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Ausgabe:

1937 Nr. 20

Spalte:

355-356

Titel/Untertitel:

Das Leben des hl. Jāfqerana 'Egzī' 1937

Rezensent:

Duensing, Hugo

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355

Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 20.

356

Weise mit diesen Dingen beschäftigen und Liebe zu
ihnen, Verständnis für sie gewinnen.

Bonn.__Jon. Meinhold(t).

Wajnberg, I.: Das Leben des Hl. Jäfqerana 'Egzi. Äthiopischer
Text. Hrsg. u. übers. Rom : Pont. Institutum Orientalium Studi-
orum 1936. (124 S.) gr.8°. = Orientalia Christiana Analecta, 106. L. 36—.

Mit dem Inhalt dieser Heiligenlegende waren wir
einigermaßen durch die Auszüge, die Turajev in russischer
Übersetzung gegeben, und durch die Textstücke,
die Conti Rossini in der Rivesta d. Studi Orient. 1920
herausgegeben und ins Italienische übersetzt hatte, vertraut
gemacht. Es ist dankenswert, daß wir hier den
gesainten Text nebst einer deutschen Übersetzung erhalten
. Den Inhalt bilden nun zwar wie bei den meisten
abessinisehen HeiLigenlegeiiden tolle Wundergeschichten
, die teils Wandergeschichten, ja zum Teil Reflexe
aus der Heiligenliteratur sind, wie die vielen Verweise
auf ähnliche Vorkommnisse bei anderen Heiligen
nahelegen. Trotzdem kommt das abessinische Milieu
zum Ausdruck, aber nicht so stark, daß man mit Sicherheit
den geschichtlichen Ort durchfühlen könnte. Nicht
einmal das ist sicher festzustellen, ob der Heilige in den
Tagen des Königs 'Amda Sejön, wie es auf Folio
4r. heißt, allein gelebt hat, oder ob er auch die auf Folio
21 r. erzählte Erfüllung seiner angeblichen Weissagung
unter König David, wie es doch nach dem Zusammenhang
scheint, erlebt hat, womit dann freilich die An-
setzung seiner Lebenszeit zwischen 1290 und 1350, wie
Turajev sie vorgenommen hat, in Frage gestellt sein
würde. Trotzdem nun aber eine solche Geschichte wie
eine Fata Morgana in der Luft schwebt, ist sie von
Wert für die Charakteristik abessinisehen Christentums
und abessinischer Verhältnisse. Dafür zwei Beispiele.
Jäfqerana 'Egzi macht einen Selbstmordversuch ,indem
er sich in einen großen Abgrund stürzt, aber dabei
mit seinem Gewand an einem Baume inmitten des Abgrundes
hängen bleibt. Dabei wird erinnert an eine
ähnliche Begebenheit aus dem Leben des 'Abbä Bülä,
der aus gleicher Lage sich nicht retten lassen wollte:
„Sterben ist für den Gottesfürchtigen besser, als seinen
Ruhm zu verlieren." Diese Verwendung v. 1. Kor. 9,
15 bei solcher Gelegenheit ist religionsgeschichtlieh interessant
. Für die Geschichte der liturgischen Sitten
ist nicht uninteressant, daß bei den Worten des Priesters
: „Laßt uns uns beugen vor dem Vater, dem Sohne
und dem Heiligen Geist" eine tatsächliche Beugung
wohl gar bis zu den Füßen am Sonntag nicht üblich
ist. Auch sonst schimmert hin und wieder das Land
und seine Sitte durch, so etwa wenn ein erlegter und
gerupfter Vogel an die Halsschnur gehängt wird. — Wird
man für die Darbietung eines solchen Textes nebst Übersetzung
dankbar sein, so gibt die Art und Weise, in der
das geschieht, zu stärksten Bedenken Anlaß. Zunächst ist
es schon bedauerlich, daß die vielen Zitate, welche die Vita
enthält, nicht aufgesucht und identifiziert sind. Sodann
hat der Bearbeiter seinen Text nicht immer verstanden.
Dafür zwei Beispiele. Auf Seite 27, Zeile 5 v. o.
übersetzt er: „nahmen den Diener Qirqos herab."
Es ist aber gemeint, daß dieser Qirqos an den Kleidern
, die wie ein Strick zusammengebunden sind, in den
Abgrund hinabgelassen wird, um den am Baume Hängenden
zu befreien. Es mußte also übersetzt werden:
„ließen den Diener Qirqos herab". Seite 29 wird übersetzt
: „war er denn nicht wie einer der Unseren."
Es mußte übersetzt werden: „war er nicht ein Mensch
wie wir." Die bald darauf folgenden Worte, „wie der
Apostel von Elias sagt", hätten den Bearbeiter dahin
leiten müssen zu erkennen, daß hier Jakobus 5, 17
angezogen wurde. In Text und Übersetzung fehlt es
an Sorgfalt, nicht nur insofern, als einzelne Worte falsch
übersetzt werden oder vergessen werden, sondern es
kommt auch vor, daß ganze Satzabschnitte fehlen. Dafür
wieder zwei Beispiele. Auf Seite 39, Zeile 3/2
v. u. übersetzt Wajnberg: „An jenem Tage gewannen
sie einander lieb." Die entsprechenden äthiopischen

Worte fehlen auf der Textseite. Auf Seite 57, Zeile 5/6
v. o. lesen wir den Satz: „Bindet seine Hände mit Fes-
, sein und schlingt Ketten um seine Füße." Die entspre-
j chenden Textworte fehlen auf Seite 56 im äthiopischen
' Texte. Umgekehrt sind z.. B. auf Seite 66/67 die Worte
des äthiopischen Textes: „wabö zajetwalad mazägue'ä"
unübersetzt geblieben, wie auch sonst manche Worte.
, Ebenso ist auf Seite 42 der erste vollständige Satz
' hinter fol. 15r. II „wakamaze gabra bezuha 'eska sa-
: lastü wa'qrbä'etü glze" = „so tat er häufig bis zu
drei, vier Malen" weggeblieben. Mißgriffe im Ausdruck
, die das Verständnis erschweren oder den Leser
irre führen, sind häufig. So wenn le'ül mit „Herr"
| oder „Allmächtiger" übersetzt wird, während es in
i jeden. Fall mit „Höchster" übersetzt werden muß. Oder
• wenn 'aragäwi einfach mit Mönch übersetzt wird! Was
soll der des Äthiopischen unkundige Leser denken, wenn
I er auf Seite 49 den Satz liest: „Und außerdem war es
als ob die Erde erbebte, und die Grundfesten untergraben
würden, daß sie hin und her wankte", während
statt von Grundfesten vielmehr im Text von dem Fundament
des Hauses die Rede ist.

Ich breche ab, weil hier nicht der Ort ist, in eine
ausführliche Auseinandersetzung, die sich auch auf
Sprachliches erstrecken müßte, einzutreten. Mein Material
steht jederzeit zur Verfügung. Es mag aber noch
bemerkt werden, daß sich sowohl im äthiopischen als
auch im deutschen Texte vielfach Druckfehler finden.
Goslar/Harz. H ugo D u e n s i n g.

: Seeberg, Reinhold: Christliche Ethik. Stuttgart: W. Kohlhammer
1936. (XXI, 417 S.) gr. 8°. = Theologische Wissenschaft herausgegeben
von Erich Seeberg I. Abt. 3. Bd RM geb. 9 — .

Die von S. druckfertig hinterlassene Neuauflage seines
„Systems der Ethik" ist, wie der Herausgeber mit
I Recht in seinem Vorwort sagt „etwas Einzigartiges
I unter den theologischen Büchern", weil sie sich „auf
! der nationalsozialistisch gef ormten Grundlage der Schöp-
fungsordnungen" aufbaut, deren Richtung übrigens
schon die 2. Aufl. (1920) eingeschlagen hatte, wenn
sie auch erst jetzt recht herausgearbeitet worden ist
j im Eingehen auf die durch den deutschen Umbruch ge-
I schaffenen Verhältnisse und Probleme, so daß doch
„ein neues Buch" daraus geworden ist. Mit dieser
seiner Aktualität hängt zusammen die starke Betonung
der Sozial-Ethik, die sich schon ganz äußerlich in ihrem
Umfange zeigt (242 von 417 S.).

Gleich in dem ersten Teil, der „Grundlegung des
Systems der Ethik" (S. 3—81), der auch eine kurzgefaßte
Geschichte der Ethik enthält (S. 53ff.), wird
diese weitgehende Berücksichtigung des Sozialen angebahnt
durch die Ausführungen über den „objektiven
Geist", „ein den Menschen anerschaffenes Ordnungsprinzip
, welches als Gemeinwille die Wechselwirkung
der Einzelwillen zur einheitlichen Richtungnahme bestimmt
", analog der Einheit des Naturzusammenhanges.
Seine konkrete Verwirklichung findet dieser So/ialwillc,
den S. auch „Wirordnung" nennt im Unterschiede von
I dem individualistischen Du-Ich-Prinzip, in den Lebensgemeinschaften
und ihrer Geschichte, gemäß ihrer natürlichen
Anlage und Art unter wechselnden historischen
Bedingungen. Er geht dem Denken und Streben der
subjektiven Geister voran und ist ihnen also übergeordnet
, verwirklicht sich aber nur durch ihre, seinem
Antriebe sich fügende Selbstbestimmung und ihr tat-
1 sächliches Zusammenwirken. „Ohne die subjektiven
deister wäre der objektive Geist nicht wirksam, ohne
den objektiven Geist entbehrten die subjektiven Geister
des Triebes zur Gemeinschaft". Beide aber haben den
Grund ihres Daseins und Soseins in dem absoluten
Geiste, dem allbedingenden Willen, was freilich nur im
| Glauben an ihn oder dem Innewerden seiner durch
seine Selbstoffenbarung richtig erkannt werden kann.
Damit geht einem auch erst der Sinn und Zweck der
von Gott geschaffenen Lebensordnungen auf.