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Ausgabe:

1937

Spalte:

371-372

Autor/Hrsg.:

Schreiber, Georg

Titel/Untertitel:

Deutsche Bauernfrömmigkeit in volkskundlicher Sicht 1937

Rezensent:

Vorwahl, Heinrich

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Theologische Literaturzeitimg 1937 Nr. 21.

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d. h. des 3. Jahrhunderts. Das Bild, das sich aus der
Befragung der Urkunden ergibt, zeigt, daß die Religion
der Polis zwar in manchem unter dem Einfluß der veränderten
Lage des Griechentums eine Fortbildung erfahren
, aber im ganzen der Hellenismus seine hellenische
Ursprünglichkeit noch nicht eingebüßt hat, dia der Aufbruch
der religiösen Kräfte des Orients noch nicht begonnen
hat. Diese Feststellung bedeutet eine Einschränkung
gewisser voreiliger Verallgemeinerungen und eine
Mahnung zur Vorsicht. Schubart geht von der allgemeinen
religiösen Grundlage aus und betrachtet dann
das Verhältnis von Staat und Religion, die Religion
der Dichter, die Religion in der Philosophie. Die geleistete
Arbeit ist wertvolle Kleinarbeit, durch Übersetzungsproben
belebt. Ihr Verfasser läßt keinen Zweifel
an der Schwierigkeit, in den Kern der religiösen
Vorstellungen dieser Zeit vorzudringen, da es an persönlichen
Zeugnissen mangelt; doch folgen wir gern
dem erfahrenen Kenner des Hellenismus, wenn er versucht
, auch nur das religiöse Erscheinungsbild uns erkennen
zu lassen. Ob freilich der Vergleich der Häupter
der hellenistischen Philosophen schulen mit den alt-
testamentlichen Propheten, deren Ethos doch eher eine
Parallele an Hesiod findet (v. Wilamowitz, E, Sehwartz,
W. Jaeger), treffend ist, möchte man bezweifeln.

Northeim. G. Breithaupt.

Schreiber, Georg: Deutsche Bauernfrömmigkeit in volkskundlicher
Sicht. Düsseldorf: L. Schwann 1937. (92 S., 34 Abb. a. Kunst-
drucktaf.) gr. 8°. = Forschungen zur Volkskunde. H. 29. Kart. RM4—.

Das vorliegende Buch gibt den Vortrag des Verfassers
auf dem 3. deutschen Volkskundetag in Heidelberg
1934 wieder, hätte aber wie schon der Vortrag
des Zusatzes „katholische" bedurft, um den Inhalt richtig
zu kennzeichnen. Damals wurde diese Einseitigkeit
immerhin durch das Gegenreferat G. Kochs ausgeglichen
, das in der „Dorfkirche" 29 (1936) Heft 1 im
Druck erschienen ist. Aber für die Buchform bleibt
die ungenaue Angabe irreführend. Das bäuerliche Credo
ist nach Schreiber verhältnismäßig einfach gelagert, im
Mittelpunkt der Bauernfrömmigkeit steht nach ihm die
Bindung an Gott —, aber mit der Ableitung der Natur
als Schöpfung Gottes im Lebensgesetz des Volksfrommen
steht in Widerspruch die Wucht der eschatologi-
schen Fragen für das katholische Bauerntum, die zu den
wichtigsten frömmigkeitsbildenden Gestaltskräften gehören
. Dieser Gesichtspunkt wird in seiner Bedeutung
auch von Schreiber dadurch unterstrichen, daß er zu
den besonderen Vorzügen des Werkes von M. Rumpf
die Einbeziehung des sterbenden Bauern rechnet.
Wenn der Verfasser dann den Vorwurf der „Souveränität
der Hofidee" (z. B. bei der Gattenwahl) damit
zu widerlegen sucht, daß er auf das Verhalten der
Salzburger, Altlutheraner, Pietisten und Mennoniten verweist
, vergißt er sowohl die Besonderheit der genannten
Richtungen wie ihren protestantischen Charakter.

Zur Eigenart der katholischen Volksfrömmigkeit gehört
, wie Schreiber treffend deutlich macht, daß immer
wieder Naturelemente in die Sakralität einbezogen werden
: Höhen, Felder, Bäume sind von ihr ergriffen.
Landschaftliche Pilgergänge, die Kapuzinersegnung des
Viehs und die Kräuterweihe gehören hierher. Daß große
Quellgründe des Primitiven unversehrt geblieben sind,
wird mit der Zähigkeit der germanischen Tradition
zu einseitig in Zusammenhang gebracht, doch trägt der
Verfasser der Erkenntnis voll Rechnung, daß unter
den Kultobjekten das Gnadenbild als gehobenes Primitivgut
zu gelten hat. Die Beweglichkeit der Volksfrömmigkeit
wird am Wechsel der Volksheiligen (St. Isidor,
Kümmernis, Wendelin) und Tierpatrone nachgewiesen,
beruht doch die Heiligsprechung Konrad von Parz-
hams auf Volkskanonisation. Daß die Lebensenergien
der katholischen Volksfrömmigkeit tatsächlich weiterströmen
, beweist die Mitteilung, daß auch Autounfälle
auf Votivtafeln festgehalten werden, ja der Verfasser

glaubt ein Erstarken der Wallfahrten und der Verwendung
von Votivkerzen verzeichnen zu können.

G. Schreiber, der von der historischen Seite her rich-

: tungweisend die Wandlungen des Wallfahrtswesens im

| christlichen Abendlande aufgehellt hat, die Verwandtschaft
des auslanddeutschen Bauerntums mit der Hei-

: mat auf dem Gebiete der Kultpflege ständig verfolgt
und als wissenschaftlicher Entdecker der barocken Sakrallandschaft
gilt, ist der Aufgabe, die katholische

; deutsche Bauernfrömmigkeit zu schildern, wie kaum

[ ein zweiter gewachsen. Neben dem reichen Bild der
bunten Formgebung und Symbolgewalt der katholischen
Volksfrömmigkeit, das hier seine gelungene Darstellung
findet, liegt der Wert des Buches in der weitschich-

• tigen Quellenkunde, die aus schwer zugängliche» Mirakelbüchern
, Volksandachten und Privatgebeten ihr Material
zusammenträgt. Auch manche Rara der älteren
bauerngeschichtlichen Literatur sind aufgenommen.

Prächtige Bildbeigaben beleben die knappe, aber doch erschöpfende
Darstellung, die durch ihre Fragestellung
wohl geeignet ist, fruchtbare Anregungen für landschaftlich
begrenzte Untersuchungen der katholischen

| Volksfrömmigkeit zu bieten.

Quakenbrück. H. Vorwahl.

! Francis Crawford Burkitt. 1864—1935. London: Humphrey
Milford. (42 S.) gr. 8°. 2 s. 6 d.

Der in den Proceedings of the British Academy
erschienene Nachruf auf Francis Crawford Burkitt (1864
bis 1935) erzählt von den Vorfahren Burkitts und dem

! Erbe, das er von ihnen mitbekommen hat, schildert dann
seine Schülerzeit (Harrow) mit ihren Erfolgen und den
1883 vollzogenen Eintritt in das Trinity College in
Cambridge, der zunächst mathematischen Studien die-

i nen sollte. Ihnen verdankt B. die Genauigkeit der
Methode und die Strenge des Denkens, die ihn ausgezeichnet
hat; sie kam auch seiner mangelnden Fähigkeit
und Neigung zu metaphysischer Spekulation entge-

I gen. Er fühlte sich stets von den Tatsachen angezogen.
Von der Mathematik ging B. zum Studium von A. T.
und N. T. sowie der alten Kirchengeschichte über, endlich
zu den Orientalia, von denen es ihm vor allem das Syrische
angetan hat. 1905 erhielt er die einzige theolo-

! gische Professur in Cambridge, die einem Laien übertragen
werden konnte. Als Lehrer wirkte er am meisten
im Seminar auf ältere begabte und schon einigermaßen
geförderte Studenten.

Er war nicht nur Forscher und Dozent, sondern
mit Bewußtsein Glied der Englischen Kirche — seine
Frau war die Tochter eines Geistlichen —, und er betei-

J ligte sich an dem Leben dieser Kirche aufgeschlossen
für die Wirklichkeit der Geschichte bis zur eigenen Oer

I genwart hin und mit dem Erfolg, daß die Ergebnisse

I einer freien Wissenschaft auf theologischem Gebiet weite
Kreise in England erreichten.

Auch außerhalb Englands sehen wir ihn tätig auf
Reisen zu Studien- und Forschungszwecken, zur Be-

I teiligung an allerlei Kongressen, 1931 in den Vereinigten

I Staaten, um die „Morse Lectures" abzuhalten, die dann

I als „Church and Gnosis" im Druck erschienen sind
(1932). ^ die Zeit des Weltkrieges fällt ein langer

I Aufenthalt in Frankreich zwecks Leitung eines großen

[ Lazarettes.

In dem Nachruf kommen die verschiedensten Stimmen
zu Wort: Mitforscher und Schüler, Besucher des
Seminars, ein Mitglied der London Society for the
Study of Religion, der B. seit 1905 angehört hat und
; die über zahlreiche Schreiben aus seiner Hand verfügt,
in denen er nachträglich zu den Verhandlungen bei den
Zusammenkünften Stellung nimmt. Einige Auszüge aus
diesen Briefen sind dem Berichte einverleibt. Auch
das dankbare Bekenntnis eines Insassen des von ihm
betreuten Lazarettes ist aufgenommen worden. Das
| ganze bildet einen vollen Chor zum Preise eines unge-
j wohnlichen Lebens. Der Zusammenklang ergibt ein le-