Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1937 Nr. 17

Spalte:

299-300

Autor/Hrsg.:

Schöll, Hans Christoph

Titel/Untertitel:

Die drei Ewigen 1937

Rezensent:

Vorwahl, Heinrich

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

299

Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 17.

300

Schöll, Hans Christoph: Die drei Ewigen. Eine Untersuchung
über germanischen Bauernglauben. Jena: Eugen Diederichs [1936].
(170 S. m. 18 Abb.) 8°. Kart. RM 4.60. ;

Ausgehend von den Weihesteinen des Niederrheins, j
auf denen drei weibliche Gottheiten immer vereint abgebildet
sind, will der Verfasser den Nachweis führen,
daß diese weibliche Dreifaltigkeit innerhalb eines be- !
stimmten Zeitraumes die Gottheit unserer Vorfahren j
darstellte. Aus diesem bisher als keltisch-römisch ver- !
standenen Matronenkult wird sodann die Verehrung einer
Gruppe dreier christlicher Heiligen abgeleitet, deren Namen
Ambet, Wilbet und Borbet der Wesensdeutung
der germanisch-keltischen Dreiheit dienstbar gemacht
werden. Altkeltisches Anu == Göttermutter soll die erste
Worthälfte vom Ambet erklären, die damit als Personi- j
fikation der jungfräulich-mütterlichen Erde erscheine.
Englisches Wheel = Rad oder Scheibe weise auf den Voll-
mond und kennzeichne Wilbet als Mondgottheit, wäh- j
rend keltisches Borm = warm die Borbet als mütterliche
Sonne erweise. Die zweite Worthälfte Bet soll nicht
damit zusammenhängen, daß man e'twas von der Gottheit
erbat, sondern weil der Name der Gottheit Bet
(von keltischem Bit-u = ewig) war, nannte man ihre j
Anrufung „beten". Damit bringe diese kosmische Gottheit
auch durch ihre Namen zum Ausdruck, daß in
der Welt des germanischen Bauerntums nicht aufhören
könne Sommer und Winter, Frost und Hitze, Tag und
Nacht. Der Gedanke eines Endes, des ragnarök der
Edda, sei dieser Glaubenswelt unvorstellbar gewesen.

Die Spuren dieser Weltanschauung findet Schöll am
reinsten erhalten in Sagen und Märchen, Legenden und
Kinderliedern. Überall, wo von Hügeln und Bergen
Sagen von drei Fräulein, von unterirdischen Höhlen, wilden
Leuten oder versunkenen Schlössern erzählt würden,
stehe man auf altheiMgem Boden. Wappen mit Frauen,
Darstellungen von Sonne, Mond und Sternen, Flammen
und Kerzen, Dreibogen oder verschlungenen Ringen wiesen
auf alte Kultstätten der Drei Ewigen. Wie vier
Wochentage eine Reihe germanischer Gottesnamen Die-
ten, sei die heilige Dreifalt Ambet, Borbet und Wilbet
im Samstag, Sonntag und Montag zu finden, wenn man
alemannischem Sprachbrauch folgend S'Ambetstag als
Grundlage von Samstag erschlösse. Von katholischen
Heiligen werden Felicitas = Wilbet, Perpetua = Borbet,
Barbara = Borbet gesetzt, auch Maria, die Für bitter
in, entspreche der alten Wirbet. Die Gruppe der
heiligen Anna selbdritt wird ebenso auf die vorchristliche
Dreifaltigkeit bezogen, wie das Wort „böten" für
den Spruchzauber im Niederdeutschen den 3 „Beten" gelte.
In weiterer Abwandlung erscheine das Wort Bet in 1
unserem Wort „Butter", wie die Butterjungfrau von
Zerbst nahelege. Auch die Altweibermühle von Tripstrill j
bewahre die Erinnerung an das ewig kreisende Rad vom
müden Sterben und verjüngten Wiederauferstehen durch
die Macht der drei göttlichen Frauen, zu deren Kultstätten
demgemäß Höhlen mit einein Felsengrab gehörten,
wie es Teudts Arbeiten an den Externsteinen bloßleg- j
ten. So erhalten sämtliche Züge der lebendigen Volks- j
Überlieferung eine sinngemäße Beziehung auf die Drei j
Ewigen, und das Ineinandergehen alten und neuen I
Volksglaubens erklärt nach Schöll, daß der Übergang
zum Christentum bei den Germanen sich im großen und
ganzen ohne schweres Ringen vollzogen habe.

Weicht schon die Tonart, mit der von der christlichen
Überlieferung hier gesprochen wird, erfreulich
von der üblich gewordenen Einstellung jüngerer Unter- I
suchungen des germanischen Bauernglaubenis ab, so ist
auch dem Verfasser darin zuzustimmen, daß in der i
durch Zeugnisse erleuchteten Zeit ein Erdglaube und
Kult bei den Germanen vorhanden war, welcher der mütterlichen
, gebärenden Kraft der Erde galt. Unwahrscheinlich
ist auch, daß er erst von den Kelten übernommen
sein sollte, vielmehr wird es sich um gemeinsames
indogermanisches Erbgut handeln. Ferner hat
der Verfasser darin Recht, daß es nicht angeht, I

den mittelmeerländischen Mutterkulten die nordische Vaterreligion
gegenüberzustellen. Denn abgesehen davon,
daß die erste konsequente Vaterreligion das Judentum
ausbildete, sei die Frage aufzuwerfen, ob in Mutterkult
und Vaterreligion grundsätzlich eine rassisch bedingte
Andershaltung zum Ausdruck komme, oder nicht vielmehr
eine religionsgeschichtHche Entwicklungsstufe innerhalb
eines rassisch unveränderten Volkstums in Erscheinung
trete. Aber diese Zustimmung zum chthoni-
schen Charakter der Dreiheit kann sich nicht auf die
weiteren mythologischen Phantasien erstrecken, für die
H. Rocholz' Buch über die „Drei Gaugöttin.nen" (1870)
eine Vorstufe bildet. Es gehört zum Bann der romantischen
Anschauungen des 19. Jahrhunderts, in den neuzeitlichen
Volksüberlieferungen die ehrwürdigen Reste
einer uralten Vergangenheit zu sehen (J. de Vries, Altgermanische
Religionsgeschichte I, 277), während wir
nur ausnahmsweise das volkskundliche Material für die
Rekonstruktion der heidnischen Zeit zu verwenden wagen
, wenn nämlich die verschiedenen historischen Schichten
sauber abgedeckt werden können. Hier liegt der
methodische Fehler seiner „reiigionsgeschichtliichen Sagenforschung
", der nur noch übertroffen wird von der
krampfhaften Ideenassoziation, durch die es gelingt,
überall Beziehungen zu den drei „Beten" zu finden.
Sie zu kritisieren, ist hier nicht der Platz, nur an einigen
Beispielen mag die Gewaltsamkeit aufgezeigt werden.
So weist der niederdeutsche Fachausdruck für „Besprechen
" = böten auf büßen = heilen zurück, und
ebensowenig hat die Zerbster Butterjungfrau mit den
Beten zu' tun. Sie wird durch die drastischere Parallele
am Brusttuch in Goslar vom Jahre 1526 als apotro-
päische Figur ausgewiesen, wozu der Artikel „Butter"
im Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens die
nötigen Belege bietet. Das Grab an den Externsteinen
aber ist nach Dalmans ansprechender Vermutung eine
Nachbildung des Grabes Jesu in der Bußdorfkirche zu
Paderborn, das die Mönche 1036—39 nach dem Grabe
Jesu in Jerusalem schufen. Wenn in der Matronengruppe
die äußeren Figuren durch eine Haube von
der mittleren unterschieden werden, brauchen wir nicht
zur Deutung auf Sonnen- und Mondscheibe zurückzugreifen
, sondern es liegt näher, in ihnen die Darstellung
verheirateter Frauen zu sehen. So wird für den nüchternen
Betrachter der schwankende Sumpfboden erkennbar
, auf dem trügerische Irrlichter von Hypothesen den
Wanderer vom rechten Pfade abzubringen vermögen.
Quakenbrück. H. Vorwahl.

The Cambridge Ancient History. Vol. XI: the Imperial Peace. A.
D. 70—192. Ed. by S. A. Cook, F. E. Adcock, M. P. Charlesvrorth.
Cambridge: University Press 1936. (XXVII, 997 S. 18 Ktn.) gr. 8°. 35 s.

Die Besprechung des 11. Bandes der Cambridge
Ancient History kann in dem Rahmen eines kurzen
Referates nicht mehr sein als ein Hinweis angesichts des
großen Umfangs des Bandes und des ganzen Werkes
überhaupt. So sei hier in erster Linie betont, da frühere
Bände dieses großen Werkes in dieser Zeitschrift
noch nicht zur Besprechung gelangt sind, (außer Bd. II
Jahrgg. 1925, S. 7ff.), daß wir es in der seit 1923
erscheinenden Cambridge Ancient History mit der weitaus
bedeutendsten Neuerscheinung zu tun haben, die
das Gesamtgebiet des Altertums behandelt. Dazu würde
sie allein schon der äußere Umfang machen, da jeder
der bisher erschienenen Bände etwa die Stärke des
vorliegenden besitzt; aber dem Umfang entspricht glücklicherweise
auch die Qualität. Der Grundsatz, die einzelnen
Teile einer solchen Gesamtgeschichte einzelnen
dafür besonders zuständigen Bearbeitern zu übertragen,
i9t in der Cambridge Ancient History bis an die äußerste
Grenze zur Anwendung gekommen. Fast jedes Kapitel
stammt von einem besonderen Verfasser, mitunter teilen
sich sogar mehrere Verfasser in ein Kapitel. In
den ersten Bänden dieses Werkes sind die Nachteile
dieser äußersten Arbeitsteilung gelegentlich störend ZU-