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Ausgabe:

1937

Spalte:

350

Autor/Hrsg.:

Merkel, Franz Rudolf

Titel/Untertitel:

Christentum und Sexualethik 1937

Rezensent:

Walters, Peter

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Seite 1

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34!)

Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 19.

350

wkklung der Respensorien aus den jüdischen und griechischen
„Zurufen" durch die verschiedenen Zeitläufte
verfolgt — alles wohl begründet und quellenmäßig unterbaut
. Überhaupt handelt es sich in dieser Schrift nicht
um eine Zusammenstellung bekannter Tatsachen, sondern
um bedeutsame wissenschaftliche Forschungen auf
dem Gebiete des Gottesdienstes.

Stettin. Hugo Stelter.

Hopwood, P. G. S.: The Religious Experienee of the Primitive
Church. The Period prior to the Influence of Paul. Edinburgh:
T.&T. Clark 1936. (XXII, 387 S.) 8°. 10 s.

an der Apokalyptik und die Ausgliederung ursprünglicher
Gefühle in gedankliche und ethische Setzungen.

Freilich wird bei allem der hellenistische Einfluß zu gering gewertet
(vgl. S. 283 ff. u. o.); bei allen urchristlichen Untersuchungen darf man
sich nicht damit begnügen, eine Herleilung aus dem A. T. festzustellen,
sondern man muß immer erst fragen, ob das A. T. eben nicht hellenistisch
gelesen und erlebt wird. So sind auch die Schlußfolgerungen von
S. 342 falsch oder zum mindesten sehr einseitig; der Verf. kennt die
hellenistische religiöse Welt zu wenig.

Königsberg i. Pr. Carl Schneider.

Saloniies, Ilmari: Der Hallesche Pietismus in Rußland zur
Zeit Peters des Großen. Helsinki 1936 (164 S.) gr. 8°. =
Eine Religionspsydiologie des Urchristentums war j Annales Academiae Scientiarum Fennicae, B. XXXI, 2.

gewiß längst erforderlich und der Verf. hat diese schwie- Die Erforschung des Pietismus und verwandter reli-
rige Aufgabe mit viel Sorgfalt angefaßt. Leider reicht giöser Bestrebungen hat in den letzten Jahren durch
aber methodisch wie sachlich das rein psychologische ; ausländische Forscher einen starken Antrieb erhalten.
Rüstzeug nicht völlig aus. Die nur „verstehende Psy- ! Den vielen territoral-deutschen Untersuchungen folgten
choLogie1", die der Verf. vertritt und die noch völlig auf j Werke über den schwedischen und den estländischen
den Schultern von James steht, genügt doch dafür nicht, sowie livländischen Pietismus. Das Ergebnis solcher
und die Sammlung von analogem Material kann noch j Arbeiten zeigte den weltweiten Charakter des Halle-
nkht als Erklärungsprinzip gelten. Man hätte von der j sehen Pietismus, der sich immer stärker als allgemein-
neueren Gefühls-, Gestalt-, ja selbst Vorstellungspsycho- ' protestantische Erweckungsbewegung fühlte. Die vor-
lo"ie aus noch zu viel tieferen Ergebnissen kommen | liegende Arbeit von Salomies ergänzt dieses Bild in
können. Aus dien Ergebnissen ist immerhin vieles be- j der glücklichsten Form. Man wird es verständlich fin-
achtenswert, vor allem die Analyse der unableitbaren j den, daß der Hallesche Pietismus um die deutschen GeFaktoren
der persönlichen Erlebnisse der Umwelt an j memden Rußlands kämpfte. Auch seine Wirkungen auf
Jesus und der Aufweis der psychologischen Verbindung - die schwedisch-finnische Armee Karls XII., die gefan-
Jesus-Urgemeiinde-Paulus. Die psychologisch besten Be- i gen in Rußland und vor allem in Sibirien war, Tassen
obachtungen enthält der dritte Teil mit zum Teil überra- j sich leicht erklären. Denn es handelt sich auch hier
sehend neuen Einsichten in die religiöse Sozialpsycholo- ! um Lutheraner. Aber der Versuch, auch das griechisch-
gie, die zur Erklärung des Werdens der ersten Ge- I orthodoxe Rußland zu bekehren, zeigt von unermiid-
meindien manches beitragen. | lichem Arbeitsdrang und unerschütterlicher Glaubenssicherheit
. So unterstreicht die Arbeit von S. die Bedeutung
des Halleschen Pietismus. Aber sie sagt noch
mehr. Diese Deutschen in Rußland, die Kaufleute und
Handwerker, die Offiziere und Ärzte, lebten zu der Zeit,
als der Hallesche Pietismus sich Eingang erzwang, in
einem völlig ungebrochenen lutherischen Glauben. Allen
war die Kirche noch Lebensbedürfnis. Daher kamen

die Pietisten nicht als Kämpfer gegen die Freiseisterei,
Nach einem einleitenden Teil, der kurz die Quellen- ; d j ß , b d J^&ffid, toten S^JJ

frage und die methodischen Voraussetzungen zusammen- | Sjtte Die Fol biestand ._ dauernd,cn Unnihen kner-

faßt, folgt die Analyse der Erlebnisse der Augenzeugen , h lb d Gem4de. Leider ht aus den Äusfünrin"en

Jesu. Sie: erfolg ohne weitere psychologische Erwagum- yon & . ht , ^ gestritten hat Nur

gen durch einfühlende Darstellung des synoptischen Be- auf Ungeschicklichl;ei.t dllzd™ fS£n JJg X

eingehendere psychologische Analyse erfolgt bei den Heilungs- ! ^ft wirftnä JfL^ i^^tX ^ H™*

und Aufe^ehWgeschichten. Im ersten Falle wird der religionseeschicht- I ™JJ» wird hingewiesen. Uberhaupt handelt es sich in

liehe Sachverhalt zu sehr mit dem psychologischen vermischt. Das bei- a'eser Arbeit vor allem um die Darstellung der äußeren

gebrachte psychologische Material genügt den Anforderungen nicht; so Vorgange, die bisher in Deutschland kaum bekannt ge-

z. B. begnügt sich der Verf. mit einem noch dazu wenig charakteri- worden sind, soweit nicht H. Koch Und R. Stupperich

stischen Beispiel für Suggestionsheilungen aus Mac Dougalls Abnormal j in ihren kirchengeschichtlichen Werken über die Zeit

Psychology (S. 91 f.). Gut|ist die Beschreibung der unbewußten Spannungs- j Peters des Großen bereits darauf eingeo-ano-en sind

komplexe In den Anhängern Jesu nach seinem Tode. Auch das Auf- | Deshalb verdient S.' Werk gerade in Deutschhnd he-

erstehungserlebnis wird sorgfältig als eine modifizierte Visionsserie I sondere Aufmerksamkeit. Man dankt es dem Verfas-

psycholoeisch möglich beschneben, wenn freilich auch hier nicht alles , . , T~V "<l"*L « uem venas

aufgeh. 8 Nur häUe man Belege für solche Visionsserien - der Verf. | Se£ ™ß er es in deutscher Sprache vorlegt.

spricht sogar von Visionswochen (S. 138) — aus der psychologischen j presuu._____ Hans Leube.

Literat,,, erwartet. &Jp*^.**** *c"" fi!fln . Merkel, Lic. theol. Dr. phil. Rud. Frz.: Christentum und"Se^

Der dritte Teil beschäftigt Sich VOl allem mit den ethik. Eine Auseinandersetzung mit Gegenwartsfrage,,. Gießen: A.

sozialpsychologischen Erscheinungen der Geisterlebnisse Töpelmann 1932. (47 s.) 8°. = Aus der Welt der Religion, Forschgn.

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In dem Suchen nach eigentümlich Ulchristlichen Erlebnissen geht
der Verf. freilich viel zu weit. Warum ?.. B. Rom. 12, 15 ein spezifisch
christliches Erlebnis sein soll (S. 36), ist nicht einzusehen. Das häufig
zitierte „Stephenite movement" ist eine höchst unsichere Größe, und
nichts deutet in den Quellen darauf hin, daß in ihm eine Art christlicher
Alexandrinismus erlebt worden sei. Die psychologische Erklärung
der Apokalyptik ist viel zu einfach und gibt sich nur mit Popularpsycho-
logien ab (S. 50 ff.).

der Act

Auch hier sind die Erklärungen oft zu einfach. „The vivid inner
experienee has results on the System of Sensation such as to produce
vivid auditory phenomena" klingt zu sehr nach alter Assoziationspsycho

u. Berichte, unt. Mitwirkg. von H. Frick u. R. Otto hrsg. von E.
Fascher u. G. Mensching. Religionswiss. Reihe. H. 19. RM 1.60.
Ohne Verschulden des Rez. ist dies lebendig in die Situation von
1932 hineingesprochene Wort M.s nicht sogleich angezeigt worden. Aber

logie (S. 145). Für das Zungenreden bringt der Verf. eine Reihe inte- ein Hinweis wird auch heute, in mannigfach gewandelter I.age Vielen

ressanter neuer Analogien, hier lassen sich auch die psychologischen zu Dani< geschehen. M. bespricht zuerst „Probleme des Sexualethos in

Deutungen hören; wir haben in der Tat Integrationserscheinungen vor der Gegenwart", dann „Moderne Ehefragen in rel-sittl Beleuchtung"

uns (S. 156 ff.). Wertvoll ist das beigebrachte Material für Heilungen , und rundet seine Worte in einer kurzen Zusammenfassung ab Mit

bei Erweckungsbewegungen (S. 168 ff.) zur Erklärung ähnlicher Erschei- Lütgert überzeugt, daß die Ethik nicht die Stärke der prot Theologie

"ungen in Act, während das zu den Visionen zu wenig kritisch gesichtet und Kirche gewesen sei, steht er tief unter dem Eindruck wie sehr den

'St. Viel mehr wäre über Personifikationserscheinungen zu sagen gewesen; von allen Selten her andrängenden Schwierigkeiten und Noten pepeniilier

mindestens hätte der Verf. den psychologischen Begriff der Zwischenfigur eine von allen Traditionsbindungen freie Neubesinnung erforderlich sei

einführen können (S 180 ff). . . und zeigt in belebter Auseinandersetzung mit Stimmen aus Wissenschaft'

Beachtlich sind die Bemühungen um ein kollektives Leben und Dichtung Richtung und Gcstaltungsmögl'chkeitcn solchen

Selbstbewußtsein der Urgemeinde. Es wird als eine Art Neubauens auf. Ich weiß nicht, ob M. seitdem zu den gleichen Fragen

reich differenziertes Verwandt&chaftserlebuisbeschrieben, ' das Wort wieder ergriffen hat; man wird sich seiner aufgeschlossenen

durchsetzt von mancherlei Erlebnisspannungen. Dazu Führung stets gern anvertrauen.

kommt die Sublimierung eines Enttäuschungserlebnisses j Koblenz-________ Peter Katz-