des Gesamtdaseins sei,
in den man sich vor der Welt flüchtet. A. will auslegend
verkündigen. Da er weiß, daß wir darin an einem neuen
Anfang stehen, bietet er „Erwägungen", die man auf
der Kanzel nachprüfen möge. Als theologische sind es
zugleich kirchliche; denn man exegesiert einen Galaterbrief
nicht so wie „ein Literarhistoriker das Nibelungen-
1 lied". Für die Kirche gilt aber die Sorge, daß sie nicht
I sagt, was sie muß und deshalb Leute sterben, die um ihr
Heil betrogen sind; daß sie in Bedenklichkeiten stecken
bleibt und so tut „als ob wir das Alter der Vornoachiden
erreichten". „Schmerzlich ist es uns aufgegangen, daß
an den Waffen der Taktik ein Fluch klebt, wenn die
[ Kirche sich ihrer bedienen will." Warum ich diese Sätze
in so breiter Ausführung einem kürzeren Bericht über
den Inhalt voranstelle, ist klar. Einmal: es gibt für
j Theologen wie Pfarrer viel Ärgerliches und Seltsames
zu lesen. Sodann: Bei der Art des Verfassers zu demken
und als Ergebnis eines Demkabschnittes scharf geschliffene
, zugespitzte Worte zU formulieren, ist eine Inhaltsgabe
nicht möglich, sie müßte genau durchgeführt zur
Auseinandersetzung werden (das überschreitet den Rahmen
dieses Blattes), sie würde bei Andeutungen leicht
ein schiefes Bild geben. So genüge ein Gesamteindruok:
Neben theologisch guten Partien (z. B.lllff.; 151 — 156)
stehen Abschnitte mit kirchenpolitischer Polemik, die
wegen ihrer augenblicklichen Aktualität sehr bald „historisch
" sein werden. Mit dieser Möglichkeit rechnet der
Verfasser ja selbst. Manches, was z. B. S. 49 über die
verfehlte „Volksmission" von 1933 gesagt wird, S. 64 f.,
80 über Einstellung der Deutschen Christen, S. 152 über
die Gefahren einer „Volkskirche", wird aber grundsätzliche
Bedeutung behalten, deshalb nenne ich nur diese
Stellen. Theologen werden Gedankengänge über die
Sinaigesetzgebung und die „Volksnomoi" (132 ff.) ebenso
ärgerlich finden wie die Ausführungen über „Zwei
Kirchen" (157 ff.). Auch sonst (S. 41. 54) werden die
Theologen nicht gerade freundlich angesprochen, aber
der tiefe Ernst wird immer wieder dem aufmerksamen
Leser sein momentanes Gefühl des Ärgers oder Befremdens
vertreiben, so daß er sich hingezogen fühlt, das
Ganze zu lesen. Und nur als Ganzes beurteilt man es
I geredht. Diese Gerechtigkeit aber spricht: „Wieviel mehr
I hast du wohl aus Büchern gelernt, die dich ärgerten,
I als aus solchen, die gefällig sagten, was du schon wußtest
oder ahntest?" Und in diesem Sinne nehme man
auch dieses Buch zu gründlicher Lektüre zur Hand.
Jena. Erich Pascher.

| Koole, Lic. Jan Leunis: Studien zum koptischen Bibeltext.

Kollationen u. Untersuchen, zum Text der Paulusbriefe in der unter-
u. oberägyptischen Überlieferung. Berlin: A. Töpelmann 1936. (V,
101 S.) gr. 8°. = Beih. z. Ztschr. f. d. neutestamentl. Wissenschaft.
H. 17. RM 6—

Kooles Studien wollen den koptischen Bibeltext in
seiner unter- wie oberägyptischen Gestalt dem nth Textkritiker
in einer Form nahebringen, die es auch dem
j des Koptischen Unkundigen ermöglicht, sichere Schlüsse
| zu ziehen.

Nach einer kurzen Einleitung, aus der Notwendigkeit
und Nützlichkeit eines solchen Unternehmens hervorgehen
, gibt der erste Teil eine Kollation des Textes

| der 14 Paulusbriefe, mit denen allein es die Arbeit zu
tun hat. Zu Grunde liegt die Ausgabe Nestles; verzeichnet
werden die von ihr abweichenden Lesarten der bohai-

{ rischen (bo =unterägyptischen) und saidischen (sa=ober-
ägyptischen) Texte. Zu diesen koptischen Varianten