Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1937 Nr. 4

Spalte:

72-73

Titel/Untertitel:

Kirkehistoriske Sammlinger 1937

Rezensent:

Achelis, Thomas Otto

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

71

Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 4.

72

stattete Verfasser, — er ha<t bereits fast 8 Dezennien
seines Lebens zurückgelegt — hat die Muße seines
Emeritenstandes dazu benutzt, die Bestände des bayr.
Staatsarchives in Nürnberg eifrigst zu durchforschen.
Auf Grund derselben besonders der Ratsbücher hat
er nun seine Schilderung der Reformation in Nürnberg
aufgebaut. Er stellt sie hinein in die großen Ereignisse
der Zeit; so gibt er — Spenglers ausführlicher Bericht
legte das nahe — eine eingehende Schilderung des
Wormser Reichstages. Klar wird der Verlauf des bekannten
Nürnberger Religion sgespräcbs 1525 dargelegt;
die daraus sich ergebenden Folgerungen für die Neugestaltung
des kirchlichen Lebens beenden diesen 1. Band.

Die Politik des Rates in der Reformationszeit war
nur die geradlinige Fortsetzung seiner früheren Maßnahmen
. So jung die Reichsstadt war, mit aller Energie
arbeiteten die Geschlechter von Anfang an auf
Vergrößerung ihrer Macht und Stärke. Darin lag für
das Mittelalter auch das kirchl. Gebiet eingeschlossen.
Zeugen von diesem Geist sind die Dome von St. Sebald
und Lorenz. Auf dieser Linie liegen auch die Bemühungen
den Kult eines Lokalheiligen möglichst zu
fördern, bis man seine Heiligsprechung endlich erreichte.
Aber der Rat wollte unumschränkter Herr in seiner Stadt
sein; mit aller Macht suchte man den Einfluß des Ordinarius
, des Bamberger Bischofs, möglichst zurück-
zudämmen; man wollte exempt werden; deshalb die
Lösung der Kirchen aus den Pfarrverbänden Poppenreuth
und Fürth, deshalb die Erhebung der Pfarrer
zu Pröpsten; deshalb die Bemühungen, das Patronats-
recht über dieselben in seine Hand zu bringen. Was man
jahrhundertelang erstrebte, schien das nicht die neue
Zeit mühelos zu gewähren? Wenn auch solche Gedanken
vielfach gegenüber den rein religiösen jetzt nur
mitschwingen, mitgeschwungen haben sie doch.

Dazu ein anderes: Die Selbstbehauptung ward dem
Rate nicht leicht. Vor seinen Toren lauerte der Markgraf
, wo er die Stadt schädigen konnte. So mußte man
Bundesgenossen suchen; und man fand sie am Kaiser
und an Bayern; denn die fränkischen Bistümer Würzburg
, Eichstätt, Bamberg versagten. So war es eine
Folgerichtigkeit, daß Nürnberg ein eifriges Mitglied des
schwäbischen Bundes ward. Aber die Spannungen zwischen
Habsburg und Bayern lösten auch ihm manche
Besorgnisse aus. Immer wieder legte sich daher der
Gedanke einer Verständigung mit Brandenburg nahe.
Gerade die Gleiche in den religiösen Anschauungen,
die Aufgaben, die daraus beiden in gleicher Weise
erwuchsen, ließen im 16. Jahrhundert solche Bemühungen
nicht erlahmen. In Spengler und Vogler erstanden
die Männer, die gleiches religiöses und politisches
Vorgehen in beiden Ländern als das Ziel ihrer Politik
erkannten. Harte doch der Bund mit Bayern Nürnberg
zwar großen Landgewinn, aber auch die Feindschaft
der Pfälzer gebracht, die sich 3 Jahrhunderte später von
neuem erhob und den finanziellen Ruin der Stadt beschleunigen
sollte.

Der Verfasser stützt sich auf die Nürnberger Ratsbücher
. Es handelt sich um Niederschriften über die
Satzungen des Rates nach geraumer Zeit. Der Charakter
der Ursprünglichkeit und Originalität bleibt den
Ratsverlässen. Schade ist, daß die Reichtstagsakten mit
den Relationen der Gesandten verloren gegangen sind;
die von 1830 befinden sich im Stadtarchiv Nürnberg.
C. G. Bretschneider, Philippi Melanthonis opera, quae
super sunt omnia. Hallis SaHonum. 1834 I, CXI.

Nur eine Serie hat sich erhalten: es sind die Akten
des schwäb. Bundes; die genauen Instruktionen und Berichte
geben, wie auch Hans von Schubert konstatierte,
einen außerordentlich lehrreichen Einblick in die Tätigkeit
des Rates. Auch die Stadtrecbnungen sind verschwunden
; man hat nur immer 1 Rechnung in einem
Dezennium aufbewahrt; aber die Belege hellen manches
Dunkel auf, wenn mau sich die Mühe des Durcharbeitens
nicht verdrießen läßt. Daß sich reiches Material fast

überall z. B. in Königsberg in Preußen findet und von
einem Einzelnen gar nicht allein erhoben werden kann,
ist oben schon angedeutet. In der Münchener Staatsbibliothek
(CgM 4683) liegt ein Bericht eines Franziskaner
Mönchs Georg Klostermaier über das Gespräch
1525, der bisher nur wenig benutzt wurde; sollte nicht
auch in Rom noch manches zu eruieren sein?

Wir arbeiten heutzutage ideengeschichtlich; wir werten
die einzelnen Tatsachen als Exponenten einer Gesamthaltung
. Das mit vollem Recht. Auch die vom
, Verfasser in seinem 1. Kapitel mitgeteilten Ereignisse
sind also zu werten. Die neue Zeit bedeutete einen' völ-
I ligen Umbruch. Dem konnte ein Wilibald Pirkheimer
I oder Christoph Scheurl nicht sich erschließen. Huma-
j nismus und Reformation lagen, wie der Verfasser mit
I Recht betont, nicht auf einer Ebene. Von diesem Standpunkt
aus gilt es nun aber vom Äußeren zum Inneren
I der Nürnberger Reformation vorzudringen. In Nürnberg
wirkte ein Osiander. Es war nicht einer von den ersten
Sternen der Reformationszeit; aber gewiß unter den
Sternen der 2. Größe der erste. Sind wir nicht erst
in letzter Zeit durch die eingehenden Forschungen von
I Hirsch und Lic. Ferd. Schmidt auf die Bedeutung dieses
Mannes aufmerksam geworden? Seine Theologie
war eine originale. Bedürfte sie nicht eine klare Darstellung
, um die Nürnberger Reformation recht zu verstehen
? Sollte das Gleiche nicht für den ersten Ethiker
Venatorius gelten? Drückt sich diese originale Haltung
der Nürnberger nicht eben auch in ihren gottesdienstf.
Formen und Neueinrichtungen aus? Ja geht nicht eine
Linie zu der späteren Ablehnung der Concordienformel?
Eine Fülle von Aufgaben. Hans v. Schubert hat immer
die Selbständigkeit der Ansbacher Theologen von Wittenberg
betont; das Gleiche dürfte für Nürnberg gelten.

Der Verfasser widmet auch dem Bauernkrieg eine
eingehende Untersuchung. Mit vollem Recht. Die Stellung
des Rates zur Reformation hatte dabei eine entscheidende
Bedeutung. Sie vernichtete von vorne herein
eine Reihe von Angriffspunkten. Naturgemäß ist
darüber schon viel geschrieben zuletzt wohl von J. Kamann
(Nürnberg im Bauernkrieg Progr. d. Kreisrealschule
Nürnberg). Aber sie alle haben die wirtschaft-
j liehen Fragen weniger berührt. Es muß einmal exakt
nachgewiesen werden, wie groß die Belastung der
I Bauern im Nürnberger Gebiet vor dem Aufruhr war
I und wie sie sich darnach gestaltete. Dann erst läßt
sich das rechte Urteil über die Politik des Rates
j fällen.

An Druckfehlern sind nur wenige zu bemerken: S. 6 Z. 7 v. o.
„Nachlaß" ; S. 9 Z. 14 v. u. „Tripontinus" ; S. 21 Z. 9 v. o. „Herde" ;
S. 42 Z. 7 v. o. Luther statt Eck, s. E. L. Enders, Dr. Martin Luthers
Briefwechsel II, 215, Calw. u. Stuttgart 1882; S. 130 Z. 6 v.o. „letzte";
S. 158 Z. 8 v. u. „Pröpste" ; S. 256 Z. 7 v. u. „S" ; S. 227 Z. 11 v. u.
„Mesner"; S. 153 Z. 18 v. o. „hielten"; S. 194 Z. 9 v. o. „Cremlingen".

Von Ergänzungen sei abgesehen. Nur dürfte S. 149 die Autorschaft
Voglers am Ansbacher Ratschlag nicht den Tatsachen entsprechen,
j Bei der Darstellung der Lösung Spenglers und Pirkheiiners aus dem
I Bann sei nicht vergessen, daß der Rat die Bulle cresorge domine über-
j haupt ablehnte. (Zeitschrift für bayr. K. Q. 10, 91ff7)

Nürnberg. Schorn bäum.

! Kirkehistoriske Samlinger. Sjette Rcekke. Udgivet af Selskabet for
Danmarks Kirkehistorie ved J. Oskar Andersen. Forste Binds tredie
Hefte. Kopenhagen: Q. E. C. Qad 1935. (224 S.) 8°. Kr. 5-.

Mit diesem Hefte ist der erste Band der 6. Reihe
i dieser seit 1849 erscheinenden Zeitschrift abgeschlossen.
(ThLZ. 1933, 440). L. P. Fabricius, der Verfasser
der neuen Kirchengeschichte Dänemarks, (Th
LZ. 1936, 419) untersucht die Sage von dem in
der Schlacht bei Fellin im südlichen Estland 1208
vom Himmel gefallenen Danebrog. — Drei Aufsätze
beschäftigen sich mit der Geschichte des dänischen
Kirchenliedes. V. E. Brummer bespricht Bischof H.
P. Resens Gesänge in einer bisher unbekannten Sammlung
von 1640 und weist ihn als Verfasser oder Bear-