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Ausgabe:

1937 Nr. 26

Spalte:

471-472

Autor/Hrsg.:

Furlani, Giuseppe

Titel/Untertitel:

La religione degli Hittiti 1937

Rezensent:

Soden, Wolfram

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Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 26.

472

form. Auch im folgenden Abschnitte werden diese Ausführungen
mehrfach ergänzt; vor allem aber handelt es
sich hier um eine Untersuchung des Ahnenkults. Zunächst
der häusliche findet bei der Geburt, Mannbar-
keitserklärung und Heirat von Mitgliedern der Sippe
statt; in ihm erscheinen die Ahnen als Helfer, Spender
der Fruchtbarkeit und Wahrer der Stammessitte. Gefürchtet
werden nur diejenigen, die eines unnatürlichen Todes
gestorben sind und die einer fremden Sippe angehören
; sonst gelten die Ahnen als den Überlebenden
freundlich gesinnt. Weiterhin der öffentliche Ahnenkult
wird denjenigen, die besondere Leistungen aufzuweisen
hatten, erwiesen, also Häuptlingen, aber auch
tapferen Kriegern, Zauberern, sowie den ersten Siedlern,
die zugleich als Kulturbringer betrachtet und durch Holzfiguren
oder Steine repräsentiert werden. Während der
häusliche Ahnenkult, so zeigt der dritte Abschnitt, ursprünglich
von dem Familienoberhaupt ausgeübt wurde,
tun das bei dem öffentlichen die Priester, die nun auch
die im Volk nicht sehr verbreitete Mythologie ausbildeten
. Zusammenfassend wird endlich der Ahnenkult
als die ältere Religion bezeichnet; die Fruchtbarkeitskulte
dagegen seien erst später von Westen her eingedrungen
. Eine ältere ostwestliche Strömung glaubt der
Kustos an dem Leipziger Völkermuseum, Dr. Damm
in einer noch unveröffentlichten Arbeit, die Böhme bereits
benutzen durfte, nachgewiesen zu haben, und auch
dieser selbst plant eine größere Arbeit über die gesamte
religiöse Kultur Mikronesiens. Wir dürfen ihr mit Spannung
entgegensehen, und zunächst ist die neue Serie
mit diesen beiden Arbeiten aufs vielversprechendste eröffnet
worden.

Bonn. Carl Clemen.

Furlani, Giuseppe: La religione degli Hittiti. Bologna: N.
Zanichelli 1936. (XX, 431 S.) 8°. = Storia delle Religioni XIII. L. 20-.
Als 13. Band der reichhaltigen und erstaunlich wohlfeilen
Storia delle religioni legen uns Herausgeber und
Verlag hier eine Darstellung der Religion der Hethiter
vor, die ein ganz besonders schwieriges Thema zu
meistern sucht. Bilden doch die indogermanischen
Hethiter in dem von ihnen geschaffenen kleinasiatischen
Reich nur eine führende Minderheit, unter deren Herrschaft
verschiedene andere Völker wie die stammverwandten
Luwier, die sog. Protochattier, die Churrier
und andere für ihre untereinander grundverschiedene
Art Lebensraum suchten. Die sehr zahlreichen religiösen
Texte des hethitischen Archivs von Boghazköi-Chattu-
sas geben uns ein getreues Spiegelbild des bunten Völ-
kergemisehs des Hethiterreiches, da in ihnen die verschiedenartigsten
religiösen Anschauungen zu Worte
kommen. Alle Bemühungen, ein klares Bild von dieser
Mannigfaltigkeit zu gewinnen, müssen zudem noch der
Tatsache Rechnung tragen, daß in der hethitischen Religion
stärkste Einflüsse sowohl seitens der Sumerer
als auch der Babylonier erkennbar sind, die sich, auf
die in babylonischer Keilschrift geschriebene Literatur
naturgemäß besonders stark auswirken. Mit Rücksicht
auf die damit angedeuteten Schwierigkeiten, zu denen
als weitere unser noch lange nicht vollkommenes Verständnis
der hethitischen Sprache kommt, sind die
Hethitologen bisher vor einer monographischen Behandlung
der hethitischen Religion zurückgeschreckt; lediglich
A. Götze hat in seiner Kulturgeschichte Kleinasiens
(vgl. dazu TLZ. 1936,83 ff.) eine auf genauer
Quellenkenntnis gründende umfangreichere Skizze dieses
Gebietes versucht. Wenn G. Furlani, dem wir
u. a. einen nützliehen Überblick über die babylonische
Religion in Band 6 und 9 der gleichen Sammlung
verdanken, nun gleich eine für weitere Kreise bestimmte
ausführliche Darstellung wagt, so zeigt sich beim Lesen
bald, daß er sich der Schwierigkeiten einer solchen
Aufgabe gar nicht wirklich bewußt ist. Die Gründe
dafür sind verschiedener Art. Einmal läßt ihn seine
allzu rationalistische Betrachtungsweise an das tiefere

Wesen einer Religion überhaupt nicht herankommen,
so daß ihm die für uns vorläufig noch gegebene Un-

j fähigkeit, den besonderen Charakter hethitischer, pro-
tochattiseher usw. Religiosität zu bestimmen, als schwe-

I rer Mangel gar nicht fühlbar wird. Für ihn erscheinen
die Religionen des Orients in den wesentlichen Zügen
eines Geistes (vgl. die Einleitungen zu den Kapiteln
3, 4, 10, 12 usw.), weil ihnen manche äußere Züge
gemeinsam sind; daß der Geisteines hethitischen Rituals
z. B. ebenso wie seine Form von ganz anderer Art

I ist als der eines babylonischen oder ägyptischen Rituals
, entgeht ihm daher (vgl. S. 228 ff.). Ein weiterer

i schwerer Mangel des Buches ist, daß in ihm nur sei
es im Ganzen, sei es innerhalb von philologischen Kommentaren
teilweise bearbeitete Texte benutzt sind;
auf diese Weise ist ein sehr großer Teil der veröffentlichten
Quellen außer Betracht geblieben, obwohl die
zahlreichen Zitate nach den Originalausgaben der Texte
den . Eindruck erwecken könnten, als seien diese selbständig
durchgearbeitet worden. Dieser Mangel wird
noch empfindlicher dadurch, daß die benutzten Vorlagen,
zumal wenn sie älteren Datums sind, natürlich nicht
gleichwertig sind. In den philologischen Kommentaren
zu findende Hinweise auf unbearbeitete Texte sind in
Unkenntnis dieser gelegentlich sogar mißverstanden: so
wird dem sonst nicht näher behandelten Mythus, in dem
der Gott Kumarpis eine Rolle spielt, eine zentrale
Stellung unter den hethitischen Mythen lediglich infolge
der falschen Deutung einer Bemerkung von J. Friedrich
zugeschrieben.

Diese Bemerkungen, die, ohne in Einzelheiten zu
gehen, lediglich die grundsätzlich bedeutsamen Schwächen
des Buches herausheben, werden, denke ich, genügen
, um vor seiner unkritischen Benutzung nachdrücklichst
zu warnen; es vermittelt weder ein dem
heutigen Stand der Forschung entsprechendes Gesamtbild
von den Religionen des Hethiterreichs noch auch
ist es im einzelnen zuverlässig, da die Stoffauswahl,

i die es bietet, recht zufällig ist. Von einigem Nutzen
wird es lediglich denen sein können, die die in. ihm
gegebenen Quellenhinweise zum Ausgangspunkt eigener
Arbeit an den Texten zu nehmen vermögen; diese werden
dankbar bemerken, daß F. manche wertvolle Beobachtungen
anderer, die an Stellen stehen, wo man, sie
zunächst nicht sucht, hier leichter zugänglich gemacht

j hat. Alle anderen tu/n gut, sich vorläufig auch weiter-

| hin an Götzes oben genannte Darstellung zu halten und

I F.s Buch höchstens für einige ergänzende Inhaltsan-

I gaben von Texten heranzuziehen.

Müssen wir so F.s Buch als Ganzes ablehnen, so
soll dem Fleiß, mit dem die Literatur zweiter Hand
hier ausgezogen und geordnet ist, doch die gebührende
Anerkennung nicht versagt werden. Nützlich sind das

i Register und das Literaturverzeichnis, wenn in letzterem
auch die einschlägigen Arbeiten anderer weit weniger
liebevoll berücksichtigt sind als die von F. selbst; A.

| Moortgats grundlegende Arbeiten über die hethitische
Kunst z. B. sind gar nicht genannt.

! Oöttingen. W. von Soden.

Hirsch, Emanuel: Das vierte Evangelium in seiner ursprünglichen
Gestalt verdeutscht u. erklärt. Tübingen: J. C. C. Mohr 1936. (VIII,
466 S.) 8°. RM 6-; geb. 7.50.

I Ders.: Studien zum vierten Evangelium. (Text, Literarkritik, Entstehungsgeschichte
.) Tübingen : J. C. B. Mohr 1936. (VIII, 190 S.) gr. 8°.
I = Beiträge zur historischen Theologie. H. 1. RM 10.90; geb. 12.70.

Wer die literarkritischen Bemühungen um das 4.
| Evangelium seit etwa einem Menschenalter im Zusammenhang
überblickt, wird zu der Feststellung kommen
müssen, daß seit den Untersuchungen Julius Wellhausens
, Friedrich Spittas, H. H, Wendts und Ed. Schwartz's
j eine rückläufige Bewegung zugunsten ursprünglicher
! Einheitlichkeit trotz anerkannter Verwendung von Tra-
j ditionsstoffen eingesetzt hatte. Gerade im Gegensatz
I zur Traditionsgeschichte der synoptischen Evangelien,
| deren Verfasser immer mehr zu Sammlern und Redak-