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Ausgabe:

1937 Nr. 17

Spalte:

316-319

Autor/Hrsg.:

Stählin, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Vom göttlichen Geheimnis 1937

Rezensent:

Knevels, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 17.

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alter am Platz sein; wo aber patriotische Texte als Zeugen für ihre
eigene Zeit gebracht weiden, ist dies Verfahren völlig sinnlos. Eine
deutsche Übersetzung wäre in diesem Fall das Angemessene, wenn der
griechische Text vermieden werden muß.

Heidelberg. H. v. Campenhausen.

S t o 11, Heinrich: Theodor Kliefoth als Kirchenführer. Ein Denkmal
für die Gegenwart. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1936.
(106 S.) 8°. RM 3.80.

Über den Schweriner Oberkirchenratspräsidenten
Theodor Kliefoth (gest. 1895) haben wir die materialreiche
, weitausholende Biographie aus der Feder seines
Amtsnachfolgers E. Haack (1909). Haack hat
das Bild Kliefoths so geprägt, wie es zunächst in die
Kirchengeschichte eingegangen ist, das Bild eines hochkirchlich
gesinnten Kirchenfürsten, der bei allen großen
Qualitäten an weitausgreifender Wirkung durch die
Enge seines lutherischen Bekenntnisstandpunktes gehindert
wurde. Soweit diese Gestalt aus Haacks Darstellung
klar hervortritt, wird sie von dem Biographen
weder kritisiert noch gar abgelehnt. Aber die Zeit,
die dem lutherischen Konfessionalismus abhold war,
vertrug Männer wie Kliefoth nicht, wie sie auch etwa
für Harleß kein Verständnis hatte. —

1847 wählte der Centraivorstand des Evangelischen
Vereins der Gustav Adolf-Stiftung in Leipzig Kliefoth
zu seinem Mitglied; die nachfolgende Hauptversammlung
aber hatte gar keine Möglichkeit, diese Wahl
satzungsgemäß zu bestätigen, weil Kliefoth — lange
vor Begründung der Gotteskastenvereine in Hannover
und Meckenburg — schon jegliche nicht konfesssionell
begründete Diasporapflege als nicht kirchlich abgelehnt
hatte. Diese Haltung, die Kliefoth dem jungen, in
idealistischem Schwünge weitausholenden Liebeswerke
gegenüber einnahm, ist bezeichnend für seine Einschätzung
von Kirche und Bekenntnis. Unsere heutige Einschätzung
von Kirche und Bekenntnis zumal in ihrer
Wechselwirkung führt uns auch zu einer neuen Betrachtung
und zu einer neuen Aufnahme des Kirchenführers
Kliefoth. Diesem durchaus zeitgemäßen Bedürfnis
entspricht das kleine Lebensbild Kliefoths, das
der Verfasser ausdrücklich als „Denkmal für die Gegenwart
" bezeichnet. S t o 11 hat zu seinem reizvollen
Büchlein die reichen Bestände des Großherzoglichen
Hausarchivs in Schwerin benutzen dürfen, so daß er
mit manchem Brief und manchen Aktenstück aufwarten
kann, die Haack noch nicht zugänglich waren. Am
wertvollsten in dem Büchlein ist der Abschnitt „systematische
Besinnung" (S. 34—51), in dem unter reichlicher
Anführung aus Kliefoths Schriften die Lehre des mecklenburgischen
Kirchenführers über Kirche, Geistliches
Amt, Kirchenregiment und Staat/Kirche dargestellt
wird. Von besonderem Reiz für den intimen Kenner
der Einzelheiten sind die hier erstmalig veröffentlichten
Verhandlungen um Kliefoths Berufung nach Dresden zur
Nachfolge von Harleß. Eifrige Männer des Gustav
Adolf-Werkes wie der Minister Frhr. v. Falkenstein und der
Geheimrat K. B. Meißner sowie der katholische König
Friedrich August haben sich 1853 in einer Kliefoth
außerordentlich ehrenden Weise um den mecklenburgischen
Kirchenführer vergeblich bemüht (S. 87 ff.) Von
gewisser Bedeutung gerade für unsere Tage ist auch die
Haltung Kliefoths gegenüber den Konfessionskirchen
überhaupt (S. 91 ff.) und zu dem Gedanken der Reichskirche
. — Alles in allem ist das Büchlein Stolls ein
wertvolles Gegenstück zu Heckeis Harleß (1933; vgl.
Theol. Lit. Ztg. 1934 Nr. 21 Sp. 378^.

Berlin. Otto Lerche.

A n b r e y, prof. E. E.: Present Theological Tendencies. New York
and London: Harper & Brothers 1936. (X, 245 S.) 8°. $ 2—.

Der Verfasser, Theologieprofessor an der Universität
Cbikago, gibt in seinem Buch eine eingebende
Darstellung der größeren theologischen Strömungen unserer
Zeit und ihrer Bedeutung für die moderne westliche
Kultur. Ein sehr ernstes Anliegen bewegt ihn.

, Er sieht die großen Schwächen dieser Kultur: ihre

I Ziel- und Grundlosigkeit und ihre sittliche Verarmung.
Er sieht auf der anderen Seite das völlige Versagen

I des gegenwärtigen Christentums, unsere verworrene und
morsche Kultur mit seinen Kräften zu durchdringen und
ihr einen neuen Auftrieb zur Gesundung und Pro-

J duktivität zu geben.

Bei der Darstellung dieser Problematik gibt A. eine
Analyse von vier großen theologischen Bewegungen
der Gegenwart, die zugleich die Disposition des Buches
bestimmen: Modernismus, dialektische Theologie, Neu-
thomismus, Naturalismus bzw. Supranaturalismus. Keine
dieser Bewegungen wird der Aufgabe gerecht, welche die
Krisis der gegenwärtigen Situation der Kultur stellt.
Die Darstellung ist in den Einzelheiten durchaus sachlich
zutreffend und ungemein lehrreich, ihre Form sehr
klar und allgemein verständlich. Am interessantesten
ist die Analyse der dialektischen Theologie. A. deckt

j ihre geschichtlichen Ursprünge auf (Kierkegaard, Dostojewski
, Weltkrieg). Er zeigt, warum diese Theologie
mit ihrem tragic sanse of Life gerade die deutsche
Seele für sich einnehmen konnte. Aber er sieht in ihr
nur eine Krankheitserscheinung, die überwunden werden
muß. Sie endet in Obscurantismus und Fundamen-
talismus. Sie bleibt in Relativitäten stecken, aus denen
sie gerade hinausfuhren wollte, und sie findet keine
Brücke zu der geschaffenen Welt und dem natürlichen
Leben. Nötig ist eine Theologie als Gestaltung einer
emotionalen Erziehung, eine Theologie, die eine Antwort
gibt auf die Nöte des modernen Lebens, die der
niedergehenden Kultur neue, positive Werte zuführt.

A. will in einem weiteren Band selbst solche Antwort
zu geben versuchen. Der vorliegende Band beschränkt
sich vorwiegend auf eine sachliche Darstellung
der theologischen Gesamtsituation. Aber diese
Darstellung ist ihm so vorzüglich gelungen, die Problematik
der gegenwärtigen Kultur so scharf gesehen,
daß wir dem Buch nur weiteste Verbreitung wünschen
können.

Kiel. Werner Schultz.

Stählin, D. Dr. Wilh.: Vom göttlichen Geheimnis. Kassel:
Joh. Stauda-Verlag 1936. (144 S.) gr. 8". = Kirche im Aufbau.
H. 4. Kart. RM 2.80.

Für ein neues Verstehen des Kultus und des Sakramentes
ist Stählin führend geworden. Ein Vortrag über
den Zusammenhang von Sakrament und Kirchengestalt
weitete sich ihm zu einer Darstellung der inneren Einheit
aller kirchlichen Lebensformen unter dem Begriff des
„göttlichen Geheimnisses" (1. Kor. 4,1), — vorgelegt
in dieser Schrift, die weiter und tiefer führt als Stählins
bisherige Veröffentlichungen. Stählin verläßt grund-
I sätzlich jegliche irgendwie re 1 i g i o n s ge s c h i c h t -
liehen Methoden (man erhelle das, was das christliche
Mysterium ist, nicht durch religionsgeschichtliche
Untersuchungen; sondern durch das in Christus geöffen-
I harte Geheimnis falle Licht auf Sinn, Bedeutung und
I Grenze der anderen Mysterien) und geht von der absoluten
Einzigartigkeit der christlichen Offenbarung aus-
Er wendet sich aber auch von jeglicher im Bereich
[ des Christlichen verbleibenden historisierenden
| Betrachtung ab; in der ü b e r geschichtlichen Wahrheit,
die in der Geschichte in, Erscheinung getreten ist, wurzelt
unser Glaube und ist die Kirche gegründet. Diese
| Wahrheit ist aber ein „Geheimnis", — sodaß die dritte
| Front des Büchleins gegen jeglichen Rati on ali s "
I mus geht. Auf den Begriff des „Geheimnisses" oder
! besser: auf seiine geoffenbarte Wirklichkeit hat Stählt
alles, was er zur „Kirche" zu sagen hat, zusammengerissen
:, — mit einer Einseitigkeit, die großartig wirkt und:
J es daher für uns ausschließt, in nüchterner Weise bei Bin-
zelheiten kritisch auf „andere Seiten" hinzuweisen, ■—
umso mehr als die Schrift in einer dem Geheiminis airge*
j messenen ehrfurchtsvolilien Sprache geschrieben ist. Wir
wollen also auf die wesentlichen Punkte der Schilift hitft"
weisen und davon zeugen, was sie bedeuten kann.