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Ausgabe:

1937 Nr. 26

Spalte:

470

Autor/Hrsg.:

Vergiat, Antonin M.

Titel/Untertitel:

Moeurs et coutumes des Manjas 1937

Rezensent:

Clemen, Carl

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469

Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 26.

470

Hartmann, Elisabeth: Die Trollvorstellungen in den Sagen
und Märchen der skandinavischen Völker. Stuttgart: W. Kohlhammer
1936. (XIX, 222 S.) 8°. = Tüb. germanist. Arbeiten. 23. Bd.
Der Sonderreihe 4. Bd. RM 9—.

Man kann in Schweden häufig den Ausdruck hören,
an diesem oder jenem Platze gebe es „stärkt rä",
starkes Numen oder Mana, und Gesichts- oder Gehörseindrücke
, die man an diesen Plätzen erhält, werden
mit den mythischen Gestalten von Wasserpferden, Meerfrauen
, Hauskobolden und Huldremädchen in Verbindung
gebracht. Das westnordische Huldrevolk steht
den keltischen Elfen noch nahe, aber je weiter wir
nach Osten kommen, desto finsterer, abschreckender
werden diese Gestalten, bis wir in den häßlichen Trollen
des südöstlichen Schwedens den krassesten Gegensatz
zu den leichten, luftigen „sidhe" finden. Das feindselige
Wesen der schwedischen Trolle (im Gegensatz
zu den „vättar") kommt in der Vorstellung zum Ausdruck
, daß sie Vieh und Menschen rauben (Wechselbalg).
Aber auch Erwachsene werden nach skandinavischem
Glauben von diesen Wesen in Berge entführt (sog.
Bergtagning). Da sie auch mit Menschen Kinder zeugen
sollen, wird ihre Ableitung von den Totengeistern
von der Verfasserin zurückgewiesen.

Hartmann findet die Wurzel der Wechselbalgvorstellungen
in den Fieberhalluzinationen der Wöchnerinnen,
während sie die Bergtagningsvorstellung daraus ableitet
, daß es primitiver Denkweise schwer begreifbar sei,
wenn ein junger, frischer Mensch plötzlich krank werde.
Kennzeichnend für norwegische Bergtagningssagen ist
jedoch das Vorherrschen des erotischen Moments. Die
Erlebenden sind hierin vorwiegend junge Menschen,
die sich in der Einsamkeit ihrer Berge derartigem Gedanken
hingeben (Sage von der Sennerbraut). So wird
richtig überall die allgemein-psychologische Grundlage
herausgearbeitet, die Eidetik aber gemäß ihrem reproduktiven
Wesen für den Ursprung der Trollvorstellung
ebenso zurückgewiesen wie die Theorie von Hylten-
Cavallius, die aus der sprichwörtlichen Häßlichkeit der
Trolle, die als klein und schwarzhaarig gelten, den
Schluß zieht, daß es sich um Erinnerungen an eine ältere
Rasse handele.

Wenn jedoch aus der Tatsache, daß in der altnordischen
Literatur sich ein Hinweis auf die Bergtagnings-
sage nur im 12. Kapitel der Ynglinga-saga fände, wie
aus dem Hervortreten des kirchlichen Elements beim
Bergtagning der Wöchnerinnen (Rolle der Aussegnung)
der Schluß auf mittelalterliche Entstehung gezogen wird,
verkennt Hartmann, daß gerade der Norden die gemeingermanische
Tradition am reinsten und vollständigsten
bewahrt hat. Kennen doch aucli isländische Volkssagen
den Verkehr zwischen Menschen und übernatürlichen
Wesen, der in der mittelalterlichen Vorstellung unter
den Namen des Inkubus und Sukklubus erscheint. Weil
diese auf Traumerlebnissen beruht, findet sie sich so gut
wie überall in der Weit. So z. B. sind nach chinesischem
Volksglauben Witwen, junge Gattinnen alter Männer und
junge Mädchen die Beute des lüsternen Ma-kue, der neben
menschlicher Gestalt auch die Form von Tieren
oder Ungeheuern annehmen kann (A. Gervais, Im
Schatten des Ma-kue). Hier zeigt sich bei der
Verfasserin ein ungenügender religionsgescbichtliicher
Unterbau, der auch darin deutlich wird, daß sie das
Bergtagning der Wöchnerinnen mit dem Gedanken der
Initiation in Zusammenhang bringt. Gewiß ist die Geburt
auch ein Übergang in einen neuen Lebensabschnitt,
aber vorherrschend ist der Gedanke der Unreinheit, der
weit stärker als in den alttestamentlichen Vorschriften
in der Isolierung der Wöchnerin bei den Primitiven zum
Ausdruck kommt. Wenn der Brauch, zu bestimmten
Zeiten die Kirchenglocken zu läuten, rationalistisch und
praktisch erklärt wird, daß die Menschen nicht in die
'rre gehen, wird der ätiologische Charakter unserer
Kehrwiedersage oder des Katharinenläutens verkannt,
dessen apotropäischen Hintergrund ich nachgewiesen

habe. Abgesehen von diesem Mangel besitzt die Verfasserin
durchaus das Rüstzeug, das eine solche großangelegte
Untersuchung voraussetzt und hat mit ihrer er-
I schöpfenden Auswertung der Quellen und Literatur alle
I wesentlichen Gesichtspunkte berücksichtigt, so daß ihre
fleißige Arbeit einen festen Platz im volkskundliichen
! Apparat erhalten und behaupten wird.

Quakenbrück. H. Vorwahl.

Vergiat, A. M.: Moeurs et Coutumes des Manjas. Paris:
Payot 1937. (326 S., 90 Abb., 24 Taf.) 8°. = Bibliotheque Scienti-
fique. Fr. 40—.

Das vorliegende Buch bildet die Fortsetzung einer
voriges Jahr vom gleichen Verfasser veröffentlichten
Untersuchung: Les rites secrets des primitijs de
l'Oubangui in dem französischen Äquatorialafrika, wo
auch der kleine Stamm der Manja wohnt. Das neue
Buch ist in seiner ersten Hälfte, die deren Sitten und Gebräuche
behandelt, wesentlich ethnographischen Inhalts;
I von religionsgeschichtlichem Interesse siind nur, wenigstens
zum Teil, die Ausführungen über die Gewohnheiten
nach einem Todesfall (S. 65 ff.) und zu Jahresbeginn
(S. 146 ff.), sowie über die Praktiken der Medizinmänner
(S. 157 ff.) und die Einweihungen in die Altersklassen
und geheimen Gesellschaften (S. 197 ff.). Andrerseits
unter den Erzählungen und Legenden, die der
zweite Teil bringt, mögen hier diejenigen über den Ursprung
des Todes (S. 216f.) und des Gottesgerichts
(S. 271ff.) erwähnt werden.

Bonn. Carl Clemen.

Hildebrand, Dr. Eugen: Die Geheimbünde Westafrikas als
Problem der Religionswissenschaft. Leipzig: Jordan & Gramberg
1937. (170 S.) 8°. RM. 7.—.
Böhme, Dr. Hans Heinrich: Der Ahnenkult in Mikronesien.
Leipzig: Jordan & Gramberg 1937. (VI, 124 S.) 8°. RM 4.50.
Diese ersten beiden Bände einer von Prof. F. R.
Lehmann in Leipzig herausgegebenen neuen Serie stellen
Doktordissertationen zweier Schüler von ihm dar. Die
erste von ihnen grenzt zunächst ihr Thema als ein
religionswissenschaftliches gegen dessen Behandlung
vom Standpunkt der Ethnographie und Ethnologie ab
und läßt schon hier die westafrikanischen Geheimbünde
erst nachträglich mit den Pubertätsriten sich verbinden.
Weiterhin werden die Quellen für jene aufgezählt, wobei
unter den eignen Berichten über sie vielleicht auch
das vorige Jahr erschienene Buch von Vergiat, Les rites
secrets des primitifs de l'Oubangui hätte erwähnt werden
können. Nach einigen Bemerkungen über die Verbreitung
der Geheimbünde in Afrika und ihr verschiedenes
Alter werden dann ihr Objekt und Subjekt besprochen
, d. h. das ihnen gemeinsame religiöse oder
magische Element und ihre verschiedenen Aufgaben,
sowie Geschlecht, Alter und soziale Stellung ihrer Mitglieder
. Eingehend werden weiterhin die drei Bünde
des Poro, Sande und Yehwe beschrieben, dann aber eben
die wesentlich religiös orientierten Bünde und bei ihnen
außer ihrer Organisation vor allem das dreifache Erlebnis
des Todes des alten Menschen, des Zustandes nach
diesem Tode und der Wiedergeburt. Dabei zeigt es sich,
daß in die Geheimbünde vielfach noch andere Elemente,
die doch nicht verallgemeinert werden dürfen, eingedrungen
sind; als ihr Urbild aber wird „der religiöse
Geheimbund, besonders der den Tod des alten Menschen
und eine Wiedergeburt vermittelnde" bezeichnet. Damit
hat Hildebraud gewiß recht, wenn auch jene Veränderungen
zunächst wohl bei den Pubertätsriten erlebt wurden.

Die Arbeit von Böhme schildert nach einem Überblick
über die Quellen für die Religion Mikronesiens in
einem ersten Abschnitt unter der Überschrift: Grundlagen
des Ahnenkults die beiden dort üblichen Formen der
Bestattung, die Erd- und Seebestattung, die namentlich
bei und nach der ersteren sonst noch üblichen Ge-
j bräuche, die Vorstellungen von der gefährdenden oder
! umgekehrt fördernden Wirkung des Leichnams, von dem
I Aufenthalt der Toten und endlich von ihrer Existenz-