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Ausgabe:

1937 Nr. 24

Spalte:

438-439

Titel/Untertitel:

Zukunftswege nordischer Feuerehrung 1937

Rezensent:

Vorwahl, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 24.

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3) O. Cullmann erörtert 2. Thess. 2,6—7. Er glaubt
nicht, daß mit dem Hindernis, das die Ankunft des
Antichrist noch verzögert und zurückhält, das römische
Imperium gemeint sei. Das xoreejcov ist seiner Meinung
nach die Predigt des Evangeliums, der xate%<»v ist Paulus
selbst. Cullmann begründet seine Theorie dadurch,
daß er auf die jüdische Eschatologie und auf einzelne
Motive der nicht-paulinischen Schriften des NT.'s zurückgreift
und dann das paulinische Sendungsbewußtseiii
auf seinen eschatologischen Sinn hin auslegt. All das
geschieht auf eine geistreiche Weise. Trotzdem wird
man den Lösungsversuch kaum unbedenklich hinnehmen
. — 4) Ch. Jaeger trägt philologische Bemerkungen
zu folgenden Svnoptiker-Stellen vor: Matth. 4,1;
11,19; 15,17; 17,27; 22,13; Mark. 9,15. - 5) W.
Seston rafft in einem sachlich dichten und gehaltreichen
Beitrag ein paar wichtige Gesichtspunkte zusammen,
um Werden und Voraussetzungen der christlichen Legende
von Kaiser Constantin und seinem Siege an
der milvischen Brücke durchsichtig zu machen. — 6)
im längsten Beitrag des Bandes behandelt H. Strohl
den- Kirchenbegriff der einzelnen Reformatoren. Ein
vielseitiges und gegenvvartbezogenes Thema erscheint
übersichtlich gegliedert und kenntnisreich und eindringlich
entfaltet. Die Concliision greift noch einmal zusammen
, was sich von den frühreformatorischen Gedanken
durch die Jahrhunderte hindurch als lebendig
und fruchtbar erwiesen hat. Als das Beständige soll
es, soweit es gleichzeitig das Verbindende und Gemeinsame
ist, die auf die Reformation zurückgehenden
Kirchen auch weiterhin leiten und zusammenhalten. —

7) In einem an Einfällen und Ausblicken reichen Aufsatz
macht sich Ch. Hauter zum Anwalt der Erfahrungs-
Theologie, welche das theologische Denken auf den
Grund des religiösen Lebens, d. h. des Gefühles der
göttlichen Gegenwart stellt. Indem sich diese Position
verdeutlicht, fallen interessante Bemerkungen über
die Geschichte des Protestantismus, den Unterschied
zwischen Luthertum und Calvinismus, die Rolle der Bibel
im Zusammenhang der christlichen Erfahrung, den
biblischen Schöpfergott, die von dem biblischen Schöpfungsbegriff
geforderte religiöse Indifferenz der Natur
und ihre Folgen in einer entchristlichten Welt. —

8) Fernand Menegoz umreißt auf nahezu 40 Seiten
eine Theologie der Auferstehung. Er stellt sie als den
Mittelpunkt der christlichen Theologie überhaupt hin
und zeigt, wie sie sich gegen die unangemessenen Ansprüche
eines historischen und naturwissenschaftlichen
Positivismus abzugrenzen hat und grade in dieser Abgrenzung
ihr Eigentum zu benennen vermag. Meucgoz ,
nimmt bei seinen Ausführungen ständig auf verwandte j
Bestrebungen der gegenwärtigen deutschen Theologie
bezug und nennt dabei in erster Linie Burger und Kün-
neth. — 9) Victor Monod weist an locker zusammengetragenen
Beispielen nach, daß Reisen mit ihrer
Entfernung von der sichernden Heimat vielfach Bekehrungen
begünstigt haben. Seine Aufmerksamkeit richtet
sich dabei^nur auf Einzelbekehrungen. Die Frage nach
dem Religionswechsel ganzer Völkerschaften und Stämme
bleibt völlig außer Betracht. — 10) R. Will versucht,
die Christus-Darstellungen der Malerei und Plastik auf
tiefere Weise in Gruppen zu ordnen, als es am geschichtlichen
Leitfaden möglich ist. Ihn interessieren nur
solche Bilder, in denen Christus im Ernst als religiöse
Wirklichkeit gefaßt ist. Auf diese Voraussetzung eines
„Symbolismus" gründet er eine typologisch auswählende
Übersicht über einen vielfältigen Bestand. Beachtenswert
ist das, was er über die bei uns früher
überschätzten Bilder Steinhausens, Ed. von Gebhardts
und H. Thomas glaubt sagen zu können: Leur Christ
semble cacher, sous des dehors peu aimables, une trace
de cet orguell spirituel qu'affichaient, autour de 1890,
les disciples de Ritschi. L'äme qu'itS pretaient au Maitre
a de La profonieur, certes, mais il n'y a ni fraicheur,
ni „LindigkeW* (cotnme dit Luther en traduisant Phil.

4,5) dans la face hirsute de ce juste (238/9). Das ist
eine Formel, in der sich Richtiges mit Schiefem mischt.
— 11) Auf Higiui Angles, La müsica a Catalunya fins
al ses;le XIII zurückgreifend, charakterisiert Th. Gerold
die einem alten Typus zugehörigen liturgischen Dramen
aus Katalonien.
Marburg._ W. Kalthoff.

Zukunftswege nordischer Feuerehrung. Unter Mitwirkung von
Architekt Hermann Deffke, Dr. Paul Deffke, Dr. Janssen, Studienrat
Dr. Schroeder und spectator ecclesiae herausgegeben von Dr. med.
M ü h 1 i n g. Königsberg: Gräfe u. Unzer 1936. (105 S., 6Taf.) 8°. RM 4 -.
Der durchaus mißverständliche Titel, der den Gedanken
nahelegt, daß es sich um Verehrung des Feuers
selbst handele, wird von einer Werbeschrift für Feuerbestattung
getragen, die hier als lange verschüttete,
dem Volkstum künstlich entfremdete Bestattungsform
erscheint, welche jetzt aus dem Urquell des völkischen
Unterbewußtseins wieder emporsteige, nachdem ihr der
Frankenkaiser Karl den letzten Dolchstoß versetzt hätte.
Aus dem Brandopfer religionsgeschichtlich abgeleitet
lasse das Totensakrament durch den Lichthymnus die
Trauernden gleichsam an der Heimfahrt des Toten ins
Reich des unvergänglichen Lebens teilnehmen, wobei
waagerechte Sargentziehung allein der tieferen Sinnbildlichkeit
der Feuerverehrung entspreche. Die nordische
Seele wende sich nämlich von der quälenden Auffassung
j über Tod und Grab, von den eklen Regionen der Ver-
i wesung hinweg, dem Lichte des ewig Lebendigen zu. Der
: Feuerbestatter streiche einfach die menschenunwürdige
i zweite Phase der großen Wandlung aus eigner Kraft
aus oder dränge einen schmachvollen Vorgang in das
| kurze edle Geschehnis der Glutvernichtung zusammen.
| Der Gebrauch, Menschenleiber zu verscharren, der Ka-
j daverkult sei nur dem Empfinden erdgebundener Diesseitsmenschen
angemessen.

Mißlich bleibt allerdings auch bei der gepriesenen
J Feuerehrung die zeitliche Trennung der Veraschung und
I der Aschenbeisetzung, ja bei der Verwendung von Urnen
i aus unzerstörbarem Material wirke noch der Gedanke,
i die irdischen Reste möglichst lange zu erhalten. Des-
j halb gilt die Sympathie des Verfassers der Entwicklung
über kirchliche Kolumbarien oder Gemeinschaftsgräber
hinaus zur in England bereits eingeführten „Weggabe
der Asche an die Mutter Erde" ohne bestimmten Platz
oder Ausstreuung in alle vier Winde. So könne der
Aschenkult in einen Seelenkult hinübergleiten, wie ihn
die Form des Ahnenkults in China vorbildlich zeige.
Eine Familientruhe mit vergilbten Briefen und Tagebüchern
, abgenutzten Kinderschuhen, ungelenken Schriftproben
oder Steinchen, denen die Zeit unerwarteten Erinnerungswert
lieh, eventuell ein eigenes Zimmer der
Erinnerung müßten zur Verfügung stehen, wenn die
Feierstunden der Seele über uns kämen. Eine Gemein-
schaftstruhe, die das Erinnerungsbild! der Gemeinde
berge, worin die Leidtragenden kurz ihre Gefühle zum
Ausdruck brächten, oder Gedächtnistafeln aus Erz und
Holz könnten das Andenken der Toten in der Gemeinde
wach halten.

Die Unausgegliclienheit oder Inkonsequenz der einzelnen
Beiträge läßt hinreichend zum Ausdruck kommen
, daß „die Seelenfeier im Schöße der Familie der
materiellen Grundlagen aus der Familientruhe gleichsam
wie eines Katalysators nicht entraten kann, um
seelische Schwingungen auszulösen" (145), wie selbst ein
Mann vom geistigen Ausmaß Goethes empfand: „Daß die
vergebens ausgestreckten Arme / nur etwas fassen, daß
ich dieser Brust / die sehnsuchtsvoll sich in das Leere
drängt / den 'Schmerzlichen Besitz eutgegendrücke "
Wie wenig die Verfasser tieferen Gefühlen gerecht zu
werden vermögen, zeigt die Bemerkung über" unnatürliche
Vermischung der polaren Gegensätze Erhaltung
und Zerstörung", die auf geringe Kenntnis der Reli-
gionspsychologie, speziell des Wesens des Numinosen
schließen läßt, wie die Versicherung, nicht die Gefühle
Andersdenkender verletzen zu wollen. Daß für das pro-