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Ausgabe:

1937 Nr. 5

Spalte:

89

Autor/Hrsg.:

Müsebeck, Ernst

Titel/Untertitel:

Wandlungen des religiösen Bewußtseins in der deutschen akademischen Jugend während des Weltkrieges 1937

Rezensent:

Scholz, Wilhelm

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89

Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 5.

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König Wilhelm aber übernahm den Gedanken seines )
Bruders, als er den Dombau fortzusetzen begann, ganz ]
Und gar als den Seinigen: es handelte sich auch für ihn
um ein Bruderwerk aller Deutschen aller Bekenntnisse.
Wilhelm I. blieb der Angelegenheit auch als Kaiser treu
verbunden. Im katholischen Lager dagegen war man
inzwischen anderen Sinnes geworden. So hätte auch der
Kulturkampf eigentlich das Interesse des Kaiser Königs
an dem Bau der prunkvollen Kathedrale in Köln vermindern
müssen. Aber wie Wilhelm I. alle Epochen
(= Gedenktage) des nur langsam fortschreitenden Bau-
Werkes mit königlicher Huld und Förderung begleitete,
&o wollte er auch schließlich bei der Vollendung des
Werkes, dem er nie untreu geworden war, zugegen sein.
Er wollte also die Schlußfeier am 15. Oktober 1880
zu einem großen nationaldeutschen Festakt unter seiner
Anwesenheit gestalten. Die Majorität des Staatsministeriums
mit Bismarck an der Spitze hatte sich in Anbetracht
der kirchenpolitischen Spannung, der getrübten
Beziehungen zum Vatikan, der Ausweisung des Erzbi-
schofs und der schwierigen Lage des Domkapitels gegen
die Teilnahme des Königs an dieser Schlußfeier ausgesprochen
. Der Kaiser-König aber hatte seinen Willen
durchgesetzt und selbst das Programm für die Feier,
die ja keine eigentlich kirchliche Weihefeier war, in
deren Mitte keine Messe, aber immerhin ein Tedeum
stand, ausgearbeitet. Nach diesem königlichen Programm
fand dann das Schlußfest des Kölner Dombaues als eine
Angelegenheit aller Deutschen aller Bekenntnisse statt.
Das Nähere darüber findet sich bei „Staatsminister Albert
von Puttkamer, ein Stück preußischer Vergangenheit
1828— 1Q00, hrsg. von Albert von Puttkamer" (1928, S.
116—126). —Im Übrigen weist Ritthaler im Histor.
Jahrbuch (1936: 56 S. 364) mit Recht darauf hin, daß
>,se faire sacrer l'Empereur d'Allemagne" nicht unbedingt
und allein mit „sich krönen lassen . . ." übersetzt
Werder muß. Es handelte sich um irgendeine religiös betonte
Weihehandlung, an der Wilhelm I. viel gelegen
War.

Berlin. Otto Lerche.

Miisebeck, Ernst: Wandlungen des religiösen Bewußtseins

in der deutschen akademischen Jugend während des Weltkrieges.
Berlin: Furche-Verlag 1936. (100 S.) 8°. Kart. RM 2—.

Diese Schrift enthält mehr als ihr Titel besagt.
Der könnte mit gutem Recht lauten: Wandlungen des
religiösen Bewußtseins in der deutschen akademischen
Jugend von der Zeit Schleiermachers bis zur Gegenwart
. Aber ihre Hauptstärke ist die sachgemäße Durcharbeitung
von nur primärem Quellenmaterial aus der
Kriegszeit insbesondere von 4096 ungedruckten Feld-
Postbriefen des Reichsarchivs zu Potsdam, von Brieten
aus den Sammlungen des Wingolf, des Wandervogels
u. a. Dabei zeigt sich, daß der große Gegensatz
, der heute unser religiöses Leben beherrscht, seine
erste Ausprägung während des Weltkrieges erhält in
den beiden Gegenpolen: Wandervogel und Freideutsche
Jugend auf der einen Seite, Wingolf, Schwarzburgbund,
deutsch-christliche Studentenvereinigung auf der anderen
^eite, und daß er geistesgeschichtlich zu verstehen ist
aus dem Gegensatz von Offenbarungsreligion und natürlicher
Religion. Es sind die gleichen großen Bewegungen
, die am Beginn der neuen deutschen Geschichte
stehen und Jahrhunderte hindurch um die Seele des deutschen
Volkes ringen: Humanismus und Reformatio«
natürliche Religion und Christusglaube. Gleich mir werden
alle aktiven Kriegsteilnehmer dem Verfasser dankbar
sein für seine feine und verständnisvolle Arbeit. Die
deutsche Geistesgeschichte erhält gleichzeitig einen wertvollen
Beitrag zum Verständnis ihrer selbst.
Wittenberge, Bez. Potsdam. Willi. Scholz.

cheller, Dr. Emil J.: Das Priestertum Christi im Anschluß an
den hl. Thomas von Aquin. Vom Mysterium des Mittlers in seinem
Opfer u. unserer Anteilnahme. Paderborn: F. Schöningh 1934. (448
S-) 8°. RM 7.50; geb. 9.30. I

In der nachtridentinischen Theologie des Katholizismus
spielt die Beschäftigung mit dem Priestertum Christi
und besonders die Frage nach dem Zusammenhange
zwischen seinem Opfer und seinem Priestertum eine
beträchtliche Rolle. Dazu haben, soweit ich sehen kann,
vor allem zwei Gründe beigetragen: der Protest der
Reformatoren gegen das Meßopfer und andererseits die
Betonung der Würde des Priesters, die ein besonderes
Anliegen der Jesuiten gewesen ist. In der Gegenwart
sind es vor allem die Fragen nach dem ewigen
Opfer Christi im Himmel, nach der priesterlichen Würde
Marias und nach den Grundlagen des Laienapostolates,
die die Erörterung des Problems im Gange gehalten
haben.

Der Verf. unternimmt es, die ganzen bisherigen Darstellungen
zu einer Einheit zusammenzufassen. Das wird
erstrebt durch eine philosophische Grundlegung der in
Betracht kommenden Begriffe des Priesters, des Opfers,
des Mittlers und der Anteilnahme (S. 35—82) und durch
einen Abriß der dogmengeschichtlichen Entfaltung des
Problems (S. 83—392). Das geschieht in einer so umfassenden
und ausführlichen Weise, daß die eigentlich
systematischen Darlegungen nur einen verhältnismäßig
geringen Raum einnehmen (S. 393—422). Gemäß der
Absicht des Verf. das Problem im Anschluß an den
hlg. Thomas zu behandeln, stehen dessen Ansichten in
der Mitte des Werkes und nehmen etwa ein Viertel
des ganzen Buches ein. "Der Verf. vertritt den Standpunkt
, daß das Priestertum Christi der Mittelpunkt der
ganzen Christologie des hlg. Thomas gewesen sei, und
er sucht von diesem Gesichtspunkte aus die Thomastexte
(vor allem S. th. III q. 22 und q. 26) zu interpretieren
. Aber ich glaube, daß gerade aus diesen Analysen
das Gegenteil dessen hervorgeht, was der Verf. daraus
folgert. Thomas selbst hat offenbar keineswegs die
zentrale Rolle dieses Begriffes herausgestellt, und auch
noch seine Schüler haben fast 250 Jahre gebraucht,
ehe sie sie entdeckten. Es mag zugegeben werden,
daß Thomas selbst die Sache auch „irgendwie" hat,
aber offenbar hat er das Problem noch nicht mit derselben
Klarheit gesehen wie die neueren Theologen.
Das Ergebnis der Sch.sehen Untersuchung läßt sich
folgendermaßen zusammenfassen: die eigentlich entscheidenden
Formulierungen in der Alten Kirche hat Augustin
gefunden. Die Griechischen Väter sind entweder nur
an dem Opfer Christi, nicht an seinem Priestertum
interessiert, oder aber am Priestertum Christi nur, um
das kirchliche Priestertum stärker herauszuheben. Das
liegt daran, daß die Griechen das Priestertum in den
Logos verlegen, während, wie Augustin richtig sah, es
im Menschen Jesus Christus gegründet sein muß, weil
es sonst kein mittlerisches Priestertum wäre. Das eigentlich
Neue bei Thomas liegt in der Anwendung aristotelischer
Begriffe, wie Akt und Potenz, oder werkzeuglicher
Ursache, auf das Priestertum Christi und sein
Verhältnis zu Sakrament und kirchlichem Priestertum.

Der Verf. geht wohl zu weit, wenn er meint mit
seiner systematischen Zusammenfassung die katholische
Lehre vom Priestertum Christi in ihrer endgültigen Gestalt
herausgestellt zu haben. Es bleiben offenbar noch
eine ganze Reihe von Punkten kontrovers, weil eben die
Normaltheologie des hlg. Thomas in diesem Lehrstück
nicht so bestimmt ist, daß weitere Spekulationen ausgeschlossen
wären. Man wird gewiß dankbar sein müssen
für das Maß von Scharfsinn und liebender Versenkung,
das die katholischen Theologen diesem Problem gegenüber
aufgebracht haben. Ich glaube, daß auch evangelische
Theologen Gewinn ziehen werden aus Sch.s umfassender
Darbietung des Stoffes und der allseitigen Entfaltung
des Problems. Bei der zentralen Bedeutung die
der Begriff des Priestertums Christi heute für das katholische
System hat, wird die protestantische Kontroverstheologie
(die wir lange sehr vernachlässigt haben)
allen Scharfsinn aufbieten müssen, um zu zeigen wo
der Fehler der katholischen Deutung liegt. Man wird