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Ausgabe:

1937 Nr. 21

Spalte:

386-387

Titel/Untertitel:

Jahrbuch für Brandenburgische Kirchengeschichte ; 31. Jahg. 1937

Rezensent:

Clemen, Otto

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Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 21.

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nachmalige Silvester IL, war wohl Einsager gewesen.
Hier fiel auch schon im Hinblick auf die in Rom
herrschenden Zustände das Wort vom „Antichrist" (S.
237 f.). Hinkmar selbst hatte seiner Zeit auf der Synode
von Douzy eine Erklärung abgegeben, die ganz im cyprianischen
Sinne gehalten war (S. 128 f.). Noch Burchard
von Worms weiß in seinem zwischen 1008 und 1012
verfaßten „Dekret", daß Mt. 16, 18 f. in der Person des
Petrus das Bischofsamt eingesetzt worden ist (S. 243).
Daß vollends im Osten immer noch nicht Petrus, sondern
der von Petrus bekannte Olaube als Fels der
Kirche betrachtet wurde (S. 105), liegt ganz in der
Überlieferung dieser Kirche.

Wie im ersten Bande, so finden sich auch in diesem Teil treffende
Beobachtungen und Bemerkungen eines erfahrenen Qeschichtsbetrachters.
Er spricht S. 98 von „fürstlicher Undankbarkeit" (vgl. S. 207), S. 103
von „der Art aller Emigranten", eine baldige Umwälzung in der von
ihnen verlassenen Heimat in Aussicht zu stellen, S. 159 von den „Unwahrheiten
, mit denen im griechischen Reich wie anderswo kirchliche
Streitigkeiten von jeher ausgefochten zu werden pflegen", S. 186 von
„Parteiwesen und blutigen Machtkämpfen eifersüchtiger Vetternschaften,
diesen unzertrennlichen Begleiterscheinungen jeder Adelslierrschaft",
S. 409 vom „gewöhnlichen Schicksal des Feudalstaates", S. 484 vom
Drängen an die Futterkrippe „als unvermeidlicher Begleiterscheinung
aller Revolutionen", siehe auch S. 270. 298. 307. 313. 426. 469. 482.

S. 9 ff. wird mit Recht die Verlegenheit hervorgehoben, worein die
Denkschrift der Franken über die Bilderfrage den Papst Hadrian I. verversetzte
. Man könnte nur noch hinzufügen, dal! der Standpunkt der
Franken ganz dem entsprach, den einst Papst Gregor I. eingenommen
hatte (vgl. meine Schrift „Die altchristlichc Bilderfrage" 1917, S. 77 ff.).
Die Bezeichnung „romfreie Klöster" für Klöster, die Eigentum oder
Schutzbefohlene Sankt Peters wurden (S. 226), scheint mir nicht glücklich
gewählt zu sein. S. 434 heißt es, daß Anselm von Canterbury
„die Lehre von der Rechtfertigung ausgebaut habe". Besser wäre gesagt
, daß er eine von den Vorstellungen der Kirchenväter abweichende
neue Erlösungslehre vorgetragen habe. S. 423 steht, daß der Inhaber
des Bistums Korsika vom kaiserlichen Erzbischof von Mainz „die niedere
Weihe" (deren es aber mehrere gab und gibt) erhalten habe. Auch
bei Erhebungen und Weihen von Päpsten wird nicht immer genügend
beachtet, ob der Gewählte bereits die Bischofsweihe besaß, in welchem
Falle er nicht mehr „geweiht" werden konnte. S. 473 heißt es von dem
1119 zum Papst gewählten Erzbischof Guido von Vienne, daß er acht
Tage nach der Wahl in seiner eigenen Stadt „eingesegnet" worden sei.
Richtig S. 471 von Gelasius II.: „Da er erst Diakon war, mußte seine
Weihe bis zum nächsten Quatembertermin verschoben werden."
München. Hugo Koch.

Dinkler, Dr. theol. htbil. Erich, u. W iß mann, Prof. Lic. Erwin:
Gottschalk der Sachse. Ein Beitrag zur Frage nach Germanentum
ti. Christentum. Stuttgart: W. Kohlhammer 1936. (VI, 79 S.)
gr. 8°. Kart. RM 2-.

Die erweiterte Antrittsvorlesung des jungen Marburger
Kirchenhistorikers will die vielverhandelte Frage
nach dem Wesensverhältnis von Christentum und Germanentum
dadurch vertiefen, daß sie sie als eine geschichtliche
versteht und nun versucht, an einem besonders
lehrreichen Beispiel die Antwort zu finden.
Dieser Versuch ist nützlich, auch wenn seine Durchführung
zeigt, daß das Problem selbst noch anders gestellt
und der gerade auch durch Gottschalk uns gewiesene
Weg ganz zu Ende gegangen werden muß.

Man wird darum dem Verf. für seine hübsche Leistung
am besten danken, wenn man nicht sowohl bei
den Abschnitten verweilt, in denen er ansprechend darlegt
, welche christlichen Gedanken von den Germanen
am ehesten aufgenommen wurden, und was das für sie
bedeutete, auch nicht nur der Analyse der Gottschalk-
schen Theologie nachgeht, bei der viele gute Bemerkungen
sich finden, — als wenn man vielmehr auf die
Stellen aufmerksam macht, an denen er aus seinen Einsichten
noch nicht die volle Folgerung gezogen hat
oder wo grundsätzliche Bedenken geltend zu machen
sind.

Wenn D. mit Recht hervorhebt, daß Gottschalk über
dem Studium Augustins zu seinen Erkenntnissen gekommen
sei (S. 38), so wird fraglich, ob man von seinem
„entschiedenen Rückgriff auf die Hl. Schrift" (S. 13)
reden und ihn der kirchlichen Theologie die biblische
Wahrheit entgegenhalten lassen darf. Es ist auch, wenn

I man „die religiöse Wahrhaftigkeit" von Gottschalks Gegenspieler
Raban anerkannt liest (S. 42), überraschend,
dann ihren Gegensatz als den von „Wahrheit" und
„hierarchischem Amt" dargestellt zu sehen (S. 18).
Zögert man, mit D. des scharfen Dialektikers Gottschalk
„warme, kindlich unmittelbare Frömmigkeit" gegen
Augustins „analysierenden Verstand" abzugrenzen,
so wird man noch weniger die Sache Gottschalks, der
am Dogma von der zweifachen Prädestination den rechten
katholischen Glauben von fluchwürdiger Häresie
unversöhnlich schied, zutreffend charakterisiert finden
als „Protest gegen die rationale Auflösung des Glaubensgeheimnisses
in spekulative Dogmen" (S. 42). „Gotteserlebnis
" und „Dogma von Gottes Wesen" sind
schwerlich die richtige Alternative (S. 21). „Individualistische
", an der Bibel geprüfte „gelebte Frömmigkeit" (S.
29), der jede Heilsbedeutung der Kirche versunken
ist (S. 16), darum zum Angriff gegen die Mittlerstellung
der Kirche schreitet, und Keime zur Lehre von einer
„unsichtbaren Kirche" in sich birgt, — solcherart erscheint
die „Germanisierung des Christentums", als deren
vorbildlichen Vertreter wir Gottschalk geschildert
erhalten; zu 9ehr im Sinne einer „protestantischen Haltung
", die mehr durch den Freiheitsdrang des Grafensohns
, germanischen Individualismus und „christliches
Ethos" Destimmt scheint als durch ein klares Bekenntnis
.

Eine Einzelheit: das Schlußwort im Kampf Hinkmars von Rheims
gegen Gottschalk: „sieque indignam vitam digna morte finivit et abiit
in locum suum", bedeutet nicht die Anerkennung eines heroischen Sterbens
— wie D. mit H. v. Schubert annimmt —, sondern harte Verurteilung
: „er beendete ein unwürdiges Leben mit einem dessen würdigen
Tode und ging (wie Judas, Act. 1,25!) an seinen Ort". Mit den gleichen
Worten redet Hinkmar von dem katholikenfeindlichen Vandalen-
könig Thrasamund: „post necem sanetorum et innumeras clades indignam
vitam digna morte finivit" (de praedestinatione disserl. post. c. 3; MSL
125, 88 A), — wahrlich nicht in Bewunderung einer Konsequenz, die
bis zuletzt bei ihrem arianischen Sinn beharrte!
Göttingen. H. Dörries.

Jahrbuch für Brandenburgische Kirchengeschichte. Hrsg. im
Auftrage des Vereins für Brandenburgische Kirchengeschichte von
Walter W en d 1 a n d. 31. Jahrg. Berlin: In Komm. Martin Warneck
1936. (192 S., 5 Taf.) gr. 8°.

Auch dieser Band zeichnet sich durch Mannigfaltigkeit des Inhalts
aus. Es ist eine glückliche Fügung, daß das Hauptarbeitsgebiet des
Herausgebers die neuere und neueste Kirchengeschichte ist, sodaß er wie
in früheren Jahrgängen den vornehmlich rückblickenden Beiträgen seiner
Mitarbeiter eine gegenwartsnahe, allgemein-interessante Abhandlung anreihen
kann. Dadurch ist anscheinend dem Jahrbuch auch eine gesunde
finanzielle Basis gesichert, während andere landes- bezw. provin-
zialkirchengcschichtliche Zeitschriften gefährdet sind.

H. Priebe, Bernhard Ludwig Bekmanns Zeichnungen
und Beschreibung des Klosters Lehnin um 175 0. Bek-
mann, der Fortsetzer der von seinem Oheim Joh. Christoph verfaßten
Beschreibung der Mark, Prof. am Joachimsthalschen Gymnasium, hat
ausführliche Beschreibungen vieler geschichtlicher Stätten der Mark hinterlassen
, die das Geh. Staatsarchiv in Dahlem verwahrt. Priebe veröffentlicht
aus der Beschreibung von Lehnin die das Kloster und seine
nächste Umgebung betreffenden Abschnitte und in phototechnischer originalgroßer
Wiedergabe die wahrscheinlich von Bekmann selbst an Ort
und Stelle angefertigten Zeichnungen. Damit ersteht das älteste Kloster
der Mark vor unseren Augen in seiner „herben, romanisch-frühgotischen
Schönheit", bevor es in der 2. Hälfte des 18. Jahrh.s in Trümmer zerfiel.

Helmut Lüpke, Untersuchungen über den sagenhaft
überlieferten oder fälschlich vermuteten Besitz der
Tempelherren in Ostdeutschland. Behandelt in Ergänzung
seiner Arbeiten über die urkundlich nachweisbaren Besitzungen der
Templer in den Gebieten zwischen Elbe und Bug in alphabetischer
Reihenfolge die Orte mit „Pseudobesitz" der Templer. Hauptergebnis
der ungemein fleißigen Einzeluntersuchungen: Man hat den Besitz der
Templer meist stark überschätzt, sie haben „im ganzen nordostdettt-
deutschen Kolonialgebiet mit alleiniger Ausnahme des Gebietes östlich
der Weichsel . . . keinen einzigen wirklich bedeutenden Burgort und
keinen einzigen ehemaligen Kastellaneiort besessen".

Theodor Wotschke, Ein Jahrhundert Wittenberger
Ordinationen für Brandenburg. Das Wittenberger Ordinierten-
buch 1537 — 1816 umfaßt 7 Bände. Die beiden ersten 1537 — 1572 hat
Buchwald 1894 f. herausgegeben. Wotschke bietet einen Auszug aus
den Eintragungen des ersten Jahrhunderts 1538—1637, soweit sie die
Mark Brandenburg betreffen.