Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1937 Nr. 1

Spalte:

332-333

Autor/Hrsg.:

Borch, Herbert von

Titel/Untertitel:

Das Gottesgnadentum 1937

Rezensent:

Wünsch, Georg

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

331

Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 18.

'532

des trefflichen Unterstaatssekretärs Mgr Capaccini unter
sonst 'sehr schwierigen Umständen gelungen, nicht alkin
die seit dien letzten anderthalb Jahren eingetretenen
Differenzen zwischen dem hiesigen königlichen Hofe
und dem päpstlichen Stuhle im wesentlichen und mit
Beseitigung der früheren Gefahr eines Bruches zu erledigen
, sondern eben dadurch auch zugleich dem erstehen
, Rom gegenüber, eine bessere und festere Stellung
als jemals zu verschaffen" (S. 228). Und der
jetzt noch von Schmidlin wie damals von der ultramontanen
Presse übel verketzerte Kölner Domherr München
, der rührige Helfer Spiegels, trug das ihm vom
Papste verliehene Ritterkreuz des Gregoriusordens (S.
232f.).

Bastgen weist in einer eindrucksvollen Gegenüberstellung
(S. 136 f.) darauf hin, daß das durch Bunsens
Zähigkeit und Geschicklichkeit erreichte Mischehenbreve
Pius' VIII. vom 25. März 1830 (vgl. Mirbt, Quellen
2. Aufl. S. 350 Nr. 411) wesentliche Vorteile, namentlich
in der Formulierung und im Tonfall gegenüber
der „Benediktina" von 1741 (vgl. Mirbt a. a. O. 311
Nr. 380; Denzinger-Bannwart, Enchiridion 20. Aufl. S.
398) für den preußischen Staat enthält. Freilich, die
Hauptforderung des Königs: unbedingte Trauung der
Mischehe und damit Anerkennung der Suprematie des
Allgemeinen Landrechts über das kanonische Recht konnte
nicht erreicht werden. Auch die Angleichung des Brauchs
im Westen an den für den Staat erträglicheren im Osten
und die staatsfreundliche Handhabung der kirchlichen
Disziplin, wie überhaupt die gesamte pastorale, auf der
Beichtstuhlpraxis beruhende oberhirtliche und seelsor-
gerliche Einwirkung, konnte nicht vereinbart werden,
mußte sich vielmehr langsam unter beiderseitigem Wohlwollen
entwickeln. Die Kölner Wirren von 1837 haben
der 1830—34 eingeleiteten Entwicklung ein Ende bereitet
. Überdies hat der Sieg des Papalismus über den
Episkopalismus selbstständiges Vorgehen der Diözesen
immermehr unmöglich gemacht und die Bedeutung der
Disziplin gegenüber dem Dogma noch mehr zurückgedrängt
.

In seiner Einführung (S. VII) sagt Bastgen: „Gewiß
wäre dieser und jener Irrtum vermieden und vor
allem seinem — Schrörs' — Buche jene unschöne Färbung
erspart geblieben, die aus einem fast erbitterten
Gefühl entstand, als ob die Übertragung der Mischehengesetzgebung
von dem Osten auf den neu erworbenen
Westen der bewußte Ausfluß einer gehässigen
Religionspolitik gewesen sei. In alle den Aktenstücken,
die mir zur Verfügung standen, müßte doch eine dem-
entsprechende leise Andeutung irgendwo einmal sich
wenigstens verirrt haben, wenn dem so wäre. Mit ehrlicher
Freude gestehe ich, daß das nicht der Fall ist.
Und so glaube ich durch diese Arbeit nicht nur der geschichtlichen
Wahrheit, sondern auch der Gerechtigkeit
einen Dienst erwiesen zu haben, und die Gefälligkeit
, mit der mir die beiden Berliner Ministerien und
das Geheime Staatsarchiv die Akten uneingeschränkt
zur Verfügung stellten, ist in schönster Weise belohnt;
die Akten des Vatikanischen Geheimen Archivs waren
mir ohnehin zugänglich. Das ganze Drum und Dran,
was die Behörden in den Provinzen, was dieser oder
jener Beamte, erst recht Unterbeamte, im Eifer für die
Durchführung des Gesetzes, auch vielleicht in unangebrachter
Proselytenriecherei zum vermeintlichen Nachteil
des Katholizismus und Vorteil des Protestantismus
getan haben mögen, berührt uns hier nicht. Nichts
ist davon nach oben gedrungen, so daß es von Einfluß
auf die Gesinnungen der Minister und die Verhandlungen
zwischen Berlin und Rom gewesen wäre."

Welche Ministerialakten Bastgen eingesehen hat, teilt
er leider nicht mit; die herangezogenen Akten des Geh.
Staatsarchivs werden am Schluß mit zwei Zeilen genannt
. Es wäre aber durchaus zweckmäßig gewesen,
wenn B. bei den zahlreichen Nachweisungen regelmäßig
genau den Fundort der Quelle angegeben hätte.

Berlin. Otto Lerche.

] Seefeldt, Fritz: Dornfelds Chronik. 150 Jahre Ausland-Deutschen
-Schicksal. Plauen: üünther Wolff 1936. (XXIV, 301 S.) gr. 8°.
= Deutsche Gaue im Osten. 7. Band. RM 8—; geb. 9.50.

Wir kennen den holsteinischen Pfarrer Dr. Friedrich Seelfeldt als
begeisterten Gründer und nimmer müden Leiter und Propagandisten der
etwas reichlich idealistischen Volkshochschule in Dornfeld in Galizien,
einem typischen Gewächs der unruhigen Nachkriegszeit und ihrer pädagogischen
Experimentiererei. Die Dornfelder Volkshochschule hob sich
von anderen ähnlichen Gründungen allerdings vorteilhaft ab durch die
enge und förderliche Verbindung mit der evangelischen Gemeinde, mit
ihrem Pfarrer und ihrem Pfarrhause, in doppelter, sehr schwieriger Diaspora
. Wir kennen Seefeldt auch als den Forscher, der zur 150 Jahrfeier
der deutschen Ansiedlung in Galizien wertvolle geschichtliche
Quellen erschloß. — Das vorliegende Buch ist, keineswegs wissenschaftlichen
Zielen folgend, in erster Linie aus den Urkunden, namentlich aus
denen des Lemberger Staatsarchivs und vieler kleiner kirchlicher Archive
erwachsen. Bei aller Volkstümlichkeit der erzählenden Darstellung und
dem oft allzugründlichen Verweilen bei nebensächlichen oder doch nur
den Dornfelder interessierenden oder gar beglückenden Kleinigkeiten und
Erinnerungen stellt sich das Buch in den großen Kreis der Literatur,
die die Welt um Kaiser Joseph IL, seine unermüdliche Siedlungsarbeit
und seine inneren Schwierigkeiten aufhellt. Sodann ist das Buch ein
Denkmal zähen deutschen Aufbauwillens, dessen Werte und Möglichkeiten
wir erst in diesen unseren Zeiten voll zu würdigen wissen. Was
in erster Linie pfälzische Bauern seit den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts
in Galizien, in volksfremder, anderssprachiger, religionsfeindlicher
Umgebung und Unduldsamkeit und in unwirtsamer Waldwildnis geleistet
haben, was sie an Enttäuschungen durch ein bürokratisches Regiment
und eine durchaus unsoziale Grundherrschaft erlebt haben, das wird an
dem Beispiel Dornfelds — mit Reichenbach, Lindenfeld, Neu Chrusno,
Falkenstein, Einsiedel und Rosenberg — schlicht und warmherzig gezeigt
. Das Buch ist alles in allem ein wohl eigenwilliger aber wertvoller
und vielseitiger Beitrag zur Geschichte und zum Lebensbilde der
evangelischen Diaspora.

Berlin. Otto Lerche.

Borch, Herbert von: Das Gottesgnadentum. Historisch-soziologischer
Versuch über die religiöse Herrschaftslegitimation. Berlin:
Junker & Diinnhaupt 1934. (VI, 170 S.) gr. 8°. = Probleme d. Staats-
und Kultursoziologie. Hrsg. v. A. Weber, Bd. 9. RM 5.50.

Mit soziologischer Methode verfolgt der Verf. ein
Problem von größter und umfassender Wichtigkeit, insbesondere
auch für die Theologie. Es ist die religiöse
Legitimation der Herrschaft, die sich durch
die ganze Geschichte der Herrschaft von den* alten Ägyptern
bis zum Gottesgnadentum des modernen absolutistischen
Staates hinzieht. Über diesen gewaltigen Zeitraum
erstreckt sich die Untersuchung des Verf. Naturgemäß
mußte die Darstellung so die Form einer Skizze annehmen
; doch ist das Wesentliche in deutlicher Linienführung
gesagt, wobei beste historische und soziologische
Forschung als Quelle benutzt wird. — — In Anlehnung
an soziologische, die Begründung der Herrschaft bezeichnende
Begriffe bei Max Weber wird die „charismatische"
Herrschaftslegitimation untersucht. Dabei ergeben sich
verschiedene Formen von ihr: die auf persönlichem Charisma
, d. h. der genialen politischen Leistung beruhende
Legitimation oder die das Charisma zur Institution „ver-
alltäglichende" Sanktion. Die göttliche Begründung kann
im Staat selbst wurzeln, indem er sich autonom göttlichen
Charakter zuschreibt, oder er kann das Recht
zu ihr erst „von außen" durch eine Hierarchie oder
ein Priestertum im Akt der Weihe empfangen. Der
Herrscher kann selbst als Gott erscheinen oder als
sein Abbild in der Vorstellung irgend einer Reimkarna-
tion oder als durch Gott mit der Herrschaft beauftragt
oder beamtet. Die Thesen, um die es dem Verf. zu tun
ist, sind die: Die Herrschaft besitzt eine relative Selbständigkeit
gegenüber der „Gesellschaft", als solche
zeigt sie eine von der allgemeinen Sozialstruktur selbständige
Kontinuität. Diese wird bestimmt durch die
Urtatsache, daß alle Herrschaft von Anfang an „magischer
" Natur ist und sie bei allem Wandel der Herrschaftsformen
festhält; seine Anfangssituation kann der
Staat nie verleugnen, er hat seine Geburtsstunde als
orientalische Weltherrschaftsidee und messianischen Anspruch
erlebt, mit ihr bleibt er riieht nur durch Symbole
, Riten, Feiern, sondern auch der Idee nach verknüpft
. Es sind Feststellungen von K. Burdach, die