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Ausgabe:

1937 Nr. 14

Spalte:

261-263

Titel/Untertitel:

Volk und Volkstum 1937

Rezensent:

Vorwahl, Heinrich

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Theologische Literaturzeitung 1937 Nr. 14.

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prirner le fond et la disposition de üäme; mais Dieu con-
nait l'un et l'autre . ., tellement que qiutnd l'ärne est
bleu disposce . ., il suffit qu'elle s'expose devant lui;
son etat et sa disposition parle, prie, et fait tout (VII,
131). Akte können das Gebet höchstens vorbereiten; seiner
Natur nach ist es eine „Zuständigkeit". Um
schließlich noch Piny zu eitleren, so kommt bei ihm
das gemeinsame Anliegen in folgender Wendung zum
Ausdruck: Die Vollkommenheit ne s'aequiert point taut
en faisant qu'en laissant faire (VIII, 101).

Mit diesem letzten Citat scheinen wir nun dem Quie-
tismus endgültig verfallen zu sein. Bremond zeiht uns
eines voreiligen Irrtums. Im Laufe seines Werkes findet
er immer wieder Gelegenheit, seine Gewährsmänner
von dem möglichem Verdacht des Quietismus reinzuwaschen
. Aber die eigentlichen Fronten, gegen die er sicli
wendet, heißen doch Moralismus und Panhedonismus,
Als dem letzteren hörig nennt er nicht nur die Janseni-
sten Pascal und Nicole, den „Anti-Mystiker" Bossuet,
sondern auch die „Emotionalisten" Wesley und Luther.

niese kommentarloseu Andeutungen und Citate sollen
nichts weiter leisten, als an den Gegenstand der
schon 1928 erschienenen Metaphysique zu erinnern. Den
Anlaß dazu bietet die hier anzuzeigende Übertragung des
Werkes ins Deutsche. Sie stammt von Hedwig Michel.
Weglassung ein paar weniger wichtiger Kapitel und Kürzung
der übrigen haben zur Folge, daß die ursprünglichen
600 Seiten zu 300 zusammengeschrumpft sind.
Von den Streichungen sind am empfindlichsten die biographischen
Paragraphen betroffen worden, welche vielfach
mit einem zusammenfassenden Referat erledigt werden
. In den Kernstücken sind außer polemischen Spitzen
vornehmlich vergleichende Anspielungen und Verdeut-
lichungen und geistreiche und farbige Bemerkungen fortgefallen
. Bei diesem Verlust an Frische und Unmit- j
telbarkeit wird man der gedrängteren Darstellung nicht
ganz froh. Mit der Übersetzung als solcher wird man
sich einverstanden erklären dürfen. Es lohnt nicht),
über Einzelheiten zu rechten. Entscheidender ist es, daß
sie notgedrungen den sprachlichen und stilistischen Unterschied
zwischen den vielen Citaten aus dem 17. Jahrhundert
und Bremonds Text ein wenig verwischt. Leider
ist diese Nivellierung äußerlich noch dadurch verstärkt I
worden, daß die Citate nicht mehr wie in der französi- I
sehen Ausgabe durch kleineren Druck van der eigentlichen
Darstellung abgesetzt erscheinen. Bei der ver- i
knappenden Zusammenfassung einzelner Teile ist gelegentlich
auch einmal die Sache in Unordnung geraten,
so z. B. auf S. 138, wo es sich um den Lebenslauf ]
Clugnys handelt. Wissenschaftlichen Ansprüchen wird
also das deutsche Buch nicht dienen können und offenbar
;|uch nicht haben dienen wollen.

Das Vorwort E. M. Langes führt auf etwa 20 Seiten
in Bremonds Schaffen überhaupt und in seine HU
stoire inisbesondere ein. Von dem Animus-Anima-Mär-
chen Claudels und seiner Auswertung bei Bremond ausgehend
bereitet es das Verständnis der mystischen Psychologie
und ihrer Unterscheidung von Oberflächenschicht
und Tiefe der Seele nicht ungeschickt vor.

In den Anmerkungen muß auf S. 268 das Todesda-
tum Pascals in 1662 berichtigt werden.
Marburg. W. Kalt hoff.

V°'k und Volkstum. Jahrbuch für Volkskunde. In Verbindung m.
d- Qörres-Ocsellschaft hrsg. v. Prof. Dr. Georg Schreiber. 2. Bd.
■937. München: Kösel & Pustet 1936. (380 S. m. 26 Abb. a. 16
Tafel.) gr. 8°. RM 7.50.

Wie der erste Band, der hier (Jg. 61. Nr. 12) angebt
wurde, ist die Fortsetzung trotz ihrer Aufteilung
^."ter 38 Mitarbeiter ein in sich geschlossenes Werk,
ts beginnt mit allgemeinen Untersuchungen, von denen
' h. Grentrups Betrachtung über das Verhältnis von
Volkstum und Rasse besondere Aufmerksamkeit verdient,
yanach sind zwar die europäischen Großvölker ohne
•Ausnahme aus mehreren Rassen gebündelt, kann aber !

ein rassengemischtes Gemeinwesen doch von einem einzigen
Volkstum innerlich durchformt sein. Dauer und
Kraft des Volkstums sind bisweilen größer als die der
Rasse; andrerseits hat sich, wenn sich z. B. die Zipser
Deutschen magyarisiert haben, ihre rassische Beschaffenheit
nicht geändert, sondern ist im Volkstum der Wechsel
eingetreten. Natürlich gibt es rassisch bedingte Seelenbeschaffenheiten
wie Schwerblütigkeit (Verharrungs-
typ); Tanz und Lied aber zählen zum Volkstum. Stimmen
auch seelisches Rassenbild und Volkstumsbild darin
überein, daß sie durch Auseinandersetzung mit der Umwelt
entstehen, so unterscheiden sie sich dadurch, daß
die Auseinandersetzung im Volkstumsbild auf der Ebene
der Ausdrucksprägung, im Rassenbild auf der Ebene der
einfachen Vitalwerte vollzogen wird. G. Wunderle betont
gegenüber der vorwiegend historischen und philologischen
Untersucbungsweise die Notwendigkeit einer re-
ligionspsychologischen Bearbeitung des Stoffes; denn
das Tatsachenfeld der Volkskunde sei im wesentlichen
religiös unterbaut. Wenn M. Weber die Anschauung
vertrat, daß die heutige Kultur durch Naturwissenschaften
und Technik enfmagisiert sei, habe gerade der Weltkrieg
bei hoch und niedrig die Flucht in Magie und
Aberglauben gezeigt. I. P. Steffes ergänzt diese Ausführungen
mit dem Hinweis auf Spengler, der die Weltangst
als eine (!) der tiefsten und entscheidensiten
Urgefühle der Seele bezeichnete, und Kierkegaard, der
zum gleichen Ergebnis kam, daß die menschliche Existenz
zutiefst in der Angst wurzele. Schade, daß nicht
auch das Faustzitat: „Das Schaudern ist der Menschheit
bestes Teil" erwähnt ist, dem A. Gide zustimmt:
„Le tremblement est le meilleur de l'homme."

In der religionsgeschichtlich sehr breit fundierten
Umschau macht Steffes die Rolle der Religion für den
Zusammenschluß der Völker deutlich, wie sie sowohl
im alten und fernen Orient als auch bei den germanischen
Stämmen und ihrer Einigung sichtbar ist. Auch
die Rassenbewegung des Slawentums wurde religiös
durch Dostojewski vorbereitet, der in seinem Roman
„Die Da monen" Schatow sagen läßt: „Gott ist die
synthetische Persönlichkeit eines ganzen Volkes." Daher
habe jedes Volk einen besonderen Gott gehabt. „Aber
es gibt nur eine Wahrheit; infolgedessen kann nur ein
einziges Volk den wahren Gott haben. — Das einzige,
das als Gottesträger bezeichnet werden kann, ist das
russische." Hierzu ist dem Verfasser leider E. Petersens
Schritt „Der Monotheismus als politisches Problem"
(Leipzig 35) entgangen, welche diese Gedanken systematischer
behandelt hat. Es folgen dann Darstellung
gen volkskundlichen Kulturguts im Leben einzelner Gegenden
, wie J. Demleitner „Bäuerliche Bevölkerungsbewegung
in Oberbayern", J. Klapper „Die Heiligenlegende
im deutschen Osten", L. Pfleger „Die elsässi-
schen Weinpatrone", J. Hau „Zur Volkskultur des Trierer
Raumes". Der letzte Beitrag zeigt an der Echternacher
Sipringprozession, wie der bei Römern, Kelten und Germanen
als Freudenäußerung übliche Dreisprung im Willi-
bnordustanz allmählich den Charakterzug der Buße erhält
.

A. L. Veits Arbeit über „Weihnachten im mero-
wingischen Gallien macht gleichfalls deutlich, wie an
dem zwischen Saturnalien und Kaienden geratenen Weihnachtsfest
antikes Brauchtum haften bleibt: „Es ist
als ob der antik römische Kaiendentisch mit Lichtern'
Speisen und Zweigenschmuck nach erfolgter Christianisierung
der Welt seinen Rundgang von Volk zu Volk von
neuem angetreten habe." Selbst der Julblock kann nach
Veit als antike Kaiendensitte verstanden werden da die
Beobachtungen über das Brauchtum des Julblocks in
Island erst aus der Neuzeit stammen. A. Thomas tr'io-t
zu seiner Untersuchung der Darstellung Christi in der
Kelter, die im Anschluß an Jesaja 63 3 gebildet ist
und als Schöpfung deutscher Frömmigkeit zu gelten hat
zahlreiche weitere Fundorte (Wasserburg, Luzern, Bozen
) sowie den Hinweis auf das Vorkommen in Liedern