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Ausgabe:

1937 Nr. 2

Spalte:

33-34

Autor/Hrsg.:

Hufnagel, Alfons

Titel/Untertitel:

Studien zur Entwicklung des thomistischen Erkenntnisbegriffes im Anschluss an das Correctorium "quare" 1937

Rezensent:

Piper, Otto A.

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33

Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 2.

34

Hufnagel, Dr. theol. Alfons: Studien zur Entwicklung des
thomistischen Erkenntnisbegriffs im Anschluß an das Cor-
rectorium „Quare". Münster i. W.: Aschendorffsche Verlagsbuchh.
1935. (VIII, 131 S.) gr. 8°. = Beitr. z. Gesch. d. Philosophie u.
Theologie d. Mittelalters. Bd. XXXI, 4. RM °-2<>-

Das letzte Viertel des 13. Jahrhunderts ist in der
Theologie und Philosophie in erster Linie in Anspruch
genommen durch den sog. Correctorienstreit. Die durch
Thomas Aquinas vollzogene Vereinigung christlicher Tradition
mit dem Aristotelismus wurde sowohl von seinem
augustinisch gesonnenen Ordensgenossen wie vor allem
von den in der Nachfolge Bonaventuras stehenden Franziskaner
angegriffen. Ihren ersten Niederschlag fanden
diese Angriffe in dem sog. Correctorium fraris Thomae
des Wilhelm de la Mare vom Jahre 1278, einer Schrift,
die nach der Meinung unseres Verf. wohl mehr eine
Kodifikation der Einwände der Oxforder Franziskanerschule
als eine originelle Leistung ist. Von thomisti-
schcr Seite erwiderten eine Reihe Gelehrter; am wichtigsten
ist das Correctorium Corruptorii Quare, vielleicht
von Richard Clapwell als Sprecher der Oxforder
Dominikaner-Schule verfaßt. Ähnliche Oedanken entwickelte
Johannes Quidort von Paris. Ein etwas späteres
Stadium der Polemik liegt in einer Berliner Hs. vor, die
den Titel Correctorium Summae S. Thomae trägt (vom
Verf. als Contraoorruptorium = Cc. bezeichnet), Hufnagel
hält diese Schrift anderen Forschern gegenüber für das
Werk eines einzelnen Franziskaners vom Ende des 13.
Jahrhunderts. Daß sie kaum Wilhelm de la Mare zum
Verf. haben kann, machen H.s vergleichende Analysen
sicher.

H. greift aus dem ganzen Corruptorienstreit die Er-
Itenntnislehre heraus. Durch Nebeneinanderstellen der
ursprünglich thomistischen Lehre, der Kritik Wilhelms,
der Replik Richards und der erneuten Angriffe der
Wilhelmpartei, sowie der notwendig gewordenen Modifikationen
ihrer Stellung im Cc. ergibt sich ein lebendiges
Bild geistiger Bewegung im ausgehenden 13. Jahrhundert
. Die zunehmende Rezeption des Aristotelismus,
zugleich aber auch die Vorbereitung des Skotismus und
seines scharfen Gegensatzes gegen den Thomismus wird
deutlich. Richard Clapwell, der Verteidiger des Hlg.
Thomas, entpuppt sich als ein wenig selbständiger Geist,
der sich im wesentlichen auf die orthodoxe Darlegung
des thomistischen Lehrsystems beschränkt. Da, wo er
eigene Meinungen wagt, bedeutet er im allgemeinen,
wie auch der Verfasser zugibt, einen Rückschritt gegen
Thomas. Der Verf. des Contracorruptoriums neigt insofern
zu einer Synthese zwischen Wilhelm und Thomas,
als er Unklarheiten Wilhelms preisgibt, offenbar auch
die aristotelische Terminologie in weiterem Umfange
als jener sich zu eigen macht. Dagegen bleiben die
sachlichen Gegensätze weiter bestehen. Der Verf. geht
in seiner Darstellung vom thomistischen Erkenntnisbe-
griff aus und behandelt dementsprechend zunächst Jas
Problem der Erkenntnis als Seinsproblem und die Möglichkeit
von göttlicher Erkenntnis zu reden (S. 8—15).
Der erste Hauptteil erörtert dann die Voraussetzungen
des Erkenntnisaktes (S. 15—60), der zweite das Wesen
des Erkenntnisäktes (S. 61 — 107), ein kurzes abschliessendes
Kapitel ist dem Ergebnis des Erkenntnisaktes
gewidmet (S. 108—122). In jedem der 17 Abschnitte
werden die Gesichtspunkte der verschiedenen Polemisten
nebeneinandergestellt. Diese Einteilung und Methode
ist geschichtlich insofern berechtigt, als die Theologie
des Hlg. Thomas den Ausgangspunkt der Auseinandersetzungen
bietet. Sie hat aber den Nachteil, daß man infolge
des Auseinanderreißens der Probleme nirgends ein
klares Gesamtbild von den Einwänden Wilhelms oder
des Cc. erhält; ja der Verf. scheint daran weniger interessiert
zu sein als an dem Nachweis, daß trotz allem
1 homas der große Normaltheologe und -Philosoph sei.
;Jas systematisch-apologetische Interesse überwiegt das
geschichtliche. Damit hängt dann auch zusammen, daß
die im übrigen so klare und sorgfältige Arbeit nirgends
versucht zu den Motiven vorzustoßen, aus denen heraus

die Kritik Thomas' erfolgte. Wilhelm erscheint daher
im wesentlichen als unklarer Denker. Vielleicht hätte
eine tiefergehende Analyse ergeben, daß die beiden vorliegenden
Ansätze des Erkenntnisproblems auf gewissen
Antinomien der Subjekt-Objektbeziehung beruhen, die
sich theoretisch nicht mehr zum Ausgleich bringen lassen
, sobald erst einmal das Problem der Erkenntnis

| Gottes ernstlich in den Blick getreten ist.

I z. Zt. Bangor, N. Wales._Otto A. Piper.

Baer, Fritz: Die Juden im christlichen Spanien. Erster Teil.
Urkunden und Regesten. 2. Bd.: Kastilien, Inquisitionsakten. * Berlin :
Schocken-Verlag 1936. (XVI, 596 S.) gr. 8°. Geb. RM 20—.

Der zweite Band der großen Baer'schen Urkunden-

■ Sammlung über die Juden im christlichen Spanien erscheint
zu einer Zeit, da von neuem ein Stück spani-

i scher Geschichte mit Blut, und Tränen geschrieben wird

I — jetzt freilich nicht wie damals mit jüdischem, sondern

) mit christlichem Blut — und da für das Judentum sich
im allgemeinen wiederholt, was sich damals auf dem

l Boden Spaniens abspielte: sein jäher Sturz nach einer
Periode geistiger und wirtschaftlicher Blüte. Man muß
es als eine glückliche Fügung ansehen, daß Verf. sein

! Material in den Archiven von Madrid, Simancas, Valla-

1 dolid u. a. O. noch vor Ausbruch des Bürgerkrieges
in Spanien hat sammeln können, dessen Zerstörungs-

i wut ja leider auch so manches wertvolle historische
Urkundenmaterial anheimfallen dürfte.

Die vorliegende Sammlung bringt Urkunden über die
Geschichte der Juden von Kastilien (wie die erste über
diejenige von Arragonien und Navarra): über ihre rechtlichen
, kulturellen und religiösen Verhältnisse aufgrund

I von königlichen Erlassen, Prozeßakten, Kontrakten und
dergl., umfassend die Zeit vom 11. bis Ende des 15. Jahrhunderts
. Und sodann im 2. Teil Inquisitionsakten aus
der Zeit von 1464 bis 1530, in der Hauptsache Prozesse
gegen Conversos (die sogen. Marranen) enthaltend. Da
die Akten im spanischen Wortlaut wiedergegeben sind,

] ist eine genauere Einsicht und Beurteilung natürlich
nur dem Sprachkundigen möglich. Doch leitet Verf.
sie meist mit einem kurzen Hinweis auf ihren Inhalt
ein. Auch stellt er einen darstellenden Band der Geschichte
der Juden in Spanien in baldige Aussicht, der
das Material der beiden ersten Bände sowie eines noch
in Vorbereitung befindlichen Bandes polemischer Schriften
von Juden und Christen aus dem spanischen Mittelalter
yerwerten wird. Wir dürfen diesem Bande, der
die Arbeit des jüdischen Gelehrten über eine der bedeutendsten
Epochen der jüdischen Geschichte zum Abschluß
bringen wird, mit Spannung entgegensehen. Er
wird ohne Zweifel wichtige Beiträge zur Beurteilung des
Judentums im allgemeinen aufgrund historischer Dokumente
bringen. Dem Schocken-Verlag gebührt besondere
Anerkennung für die sorgfältige Herstellung und
vornehme Ausstattung des Bandes, wie sie dessen Werte
entspricht.

Eversen.___Otto von Harling.

Gunzert, Walter: Das Hagenauer Kirchenieben im ausgehenden
Mittelalter. Frankfurt a. M.: Moritz Diesterweg 1936. (XII,
97 S.) gr. 8°. = Schriften d. Wiss. Instituts der Elsali-Lothringer im
Reich a. d. Univ. Frankf. N. F. Nr. 16. RM 3.30.

Wir haben kürzlich bei Besprechung des Buches
von Jos. S c h m i d 1 i n über die Rekatholisierung des
| Elsasses (vgl. Theol. Lit. Ztg. 1936 Nr. 19) darauf
| hingewiesen, daß es durchaus notwendig sei, das Verhältnis
von Bürgerschaft zur Geistlichkeit, von Stadt
zur Kirche im ausgehenden Mittelalter genauer zu beobachten
. Erst wenn die örtlichen Verhältnisse dieser
Art genau geklärt sind, wird man den Wert und den
I Wahrheitsgehalt der jeweiligen Gravamina beurteilen
können. Als ein solcher erwünschter Beitrag zur Klärung
! des Verhältnisses von Bürgerschaft zur Geistlichkeit ist
j das auf Hagenau beschränkte Buch Gunzerts in erster
Linie zu begrüßen und zu werten.

In der abschließenden Zusammenfassung S. 94 sa<rt
I Gunzert: „Das unklare, doch rastlose Suchen nach einem