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Ausgabe:

1937 Nr. 1

Spalte:

284-285

Autor/Hrsg.:

Haugg, Donatus

Titel/Untertitel:

Die zwei Zeugen 1937

Rezensent:

Seesemann, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 15/16.

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begreifbar Eindruck und Wirkung Jesu auf seine Jünger.
Daraus entsteht bei ihnen die Gewißheit, daß er nicht
im Tode geblieben sondern ihm die Macht genommen
und Leben und unvergängliches Wesen ans Licht gebracht
hat. Die Ausdrucksformen für diesen Glauben
aber lassen sich nicht in eine Entwicklungslinie einordnen
, als ob dieser reine Glaube mehr und mehr den
Erdenstaub menschlicher Vorstellungsformen angenommen
hätte. Viel mehr sind all die verschiedenen Formen
grundsätzlich gleichberechtigte Formen desselben Glaubens
, die wohl auch zeitlich von Anfang an nebeneinander
stehen. Das gilt jedenfalls vom leeren Grab, den
Erscheinungen und der Erhöhung vom Kreuz aus. Go-
guel hat seine Arbeit überlieferungsgeschichtlich angelegt
. Es kommt ihm darauf an, den theologischen Gehalt
der einzelnen Quellenstücke herauszuarbeiten. Mit
nie ermüdender Liebe und nie versagender Geduld führt
er den Leser zum fruchtbaren Verständnis auch der
unscheinbarsten Äußerungen und läßt ihn immer neue
Erkenntnisse aus dem Reichtum der Überlieferung schöpfen
. Dafür wird ihm der religionsgeschichtLich und der
theologisch eingestellte Leser herzlich dankbar sein. Aber
unter der Hand wird aus der Überlieferungsgeschichte
der erhaltenen Zeugnisse eine Entwicklungsgeschichte
des Auferstehungsglaubens selbst. Diese Geschichte entspricht
notwendig dem eigenen Glauibenstand des Verf.,
d. h. den vergeistigten Vorstellungen des modernen Protestantismus
reformierter Richtung (was z. B. bei der
Beurteilung der Höllenfahrt sich zeigt). Was diesen
Vorstellungen nicht entspricht, kann nicht ,ursprüng-
lich', ,echt' und daher nicht normativ sein. Nun soll
der Historiker seine Überzeugung als Theologe und
Christ gewiß zum Ausdruck bringen. Aber darf das in
der Form historischer Feststellungen geschehen? Sind
an dieser Stelle .historische' Ergebnisse überhaupt theologisch
möglich? Muß nicht vielmehr der Theologe
von dem Historiker die methodische Beschränkung fordern
, die dem Gegenstand entspricht, damit nicht ein
Scheinwissen an die Stelle dessen gesetzt wird, worauf
es allein ankommt: die Entscheidung des Glaubens?
Diese Entscheidung fällt nicht bei der Untersuchung
der Ausdrucksformen sondern bei der Frage nach dem
dahinter stehenden tragenden Grund. Ist der vom Historiker
in mannigfaltigen Formen zu beobachtende Auferstehungsglaube
Wirkung des Christus und damit Tat
Gottes in und an den Jüngern und allen Gläubigen nach
ihnen oder — ist er menschliche Illusion? So lautet
in aller Schärfe und Deutlichkeit formuliert die Entscheidungsfrage
, zu der der Historiker führen muß.
Nur Glaube oder Unglaube kann hier die Antwort geben
. Denn für die Antwort genügt nicht die höchste
Wahrscheinlichkeit, die der historische Beweis zu erreichen
vermag, sondern nur die unbedingte Gewißheit,
die allein der Glaube verleiht. In diesem Sinne werden
wir dem verehrten Verfasser für all die kritische Besinnung
dankbar sein, die er vom Leser fordert und zu
der er in scharfer Dialektik und glänzender Darstellung
leitet.

Gießen. Georg Bertram.

Kümmel, Prof. Dr. theol. W. G.: Die Eschatologie der Evangelien
. Ihre Geschichte und ihr Sinn. Leipzig: J. C. Hinrichs Verlag
1936. (32 S.) 8°. = Sonderdruck aus „Theologische Blätter" 1936
Nr. 9/10. Kart. RM 1.80. j

Loewenich, Dozent Lic. theol. Walther: Johanneisches Denken, j
Ein Beitrag zur Erkenntnis der Johanneischen Eigenart. Leipzig: J. C.
Hinrichs Verlag 1936. (32 S.) 8°. = Sonderdruck aus „Theologische
Blätter" 1936 Nr. 11. Kart. RM 1.80.

Beide Schriften sind Sonderdrucke aus dem Jg. 1936
der Th. Bl., die der Verlag Himrichs in ansprechender
Ausstattung herausgegeben hat. Beide behandeln entscheidende
Fragen der N.T.lichen Theologie in kurzem j
Abriß. Kümmel hat ein umfassenderes Thema zum Gegenstand
, Loewenich ein enger abgegrenztes. Beide sind j
aber als ein Beitrag zur Forschung am ganzen N. T.
xu werten und zu begrüßen.

Kümmel zunächst bespricht Geschichte und Sinn
der Eschatologie der Evangelien. Er läßt bekannte Tatsachen
vor dem Auge des Lesers vorüberziehen, und
weist nachdrücklich auf die Gegenwartsaussagen Jesu
über das Hereinbrechen der Gottesherrschaft hin. „Aber
dieses Vorauswirken zeigt sich allein in der Person
Jesu, in seiner Predigt, seinem Handeln, seiner Gewinnung
von Jüngern." Mth. 16, 18 f. freilich scheidet
er als unecht aus; daß die zwölf den Anfang der
neuen eschatologischen Gemeinde bildeten, meint er den
Berichten der Syn. nicht entnehmen zu dürfen. Jesus
ruft vielmehr durch seine Person, die der Bringer und
Garant des eschatologischen Geschehens ist, den Einzelnen
zur Entscheidung. Eschatologie und Christolo-
gie gehören zusammen. Das liegt nicht nur bei den
Synopt. so, sondern auch in der Urgemeinde und bei
Paulus. Das Bild verschiebt sich lediglich im Joh.-Ev.;
aber es verschiebt sich nur, verändert sich nicht. Auch
für Joh. ist — neben allen anderen Aussagen — die
eschatologische Erwartung unentbehrlich; auch hier ist
mit der Christologie die Eschatologie gegeben;. Joh.
vervollständigt dadurch das Bild der N.T.lichen Eschatologie
: hier ist mehr „erfüllte Eschatologie" — in den
anderen Schriften des N.T. mehr „unerfüllte Eschatologie
", Enderwartung. Beides aber gehört zusammen und
kann von der christlichen Kirche nicht aufgegeben werden,
solange sie von einem geschichtlichen Handeln Gottes
predigt. — Die Schrift Kümmels ist als ein Ergebnis
der heute immer stärker werdenden Erkenntnis zu werten
, wie stark Jesu Verkündigung an seine Person gebunden
, von ihr unablöslich ist; und sie beweist es,
wie fruchtbar diese Erkenntnis für unser Verständnis
des N.T. ist. Über die Stelle Mth. 16,18f. zu diskutieren
und den Gedanken der eschatologischen Gemeinde
bei Jesus, ist hier nicht der Ort.

Die Arbeit von Loewenich behandelt lediglich
das Joh.-Ev. Schon zweimal ist der Vf. mit Veröffentlichungen
über dieses Evang. hervorgetreten; hier
nun ergreift er das Wort, um 'die johanneische Eigenart
im Zusammenhang des ganzen N.T. zu durchdenken
und zu besprechen. Es sind feine, wertvolle Hinweise,
die er dabei gibt. „Das joh. Denken ist nichts anderes
als das Nachziehen der Züge auf dem in seiner
Herrlichkeit geschauten Antlitz Jesu Christi." Das organische
Denken des Joh. wird betont: „Die Entfaltung
(sc. der Gedanken) aus der Wurzel zu Blüte und
Blatt ist eine organische Notwendigkeit." Wichtig sind
ferner die Beobachtungen zu den bekanntesten Termini
des Joh.: Licht, Wahrheit, Gnosis usw., hinter denen
immer das gewaltige ey» sim sichtbar wird. Sehr plastisch
wird durch alle Hinweise der Unterschied zwischen
Joh. und Paulus, Joh. der kontemplativen Natur,
und Pls. dem Denker. Der Vf. will nun aber nicht
Joh. einseitig in den Vordergrund des N. T. rücken,
wenngleich er zum Schluß bemerkt, das joh. Christentum
sei der köstlichste Schatz der Bibel. Vielmehr
will er den Blick auf die Einheit des N. T. lenken,
die aber nicht gewaltsam hergestellt werden darf, indem
man etwa alle Schriften von Paulus her deutet, sondern
die gerade durch die sorgsam zu berücksichtigende
Eigenart der einzelnen Verfasser hindurch am vielseitigsten
und reichsten wahrzunehmen ist. So dient auch
diese Arbeit der Forschung am ganzen N.T.

Riga. H. S eesem a n n.

Haugg, Dr. Donatus: Die zwei Zeugen. Eine exegetische Studie
über Apok. 11, 1 — 13. Münster i. W.: Aschendorffsche Veiiagsbuchh.
1936. (VIII, 140 S.) gr. 8°. RM 6.90.

In drei Teilen behandelt der Vf. sein Thema: Teil I
dient der Text-Analyse, Teil II — der Literarkritik,
Teil III — der Hebung des prophetischen Gehalts
von Apc. 11,1—13. Das Ergebnis ist: Apc. 11,1—3 ist
nach Sprache, Form und Inhalt einheitlicher Bestandteil
der Apc; er ist als Zwischenstück als ein Ritar-
dando zwischen der 6. und 7. Posaunenvision zu ver-