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Ausgabe:

1937 Nr. 24

Spalte:

444-445

Autor/Hrsg.:

Schurr, Viktor

Titel/Untertitel:

Die Trinitätslehre des Boethius im Lichte der "skythischen Kontroversen" 1937

Rezensent:

Niebergall, Alfred

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Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 24.

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sultat kommt, behandelt L. die anderen Zeugnisse. Joh.
21, I. Pet., die Ignatiusbriefe, wo Petrus und Paulus
zusammen im Römerbrief erwähnt werden, Paulus allein
in dem Brief an die paulinische Gemeinde in Ephesus,
und kein Apostel in den Briefen an nicht-apostolische I
Gemeinden — das sind Dokumente, die alle zusammen
ohne Künste nur verstanden werden köranen unter der
Annahme, daß Petrus in Rom gewesen ist und dort |
den Märtyrertod gestorben ist. Die Darlegungen L.s
treffen m. E. genau das Richtige, mit einer einzigen
Ausnahme, von der später die Rede sein wird. Ganz
kurz faßt er danach sein archäologisches Räsonnement |
zusammen.

L.s Schrift ist ein musterhaftes Beispiel einer besonnenen
, klaren und kurzgefaßten Behandlung eines
umstrittenen historischen Problems. Ein Zug in seiner j
Schrift erinnert stark an die Schreibweise eines Jülicher
: die beißende Ironie, mit welcher er Mitforscher
abstraft, die Dummheiten geschrieben haben.

3. H.s Antwort an L. ist ein Sonderdruck eines i
Artikels in der Christlichen Welt, wo er einige
seiner Argumente wiederholt und breiter ausführt.

Das Resultat dieser Kontroverse kann m. E. nur
das sein, daß man einsehen muß, wie überaus gut die
communis opinio der Mehrzahl der Forscher fundiert
ist. Jetzt sollte es überflüssig sein, die Historizität
des Martyriums des Apostels zu diskutieren. Har-
nacks Urteil wird wohl auch heute gültig sein.

Aber es gibt eine Hypothese, die man jetzt diskutieren
sollte. Es wundert mich, daß weder H. noch
L. auf sie eingegangen sind, denn sie verdient ernsthaft
diskutiert zu werden. Es ist die Hypothese, die O.
Cullmann in einem Artikel über Les causes de la
mort de Pierre et de Paul d'apres le t e-
moignage de Clement Romain in der Revue '
d'histoire et de philosophie religieuses, |
1930, entwickelt hat. Cullmann analysiert den weiteren
Kontext, in dem wir den Abschnitt über das Mar-
tyrium der beiden Apostel lesen. Von Petrus wird gesagt
, daß er öiü 'ci|tarv ftfiweov zu leiden hatte. Und auch j
was Paulus betrifft, ist die Ursache seines Martyriums
$i|tog xal squ;. Gewöhnlich interpretiert man diese Ausdrücke
als Hinweise auf den Haß, Neid und Eifer- |
sucht der bösen Welt gegen die Gotteskinder (so z. B.
Knopf, und auch Lietzmann S. 5). Das ist für t,rjXoc,
wohl möglich, aber geht nicht so gut für £<m, das
in der urchristlichen Literatur vielmehr Zank, Streitgeist
, Uneinigkeit bedeutet. Aber nun sind ttjXog, £015
und epfiovo? die Stichwörter des ganzen Abschnittes c.
3—6, der zuerst 7 Beispiele aus dem A. T. und dann
7 aus der Gegenwart für den Fall bringt, daß Menschen
wegen t1!^-0?. £(?>■<; und <pi>6voc leiden müssen. Die
a. t.lichen Beispiele handeln alle von Streitigkeiten zwischen
Menschen, die einander nahe stehen, Uneinigkeit
zwischen Brüdern und zwischen Volksgenossen.
Auch die beiden letzten Beispiele der zweiten Reihe betreffen
dieselbe Form von W^o? und lot«, nämlich
zwischen Eheleuten und zwischen Bewohnern von derselben
Stadt und demselben Land. Cullmann schließt
nun, daß auch der t^o? und ißis, der zu dem Tod
der Apostel und der vielen namenlosen Märtyrer geführt
hat, eben Streitigkeiten und Zank zwischen Brüdern
ist. In diesem Fall versteht man, wie gut der
ganze Abschnitt in einen Brief an eine Gemeinde hineinpaßt
, die eben durch innere Streitigkeiten charakterisiert
ist. Und man versteht den Anfang von c. 7:

Tuüxa, (ivajii|TOi, oü iövov V]iät; vouOetoüvtkc; tJtiaxEM^ou.Ev,
aUd .... Cullmann schließt nun, daß die römischen
Behörden auf die Gemeinde in Rom eben durch ihre
inneren Streitigkeiten aufmerksam geworden sind und
eingegriffen haben. Man sieht dann gut ein, wie Clemens
c. 47 an die Korinther schreiben kann: So wie
ihr euch benimmt, werden auch die Außenstehenden
davon Gerüchte hören, und das Resultat wird nicht
nur sein, daß ihr Spott über den Namen des Herrn

bringet, sondern auch, daß ihr euch selbst in Gefahr
bringet. Daß üqic und 'c,ilog so zu deuten sind, wird
auch von Phil. 1,15 ff. nahegelegt, ganz besonders wenn
der Philipperbrief in Rom geschrieben ist: tive? |iev
xal oid tpöövov XOU fniv, xivec, öe xai öt'eüöoxiav xöv
Xpimuv y.rQvaaovaiv . . . . ol öe e| EfHÖEta? xöv Xntnxöv
wixayY&Movaiv, ovy_ ayvßc, ol6[iEvoi ü?äi|!iv eyeiqeiv xoi?

ÖEO[itH<; |«>u. Vielleicht ist hier sogar von Angeberei
die Rede, und die Worte Mt. 24,10 sind Wirklichkeit
geworden: „Sie werden einander verraten und einander
hassen." Dann werden auch die Worte in dem Bericht
des Tacitus über die Neronische Christenmassakre
der Wirklichkeit entsprechend sein: igitur p r i in o
correpti, qui fatebantur, dein de, indicio
eorum, multitudo ingens... convicti sunt.
Cullmann unterläßt auch nicht, darauf aufmerksam zu
machen, daß diese Hypothese auch gewissermaßen erklären
kann, warum die Apostelgeschichte so abrupt
abgeschlossen ist, an einem Punkt wo der Leser erstaunt
nach dem Abschluß fragen muß. Was nach der
zweijährigen Gefangenschaft des Paulus in Rom geschah
, war zu tragisch. Der Verfasser der Ap.gesch.
vermochte es nicht zu beschreiben.

Wenn diese scharfsinnige Hypothese, wie ich glaube,
richtig ist, können wir nicht nur mit Lietzmann und der
Mehrzahl der heutigen Kirchenhistoriker sagen, daß das
Martyrium des Petrus in Rom als historische Tatsache
gelten darf, sondern auch einen Schritt weiter gehen
und den düsteren Hintergrund dieses Martyriums erblicken
.

Oslo. Einar Mo 11 an d.

Schurr, P. Dr. Viktor, C. ss. R., Lektor der Dogmatil! an der Ordens-
hochschtile zu Rothenfeld : Die Trinitätsiehre des Boethius im
Lichte der „skythischen Kontroversen". Paderborn: Schön ingh
1935. (XX, 248 S.) 8°. = Forschungen z. Christi. Literatur- u. Dog-
meiiKeschichte hrsg. von A. Ehrhard und J. P. Kirsch. XVIII. Bd.
I. Heft. RM 12—.

War die Bedeutung der fünf unter dem Namen des
Boethius überlieferten theologischen Traktate für die
mittelalterliche Scholastik wenigstens in formaler Hinsicht
unbestritten, so galt bis vor einigen Jahrzehnten
die Frage der Echtheit wie der Abfassungszeit dieser
opuscula sacra als ein offenes Problein. Erst durch
eine Bemerkung in dem von Usener herausgegebenen
Anecdoton Holderi konnte der Nachweis für die Echtheit
der Traktate I—III und V erbracht werden. Indessen
glaubte man auch jetzt noch diese Traktate als unbedeutende
Jugendwerke des Boethius ansprechen zu müssen
, da sich ein allerdings sehr auffälliger Unterschied
in dem Gehalt dieser theologischen Traktate und der
unbestritten letzten Schrift des B., der Consolatio Philo-
, sophiae, ergab. Von katholischer Seite war jedoch (vor
! allem von Grabmann) je länger mit desto größerem
Nachdruck auf den Einfluß der theologischen Schriften
| des B. neben seinen Aristotelesübersetzungen und -Kommentaren
verwiesen worden. Verf. unterzieht sich in
I seiner an der Gregoriana zu Rom entstandenen Arbeit
I mit großem Geschick der Aufgabe, nicht nur weitere
| Beweise für die Echtheit jener vier Traktate (wobei der
j vierte Traktat unberücksichtigt bleibt) zu erbringen, son-
l dem vor allem die Abfassungszeit, den historischen
Anlaß dieser opuscula sacra sicher zu bestimmen. Der
erste Teil der Arbeit, als Vorarbeit für einen späteren
| Vergleich der Trinitätsiehre des B. mit der Augustins
i gedacht, umfaßt eine eingehende Untersuchung der trini-
I tarischen Elemente jener opuscula. Schon hieraus ergibt
sich, daß Tr. V (Uber contra Eutychen et Nesto-
| rium) offenbar als das älteste dieser opuscula zu gelten
j hat, auf das zunächst Tr. II (Utrum Pater et fiÜus et
I Spiritus sanetus de divinitate substantialiter praediceutur;
in starker Abhängigkeit von Augustins De trinitate),
dann als letztes Tr. I (De saneta trinitate) folgt. In
einem zweiten Teil bringt Sch. die historischen Belege
' für seine These, daß nämlich der Tr. V mit den Anfängen
, die Tr. II und I mit dem Abschluß der sog. skythi-