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Ausgabe:

1937 Nr. 3

Spalte:

47-48

Autor/Hrsg.:

Luce, H. K.

Titel/Untertitel:

B. D., The Gospel according to St. Luke 1937

Rezensent:

Michel, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 3.

48

ausführlichen Aufsatz, den er im Anschluß an die vorliegende
Ausgabe der Überlieferung unseres Buches widmen
will (S. 30), auf diese Dinge zu sprechen. Da wäre
dann etwa auch auf Samuel Kleins (Galiläa von der
Makkabäerzeit bis 67, 1928) Konjektur zu 5,23 (iv
Napßdttois statt ev 'AQßdrroic), auf meine (ZDPV 54
[1931], S. 271—78) zu 4,15 (Iouö statt 'Ioo^una,; oder
'Iouöcüac) einzugehen und auch, wiewohl sie weniger
den griechischen Text als das hebräische Original angeht
, A. Kaminkas Beobachtung (Rev. Et. Juiv. 92
[ 1932], S. 179—83) zu 1,46 festzuhalten, daß hier dem
griechischen «Yiaoua xal äyiovz ein hebräisches '^~P
trtirjjn zugrunde liege.

Stichproben der Textausgabe selbst haben mir gezeigt
, daß man sich mit Hilfe der Einleitung und der
Lesekarte schnell in Text und Apparat zurechtfindet und
daß die mit Besonnenheit und Sorgfalt vorgenommene
Textherstellung jedenfalls zumeist Gefolgschaft verdient.
Daß man in Einzelfällen verschiedener Meinung sein
kann, versteht sich ganz von selbst. So wäre zu 16,12
vielleicht zu fragen, ob das von V 46 55 311 vor dem
Nachsatz gebotene xa( nicht als ein, von den anderen
Zeugen zugunsten eines besseren Griechisch getilgter
Hebraismus zu beurteilen und dann in den Text zu stellen
ist.

Halle a.S. Otto Eißf-eldt.

Luce, H. K., B. D.: The Gospel according to St. Luke. With
introduction and notes. Cambridge: University Press 1936. (XXVI,
273 S.) kl. 8°. = The Cambridge Bible for Schools and Colleges. 6 s.
In der „Cambridge Bible for schools and Colleges"
erscheint eine neue Übersetzung und Erklärung des
Lukasevangeliums von H. K. 'Luce, die auch in der deutschen
Theologie Beachtung verdient. Eine ausführliche
Einleitung führt zunächst in die Evangelienkritik ein
(Textgeschichte, Literarkritik, Formgeschichte), dann
folgt eine Behandlung der Einzelfragen des Lukasevangeliums
selbst (Verfasser, Zeit und Quellen), ferner
eine Übersicht über das Sondergut des Lukas und zuletzt
ein Überblick über die gegenwärtige englische Literatur
. Schon in der Einleitung wird der theologische
Standpunkt des Verf. sichtbar; er ist Anhänger der
historisch-kritischen Geschichtswissenschaft, offen für
alle Fragen und Erörterungen, die den Text selbst angehen
, besonnen und vorsichtig in der persönlichen
Stellungnahme, aber auch nicht blind und gleichgültig
gegenüber der theologischen Wahrheitsfrage. Für
diese Richtung der englischen Theologie ist es bezeichnend
, daß sie sich weithin der formgeschichtlichen
Betrachtung der synoptischen Evangelien nähert, ohne
sich allerdings an ihre Einzelergebnisse zu binden. M.
Dibelius und R. Bultmann erscheinen als die Vertreter
dieser wissenschaftlichen Methode, und einzelne Werke
von ihnen werden ins Englische übertragen (1934). Fast
möchte ich meinen, daß — so begrüßenswert diese
Nachwirkungen sorgfältiger exegetischer Arbeit sind —
demgegenüber die eigentlich theologische Besinnung der
deutschen Theologie im letzten Jahrzehnt zu wenig
nachgewirkt hat. Die exegetische Fragestellung hat sich
vielfach mit Unrecht abgekapselt von der Arbeit der
systematischen Theologie und vergessen, daß auch diese
Hilfsmittel und Dienerin echten Schriftverständnisses
sein will. Ein derartiges Vergessen schadet vor allem
einem Kommentar der heiligen Schrift, der in besonderer
Weise der Kirche dienen will. Diese grundsätzliche
Erwägung ist für die englische und die deutsche
Exegese in der Gegenwart notwendig. Neben der Frage
der Formgeschichte bleibt in der Einleitung von Luce
noch das Problem des „Urlukas" offen, das Streeters
einflußreiches Werk („The four gospels" 1924) gestellt
hat und das in der englischen Theologie eigentümlichen
Anklang gefunden hat (vergl. z. B. Taylor „Berlind
the third Gospel" 1926). Der Urlukas Streeters ist
eine Verbindung von Q und Sondergut des Lukas, die
später von demselben Verfasser durch den Markus-

i stoff zu dem heutigen dritten Evangelium erweitert
i wurde. Nach Luce ist aber trotz dieses literargeschicht-
lichen Prozesses das dritte Evangelium eine theologische
Einheit, gehört mit der Apostelgeschichte demselben
Verfasser zu und ist zwischen 80—100 n. Chr.
entstanden.

In der Erklärung selbst wird Wert gelegt auf klare
Problemstellung und knappe sachliche Erläuterung von
Vers zu Vers; philologische und archäologische Einzelheiten
werden nur dort angebracht, wo sie unibedingt
notwendig sind. Theologische Exkurse werden hier und
da eingeschoben, bleiben aber auf die wichtigsten Fragestellungen
beschränkt. Daß auch drüben die Wahrheitsfrage
in der Exegese zu Worte kommen will, zeigt eine
Erörterung zu Luk. 1,11: „do you believe in angels?"
Unser Verf. antwortet mit einer kräftigen Betonung der
religiösen Erfahrung und der geistigen Wirklichkeit;
ob damit die Engelblindheit unserer Zeit wirklich getroffen
und überwunden wird, sei dahingestellt. Vielleicht
nimmt unsere Theologie die Engelfrage noch
nicht ernst genug (das gilt auch und gerade von der
deutschen Theologie!). In dem vorliegenden Rahmen
I konnte jedenfalls diese Wabrheitsfrage nicht zum Abschluß
kommen. Daß die Hinwendung der deutschen
Theologie zu einer wirklichen Erschließung des Sachgehaltes
theologischer Begriffe noch nicht nachgewirkt
hat, zeigt die Unterscheidung von &yax&v und ipiXeiv, wie
sie von Luce zu Luk. 6,27 geboten wird; hoffentlich
hilft an diesem Punkt der Einfluß des theologischen
Wörterbuches von G. Kittel auch über die Grenzen unserer
deutschen Theologie hinaus. Auch was Luce in
seinem Anhang („Additional note") über Christi Auferstehung
und allgemeine Auferstehung sagt, wird dem
Wort der heiligen Schrift und dem Bekenntnis der Kirche
nicht gerecht. Das muß offen gesagt werden, weil die
„Cambridge Bible for schools and Colleges" Anspruch
darauf macht, in einem weiteren Kreis der englischen
Kirche Gehör zu finden. Auffallend ist, daß einige wichtige
Fragen der Geschichte und Lehre Jesu in einem
„Appendix" noch besonders erörtert werden: Jesus und
sein Volk, Jesu Stellung zum Judentum, sein messiani-
sches Selbstbewußtsein und seine eschatologischen Gedanken
. Es kam dem Verf. offenbar hier darauf an,
Jesu Wort und Werk von seiner Umgebung zu lösen
und abzusetzen; allerdings wird auch diese Abgrenzung
manchem Theologen nicht genügen. Diese Einschränkung
in der Frage des grundsätzlichen Urteils soll
aber nicht den Dank für die sorgfältige historische
Untersuchung trüben.

Hailea. S. otto Michel.

Mackinn on, James: From Christ to Constantine. The rise
and growth of the early Church (c. A. D. 30 to 337).

Diese Darstellung der alten Kirchengeschichte bis zu
Konstantin schließt sich an zwei frühere Werke an, die
derselbe Verf. über Jesus (1931) und das Evangelium
des Urchristentums (1934) erscheinen ließ. Sie sind
von H. Seesemann in dieser Zeitschrift 1933 Sp.
173 f. und 1934 Sp. 344 f. angezeigt worden. Die damals
erhobenen Einwände gegen die veralteten Fragestellungen
und die „kulturoptimistische Stimmung" in
der Beurteilung der religiösen Entwicklung treffen auch
den vorliegenden Band, obschon diese Mängel hier
naturgemäß nicht immer so* auffällig hervortreten.
Der Stoff ist in 7 größere Teile gegliedert, die querschnittartig
bis zu sehr kleinen Abschnitten untergeteilt
sind. Die Darstellung schließt sich gern an die Quellen
an; oft sind die sorgsam gesammelten Zitate fast mosaikartig
aneinander gereiht. Die Anmerkungen gehen
namentlich auf literatur- und verfassungsgeschichtliche
j Dinge ein und nehmen in den Streitfragen dieser Art
; knapp Stellung. Der Verf. verrät dabei eine unverkennbare
Sachkenntnis; aber soweit ich sehe, bietet sein Buch
i gleichwohl nicht einen einzigen Gesichtspunkt, nicht das
I kleinste Argument, das die Diskussion weiter führte.