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Ausgabe:

1937 Nr. 3

Spalte:

43-46

Autor/Hrsg.:

Volz, Paul

Titel/Untertitel:

Der Elohist als Erzähler, ein Irrweg der Pentateuchkritik 1937

Rezensent:

Kuhl, Curt

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4.3

Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 3.

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durch an Bewegungsfreiheit, gewann aber den sicheren
wuchtigen Gang, und immer blieb man der eigenen Art
getreu." So bedeutet denn auch für Cicero das Beispiel
der Ahnen, sei es als Erläuterung, Vorbild, Präzedenzfall
oder Beweis, eine der kräftigsten Bindungen im persönlichen
wie im öffentlichen Leben. Je mehr man
nun den Maßstab der Vergangenheit an das Leben der
Gegenwart anlegte, umso stärker wurde bei fortschreitender
Entwicklung das Gefühl der Unzulänglichkeit
gegenüber der guten alten Zeit, und es machte sich
Verfallsstimmung breit. Im Banne dieses Gefühls steht
auch Cicero. Lassen auch die jeweiligen Umstände oder
ein gelegentlich auftretender Glaube an kulturellen Fortschritt
seine Haltung nicht ganz einheitlich erscheinen,
so ist doch im ganzen seine konservative Gesinnung so
mächtig, daß sie ihm in der Zeit der Entscheidung den
Blick für die Wirklichkeit der Gegenwart trübt. Daß
die Römer in diesem von Untergangsfurcht überschatteten
Dasein sich seelisch zu behaupten vermochten, war
nur dadurch möglich, daß in ihnen die Gewißheit ihrer
Sendung lebte. Ihre Weltherrschaft war Ausdruck ihrer
Vorstellung von der Ewigkeit, die von den heimischen
Göttern gewährleistet wurde. Cicero teilt den
Glauben an den Beruf seines Volkes und steht unter
einem kräftigen Vorsehungsglauben, aber die Frage,
wie göttliches Eingreifen und menschliches Handeln
sich abgrenzen, ist unausgeglichen. Jedenfalls greifen
göttliches und menschliches Wirken ineinander. Das
Göttliche bringt die menschlichen Kräfte zur Entfaltung,
und der Erfolg gilt als Unterpfand der Ewigkeit. Dabei
ist Cicero von der Macht des Blutes überzeugt, nicht
ohne auch der Umwelt und der Erziehung Zugeständnisse
zu machen. Aber die biologischen Ursachen des
Verfalls sind ihm nicht voll zum Bewußtsein gekommen
, weil das philosophische Denken den Staat als
Schöpfung des Geistes über Wandlungen hinweg für
unvergänglich ansah. Aus dem Glauben an die ewige
Dauer von Volk und Staat hat Cicero angesichts der
menschlichen Nichtigkeit den stärksten Antrieb zu politischem
Wirken geschöpft, das ihn auch selbst Teilnahme
an der Unsterblichkeit des Staates erhoffen ließ.

Ciceros Äußerungen verraten eine nicht immer geschlossene
Persönlichkeit. Vogt versagt es sich jedoch,
den Wandlungen und ihren Ursachen nachzugehen. Da
es ihm darauf ankommt, nicht den Menschen mit seinen
Widersprüchen darzustellen, sondern den „Sprecher seines
Zeitalters" zu Worte kommen zu lassen und das,
„was in seinem umfassenden Schrifttum als Grundanschauung
feststeht, was davon Gemeingut römischen
Denkens ist oder durch ihn dazu geworden ist", zusammenzustellen
, wird man dieser Beschränkung die Zustimmung
nicht versagen. Eine andere Behandlung mußten
dagegen die einzelnen Richtungen, die in Ciceros
Denken zusammenlaufen, erfahren; hier hat Vogt „römischen
Glauben, griechische Deutung und orientalische
Betrachtung" nachdrücklich geschieden, auch Ciceros
persönliche Überzeugung nicht unibetont gelassen. Wir
legen mit Dank dieses Buch aus der Hand, das auch
durch seine Überschrift verwandte Klänge unserer Zeit
wachruft und zum Vergleich der Vergangenheit mit der
Gegenwart auffordert.

Northeim. G. Breithaupt.

Volz, Prof. D. Paul, und Rudolph, Prof. D. Dr. Wilhelm: Der
Elohist als Erzähler, ein Irrweg der Pentateuchkritik? An

der Genesis erläutert. Gießen: A. Töpelmann 1Q33. (VI, 184 S.) gr. 8°.
= Beiheft z. Zeitschr. f. d. alttest. Wiss. 63. RM 10 — .

Zwei Untersuchungen aus verschiedenen Federn
(Volz behandelt Gen. 15—36, Grundsätzliches zur elohi-
stischen Frage; Rudolph die Josephsgeschichte) stellen
sich die gleiche Aufgabe: „den Erzähler E. aus der
Pentateuchwissenschaft zu eliminieren" und darzulegen,
„daß wir in der Genesis nur einen einzigen Erzähler vor
uns haben (den wir den Jahwisten nennen wollen),
daß vor allem der sog. Elohist kein selbständiger Er-

j zähler war, daß der sog. Elohist, wenn er überhaupt
existierte, höchstens Neuherausgeber des großen (jah-
wistischen) Erzählungswerkes war, daß in das große
ursprüngliche (jahwistische) Erzählungswerk (sei es von
einem sog. Elohisten, sei es von einem deuteronomi-
stischen Redaktor) einzelne Abschnitte aus bestimmten
Erwägungen heraus eingefügt wurden" (S. 13). Diese
i Gedanken sind an sich keineswegs neu. Gegenüber der
i Entwickelungslinie, die von Ilgen, de Wette und Hupfeld
| bis hin zu Procksch, „Das nordnebräische Sagenbuch, die
Elohirnquelle" und den neueren Kommentaren von Gun-
kel und Procksch und der Hexateuch-Synopse von Eiß-
i feldt führt, ist in neuerer Zeit, besonders von A. Kloster-
! mann, Dabse, Wiener, Eerdmans und Lohr, immer entschiedener
gegen die ganze Quellenscheidungstheorie
Widerspruch erhoben worden. Auch Volz hatte bereits in
| ThLZ. 1923 Sp. 390 f. gewichtige Bedenken metho-
I discher Art — allerdings ohne den nötigen Widerhall
zu finden — angemeldet und sich positive Gegenaus-
| führungen vorbehalten. Über sie wollte er gemeinsam
mit Rudolph auf fachwissenschaftlichen Tagungen in
Leiden und Königsberg schon vor Jahren referieren.
! Da dies aber durch die Ungunst der Verhältnisse ver-
j eitelt wurde, entschlossen sich die Herren Verfasser,
deren jeder — worauf ausdrücklich hingewiesen sei —
„seine Ausführungen ganz selbständig und, ohne die des
andern zu kennen, gemacht hat", zur Drucklegung.

In einem allgemeinen Teil (S. 1—25) behandelt
Volz nach einem kurzen geschichtlichen Rückblick
über die Geschichte der Pentateuchkritik die besondere
j Methode der Quellenscheidung: 1. So ist nach Volz die
Annahme zweier paralleler selbständiger Erzählungs-
! werke mit Erzählungen fast gleichen oder ähnlichen
I Inhalts in hohem Maße unwahrscheinlich (vgl. auch
, Sellin, Einleitung § 7), wie auch das Bild-, welches die
| Quellenkritiker von der Tätigkeit der Redaktoren entworfen
haben, durchaus widerspruchvoll ist (S. 14;
vgl. auch Kegel, W. Möller). 2. Die Beweiskraft des
I Sprachgebrauchs, wie denn für J und E ein bestimmter
„Sonder-Sprachschatz" herausgearbeitet worden ist, hat
nach Volz keine Bedeutung. Lassen sich doch bei dein
j geringen Umfang an Literatur und der Armut des
i Hebräischen nur ganz wenige Sprachinerkmale (Gottes-
| namen; verschiedene Bezeichnung für „Magd" J: nnDnj,
I E: n":x; J: Kanaaniter, E: Amoriter; ab Kap. 32 J:
Jsrael, E: Jakob) finden, deren Wert aber dadurch illu-
j sorisch wird, daß ihre Verwendung sich keineswegs
i immer mit der Quellenanalyse deckt (S. 15—19). Auch
die Bestimmung der Geistesart der Erzähler (Beurteilung
des Gefühlsmäßigen) und die Verteilung der verschie-
i denen Gottesbegegnungen sind, weil zu äußerlich, abzulehnen
(S. 20—21). 3. Ebenso wendet sich Volz gegen
den Sondermaßstab, den man abweichend von der sonst
in der A. T.lichen Wissenschaft üblichen Methode anzu-
j wenden gewohnt ist bei Varianten, Wiederholungen,
Widersprüchen usw. Zu ihrem Verständnis sei es notwendig
, die antike, besonders die orientalische Erzäh-
j lungsliteratur zu untersuchen und von da aus die Gesetze
für den Pentateuch-Tirzählungsstil zu ergründen. Es
J werde sich dann manche Eigentümlichkeit aus dem münd-
| liehen Vortrag erklären, anderes als Glosse oder Zusatzabschnitt
, wie es auch durchaus glaubhaft erscheine,
daß der eine große Erzähler (Sammler) mehrere Varianten
derselben Erzählung aufgenommen habe (vgl.
das zweimalige Speisungswunder im N.T.), während
endlich Fremdes und Widersprechendes vielleicht auf
I Überarbeitung und Neuherausgabe zurückzuführen seiii
wird (S. 21—24). 4. Schließlich habe die Forschung
! über der Quellenscheidungsarbeit eine weit wichtigere
| Aufgabe vernachlässigt: „das Aufspüren des religiösen
I Gehalts und das Anschauen der künstlerischen Pracht"
| der üenesiserzählungen (S. 24 f.).

Der besondere Teil (S. 25—134) behandelt mm
| im einzelnen Kapitel 15—35 und sucht in eingehender
! und sorgfältiger Auseinandersetzung mit den für die