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Ausgabe:

1937 Nr. 22

Spalte:

408

Autor/Hrsg.:

Asmussen, Hans Christian

Titel/Untertitel:

Ordnung des Gottesdienstes 1937

Rezensent:

Usener, Wilhelm

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407

Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 22.

408

haben in Gegensätzen zu leben" und das geschieht so, ! Asmussen, Hans: Ordnung des Gottesdienstes. München:

daß wir „alle Gegensätze, die wir von unserer Ge- | Chr. Kaiser 1936. (XXXII, 288 S.) gr. 8°. RM 7.80; geb. 8.80.

schichte her in uns tragen, nicht verleugnen und ab- ! Mitten im Kirchenkampf macht sich der in ihm so

stoßen, sondern bekennen und verbinden". Von dieser ! stark hervorgetretene Verfasser mutig an eine Neu-

Grundeinstellung aus behandelt der Verfasser zunächst | gestaltung unseres evangelischen Gottesdienstes und be-

die urgegebenen Gegensätze des Lebens selbst (der gründet das aus der Zeitlage heraus. Er geht von

Geschlechter, Generationen, der Stände, des Einzelnen
und der Gemeinschaft, den Gegensatz von Gut und
Böse), um dann die besonderen Gegensätze des Deutschen
aus seiner geographischen und geschichtlichen
Lage heraus zu deuten. (Westliche oder östliche Orientierung
, großdeutsche oder kleindeutsche Lösung, Landmacht
oder Seemacht?). Er kommt zu dem Ergebnis:

dem Satz aus, daß der unmittelbare Ausdruck des Lebensraums
der Kirche das sichtbar und hörbar werdende
Leben der Gemeinde ist. Die Frage nach dem
Ausgangspunkt der liturgischen Bemühungen ist die
Frage nach der Kontinuität des Lebens der einen heiligen
Kirche, welche Raum in der Welt einnimmt. Das
soll aber nicht etwa eine Arbeit der Konservierung sein,

der Deutsche hat keine Wahl. Er kann die Gegensätze, j es handelt sich im Gegenteil um eine eminent auf
in die er hineingestellt ist nicht aus der Welt schaf- I bauende Mühewaltung. Auch die liturgischen Erneuerer
fen .... Er kann nur Gegensätze, die sein Schicksal des vorigen Jahrhunderts tragen vielfach an sich die
sind, im Kampf zur fruchtbaren Spannung machen und Spuren ihrer Zeit, der Romantik. Wichtiger als ge-
so die Einheit gewinnen". (S. 31) Ein zweites Kapitel ; schichtliche Übereinstimmung ist es, daß die Bemühun-
beweist an der Gestalt Martin Luthers, daß gerade gen sich decken mit dem, was unter uns lebt und zu
christlicher Glaube diese Kraft besitzt in Gegensätzen leben beginnt. In Predigt und Liturgie, so unterschied-
zu leben, während alle moderne Religiosität, welche lieh sie sind, geht es um dasselbe geschriebene Wort,
nach „Harmonie mit dem Unendlichen" strebt (Trine Das geschriebene Wort muß ein lebendiges Wort wer-
1904) in blasser Ästhetik oder in Nihilismus endet, den. Bei der Kritik der gegenwärtigen liturgischen
Erlöster und Sünder, Freier und Unfreier — das ist Lage kommt die Liturgie der unierten preußischen
der Christ nach Luthers Meinung. Und ebenso bleibt Kirche verhältnismäßig nicht allzu schlecht weg. Es
der Gegensatz Reich Gottes — Welt, Kirche — Obrig- werden dann Vorschläge gemacht, den liturgischen
keit. Dennoch wurde Luther nicht ein Opfer seiner I Reichtum vergangener Zeiten, auch des missale roina-
Gegensätze, sondern wirkte auf sein Volk wie ein Mann ! num, wieder zu erwecken, wobei es auch dem Verfas-
aus einem Guß ser klar ist, daß das nicht von heute auf morgen

Das dritte Kapitel beweist den fruchtbringenden Ge- geschehen kann. Besonders wird auch auf eine Neugegensatz
zwischen Deutschtum und Christentum aus ech- I staltung der Sakramentsfeiern eingegangen. Taufe im
ter Spannung, weil „das Evangelium jeglicher mensch- Gemeindegottesdienst! Gewiß in kleineren Gemeinden
liehen Art entgegengesetzt ist", also auch der deut- zu erstreben, aber kann das in großen Gemeinden,
sehen. Folglich kann es sich hier nie um die Aufhebung, | in denen jeden Sonntag viele Kinder getauft werden,
sondern nur um die Ueberwindung dieser Spannung auch bei abgekürzter Taufliturgie allsonntäglich ge-
durch höhere Einheit handeln, wie es etwa in der Ehe schehen?! Abkündigungen, gewiß eine crux unserer
der Fall ist. „Wie Mann und Frau gesetzt sind durch i Gottesdienste, durch Älteste vornehmen zu lassen, be-
die Schöpfungsordnung Gottes, so sind Schöpfung und gegnet doch erbeblichen praktischen Bedenken.
Erlösung gesetzt, der deutsche Mensch und das Evan- Den Hauptteil des Buches nimmt dann eine sehr
gelium". (S. 61) sorgfältig aufgestellte Ordnung des Gottesdienstes für

An Heinrich dem Löwen und Bismarck, also an ' die einzelnen Sonntage des Kirchenjahrs ein mit den
einem Menschen des christlichen Mittelalters und des , Noten für den Gesang des Liturgen und der Geschon
christlich entarteten 19. Jahrh. zeigt Dibelius ' meinde. Es gibt sicherlich Gemeinden oder Kirchen-
(Kap. 4) diese Kraft in Spannung zu leben, noch ein- j gebiete, in denen der Gottesdienst so gestaltet werden
mal in plastischer Eindringlichkeit. Das Schlußwort mün- | kann, aber ob man das als Ziel für andere aufstellen
det aus in eine Beschwörung an alle, die dem Chri- ' kann, ist dem Berichterstatter doch recht zweifelhaft,
stentum ablehnend gegenüberstehen, die ernsten Chri- ! auch überhaupt, ob es wohlgetan ist, den Sprechgesang
sten in ihrer Liebe zum Volk nicht gering zu achten so in den Vordergrund zu stellen.

und Deutschland nicht um das Erbe seiner Väter j Halle/S.__Wilhelm Usener. _

zu bringen. Die in mitreißendem Stile geschriebene ! Wolf, Dr. Walter: Aberglauben im Werden. Sudetendeutsche
Schrift wird Freund und Gegner fesseln und zum Nach- Zeitschrift für Volkskunde. Herausgeber Dr. G. Jungbauer. Prag

10. Jg. 1937. (13 S.).
An Hand einer Umfrage unter Schülern zweier .sudetendeutscher
Mittelschulklassen im Vorpubertätsälter
gibt der Verfasser ein Bild der Erscheinungsformen
H um bürg, Pastor D. Paul: Die ganz große Liebe. 28 schlichte I magischer Geisteshaltung, die von der Hälfte der BeBetrachtungen
für verlorene Leute über das Gleichnis von den ver- j fragten zugegeben wurde. Es ergaben sich die bekannten
lorenen Söhnen. Neukirchen: Buchh. des Erziehungsvereins 1936. j Orakel wie bestimmtes Überqueren der Gehsteigplatten

,v,. , . ., * ... .°e^' RM 1-80' i oder Abzählen und verschiedenartige Tabuierungen, wie
Wirklich ganz schlichte Andachten. Alle Sätze des ; sje schon früher von Piaget, Werner und mir gesammelt
Gleichnis vom verlorenen Sohn — oft auch Teile eines i sincj. in der Zusammenfassung weist Wolf Levy-Brtihls
Satzes — bilden den Text. Und werden allegorisiert. Th.es,e Vom prälogischen Charakter des Denkens der
Erbaulich und erwecklich, sowie es m Gemeinschafts- ! Primitiven mit dem Hinweis zurück, daß sich dieses
kreisen in Ton und Form üblich ist Aber ob man mit j prälogische Denken in allem Aberglauben, also auch in
dieser Werse junge suchende Menschen von heute zum unserer Bildungswelt, finde. Leider hat es der Verfas-
Bewußtsein von Sünde und Gnade bringt? Gereifte ■ ser versäumt, sich mit der vorliegenden Literatur ausein-
Chnsten die sich an dieser Art der Textauslegung, die anderzusetzen, die K. Zeininger, Beihefte z. Zschr. f. an-
jedes Wort zu deuten und zu allegorisieren sucht, i gewandte Psychologie (Leipzig 1929) zusammengestellt
nicht stoßen, werden inneren Gewinn von diesen An- hat So fehl,en Betrachtungen über die Zeit der begin-
dachten haben, aber eine Hausgemeinde, ein Kreis jun- 1 nenden Bildung magischer Systeme, die wohl mit dem
ger Menschen der Gegenwart, der sich um die Bibel Schuleintrittsalter gleichzusetzen ist, wie über ihre Besammelt
, erwartet ein Anderes. deutung für die religiöse Entwicklung.

Bonn. Hann. j Quakenbrück. H. Vorwahl.

denken anregen.

Jena. Erich Fascher.

Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 6. November 1937.

Verantwortlich: Prof. D.W. Bauer in Göttingen, Düstere Eichenweg 14.
J. C. Hinrichs Verlag, Leipzig C 1, Scherlstraße 2. — Druckerei Bauer in Marburg.