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Ausgabe:

1936 Nr. 8

Spalte:

152

Autor/Hrsg.:

Heydt, Johann Daniel von d.

Titel/Untertitel:

Geschichte der evangelischen Kirchenmusik in Deutschland 1936

Rezensent:

Luther, Wilhelm Martin

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151

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 8.

152

deutschen Tradition zur Aneignung und Verarbeitung j von der Heydt, D. Johann Daniel: Geschichteter evangelischen
musikalischer Stilelemente einer neuitalienischen Rieh- I Kirchenmusik in Deutschland. 2. Aufl. Berlin: Trowitzsch &

tung. Schein, Scheidt und Schütz, die bedeutendsten
Repräsentanten dieser Epoche, wirken in kleineren Meistern
der norddeutschen, fränkischen und mitteldeutschen
Schule nach. Verständlich wird die musikgeschichtliche
Entwicklung jener Tage auf dem Grunde der
religiösen Erlebniswert. Abseits der Kunstmusik, die
sich endgültig vom Gemeindegesang geschieden hat,
entwickelt sich das Kirchenlied zu einem die vorhergehende
Zeit weit übersteigenden Gesamtbestand. (Für

Sohn 1932. (240 S. m. Abb.) gr. 8°. geb. RM 7.50.

Von der Heydt setzt bei der vorreformatorischen
Kirchenmusik ein. Sein Kapitel über „die Kirchenmusik
vor der Reformation" stellt jedoch keinen wesentlichen
Beitrag dar. Die Musik der Reformationszeit ist unter
Berücksichtigung liturgischer und historischer Gesichtspunkte
in einer klaren und im allgemeinen treffenden
Zusammenfassung dargeboten. „Das siebzehnte Jahrhundert
" wird nach der Behandlung des Orgelspiels,

das „spätere 17. Jahrhundert" nimmt man etwa 10 000 j der Instrumentalmusik und der Gemeindelieder mit der

Lieder an.) Besonders wichtig wird die Zeit durch die
„Entfaltung einer spezifisch protestantischen Orgelkomposition
", hervorgerufen durch die Alternatimpraxis und
das Choralvorspiel.

3. Die Epoche des Pietismus und der

Würdigung des Schützschen Werkes und einer entwicklungsgeschichtlichen
Darstellung „der Passionen,
Kantaten und Oratorien" abgeschlossen. Von den gleichen
Gesichtspunkten aus behandelt v. der Heydt „die
Zeit des Pietismus und der Aufklärung". Die Großmeister
Bach und Händel stehen im Mittelpunkte der

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u ? ■ a a- -7-*u u-ua ua v * Betrachtung. Diese Epoche, in der die Kirchenmusik
Bestimmt wird dieser Zeitabschnitt durch den Kampf

zwischen Orthodoxie und Pietismus, denen beiderseits

die Aufklärung entgegentritt. Die Kirchenmusik, ganz

in den Werken Bachs und Händeis „ihre Triumphe
feiert", ist andererseits auch die Zeit „der Verflachung
und des Verfalls". Der Gemeindegesang und die litur-
auf die Kraftquelle des religiösen Lebens angewiesen, gischen Bestrebungen der Neuzeit beschließen das Werk.

gründet sich noch auf die Orthodoxie. Der Pietismus Wertvoll sind das als Anhang gegebene „Liederver-
verwirft unter Zurückdrangung des musikalischen Ele- zeichnis" und die zahlreichen Notenbeispiele. Was in
mentes alle „hoher organisierte Musik". Das Lied er- | dem Zeitraum von 400 Jahren die ev Kirchenmusik
fährt stärksten Antrieb kann sich aber nicht zu einer . auf dem Gebiete der musica Sacra erarbeitet und erde
m alten Gemeindelied gleichwertigen Form entwickeln. lebt hat", bietet von der Heydt in einer klar verständ-
Die Kluft zwischen vulgärer Musik und Kunstmusik j iichen Und von Ernst getragenen Abhandluno-, die , dem
überbrückt die Orgel. Der Orgelchoral als Ausdruck Kirchenmusiker, dem Studierenden der Theologie' und
genuin deutscher Gestaltung erreicht einen ungeahnten I dem Pfarrer" ein Wegweiser in die kirchenmusikalische
Höhepunkt. Altere Stilgattungen werden autgelost und 1

gehen in die Großformen Oratorium und Kantate ein,
in denen sich überhaupt die mannigfaltigsten musikalischen
Kräfte konsolidieren. Joh. Seb. Bach, der als
letzter großer Meister den „200 jährigen Entwicklungszug
der protestantischen Kirchenmusik abschließt" bringt
noch einmal „die Tendenzen der lutherischen Orthodoxie
und Mystik, des Pietismus und Rationalismus zu musikalischer
Gestalt" und fängt gewissermaßen alle Kräfte
und Strömungen in seinem Werke ein. Bachs Werk hat
die kirchliche Musik zu einem nicht wegzudenkenden
Bestandteil der „gesamten Lebens- und Geistesgrundlagen
" gemacht.

III. Die evangelische Kirchenmusik im
Zeitalter des kirchlichen Indifferentismus
.

Entsprechend dem Säkularisationsprozeß des geistlichen
Lebens erfährt auch die Kirchenmusik eine Verweltlichung
, die endgültig mit der alten Kantorentradition
und der reformatorischen Gedankenwelt bricht. Die
kirchliche Kunstmusik nimmt ganz im Sinne humanitär

Praxis sein kann.
Oöttingen. W.M.Luther.

Soeben erschien:

Ägyptische Kultbilder der Ptolomaier-
und Römerzeit

von Prof. Dr. Friedr. Wilh. Frhr. von Bissing

38 Seiten mit 18 Abbildungen auf 8 Tafeln. 8°.
Der Alte Orient. Gemeinverständliche Darstellungen
, herausgegeben von der Vorderasiatisch-
Ägyptischen Gesellschaft. Band 34, Heft 1/2.

In den ägyptischen Museen finden sich zahlreiche kleine
Götterbilder, die offenbar auf Vorbilder im grollen Maßstab
, d. h. auf Kultbilder, zurückgehen. Sie sind entweder
in wesentlich ägyptischem, wesentlich griechischem oder
in einem Mischstil ausgeführt. Die letzteren stammen vornehmlich
aus römischer Zeit und zeigen, wie die Volks-

religiöser Tendenzen den Weg in den Konzertsaal (vergL iü,.",ic,,en ä*>:«n « fT*

VT" j l tt » Hu f v - i Zeit immer weitere Kreise erfassen und zum künstlerischen

Händel, Telemann, Graupner, Mattheson). „Gemeindehaft
bleiben die Orgelmusik und der Kantionalstil, aber
sie wurden epigonenhaft". Um die Wende des 19. Jahrhunderts
ist im kirchenmusikalischen Leben ein völliger
Stillstand erreicht. Das 19. Jahrh. selbst kann trotz
ernster Besinnung und eifrigen Bemühens um den alten
Bestand nicht zu einer Wiedererweckung der Kirchenmusik
gelangen. Die Gegenwart steht vor der Aufgabe
, den Historismus zu überwinden.

Blume hat mit dem durch hohe Wissenschaftlichkeit
und klaren historischen Sinn ausgezeichneten Werke
die Bedeutung der Musik innerhalb des kirchlichen
Gesamt in eindrucksvoller Weise bewußt gemacht. Möge
das Werk mit dazu beitragen, daß die Kirchenmusik,
anstatt Ornament zu sein, auch heute wieder zu einer ,

wahren und segensreichen Lebensmacht wird. b u ch h AND lu N G i NLeI pziG c 1

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Ausdruck drängen, seit Augustus den Anspruch aufgegeben
hatte, aus Ägypten ein gräzisiertes oder gar romanisiertes.
Land zu machen. So entstehen die seltsamen hier betrachteten
Gestalten, die aus volkstümlichem ägyptischen
Glauben entsprungen sind und sowohl die griechischen
Bilder wie die alten ägyptischen Götter verdrängt haben.
Lebendig gestaltet wurden sie durch den nach unmittelbarer
Anschauung strebenden griechisch-römischen Geist,
und so sind diese kleinen Bilder sinnfälliger Ausdruck
einer grollen geschichtlichen Entwicklung.

Preis geheftet RM 2.70

Göttingen. V. M. L u t h e r.

Mit einer Prospektbeilage des Verlags Junker und Dünnhaupt, Berlin.
Die nächste Nummer der ThLZ erscheint am 25. April 1936.

I. v. W. g. Verantwortlich: Prof. D.W. Bauer in Göttingen, Düstere Eichenweg 14.

Verlag der J. C. Hi n r i c h s'sehen Buchhandlung in Leipzig C 1, Scherlstraße 2. — Druckerei Bauer in Marburg.