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Ausgabe:

1936 Nr. 8

Spalte:

147-148

Autor/Hrsg.:

Wach, Joachim

Titel/Untertitel:

Das Problem des Todes in der Philosophie unserer Zeit 1936

Rezensent:

Merkel, Franz Rudolf

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Seite 1

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147

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 8.

148

Yoga, Samädbi), in den Spaltungserscheinungen (Be-
kehrungs-und Berufungsmystik) sowie in der Stillegungs-
bezw. transzendentalen Selbstvertiefungsmystik erfaßbar
werden. Daran schließt der Verfasser eine Art Symptomatologie
der metaphysischen Scheineiiebnisse", die
z. B. in den mystischen Gefühls- und Willensleistungen
(Ekstasis, Vergottung, Unio mystica, Stigmatisation) erkennbar
sind. Ein kürzerer Abschnitt über „die vermeintlichen
physikalischen' Leistungen des Überbewußtseins
" (sog. Tele-Phänomene) bildet den Übergang zu
einer vom Verfasser als ,Dogmatik des Überbewußtseins
(Parapsychologische Dogmatik)' bezeichneten ,Deutung
der metaphysischen Tatbestände', die eine wertvolle
Charakteristik der Haupttypen der Mystik bietet und
auch den Okkultismus kurz berührt. Zwei Anhänge
beschließen Mandels scharfsinnige religionspsycholo-
lische Untersuchungen: als ,Anhang zur Parapsyeholo-
ffie* analysiert er „das Auferstandenen- und Geist-Erlebnis
der christlichen Ur gemein de als klassisches Beispiel
eines formal oder funktional parapsychischen Erlebens
und metaphysisch dogmatischer Deutung des-
selben"; dürfte das Auferstehungserlebnis der Jünger
doch „das reichste und folgenschwerste Paradigma eines
geschlossenen übernormalen Erlebniskreises und seiner
Deutung sein, das neben dem Werden des Selbstbewußtseins
Jesu selber in der Religionsgeschichte gegeben
ist". In einem weiteren Anhang fügt er eine »genetische
Typologie des Unsterblichkeitsglaubens' an, worin j
er sich kritisch mit den Hauptbegründungen dieses I
Glaubens eingehender auseinandersetzt. Den Unsterb- ]
lichkeitsglauben der von ihm vertretenen ,Wirklich'keits-
religion' faßt er in die Worte: „Aus dem Ewigen kom- j
mend, mitten in der Wirklichkeit im Ewigen lebend,
sollen wir unser Leben erfüllen mit dem Ewigkeitsgehalt
der Wirklichkeit — durch den der Gottesgrund
aller Dinge in uns bewußt werden soll". Verschiedene
Tabellen wollen das im Text Dargelegte graphisch erläutern
; sie wären aber wohl entbehrlich gewesen.

Eine Reihe schwierigster Probleme zeigt der Verfasser
auf und zwingt den Theologen und Religionshistoriker
sich damit ernstlich zu beschäftigen. Es hilft
nichts, an ihnen scheu vorüberzugehen oder sie apodiktisch
abzuweisen — es sind entscheidende Fragen, die
ihre Wurzeln im religiösen Erleben der Menschheit
haben.

München. R.F.Merkel.

Wach, Prof. Dr. phil. et. theol. Joach.: Das Problem des Todes
in der Philosophie unserer Zeit. Tübingen : J. C. B. Mohr 1934.
(48 S.) gr. 8°. = Philosophie und Geschichte. H. 49.

RM 1.50; in d. Subskr. 1.20.

In einer kurzen Vorbemerkung macht der Verfasser
darauf aufmerksam, wie in der Epoche der philosophischen
Bestrebungen es besonders auffällig wäre, „daß
eine gewisse Zurückhaltung in der Erörterung gerade
der zentralen Daseinsprobleme, der Fragen nach Leben
und Tod, zu beobachten sei, der die Distanz gegenüber
den mehr oder weniger von den Normen des Glaubens
aus bestimmten Lösungsversuchen entspreche, die
sich in der neueren Philosophie vor allem im Verlauf
der letzten Phase des IQ. Jahrhunderts, verstärkt"
habe. J. Wach analysiert nun besonders charakteristische
Reflexionen neuerer Denker über das Todesproblem
(Schopenhauer, Feuerbach, Simmel, Heidegger), worin
sich ein mehr oder weniger stark individuell bestimmtes
Weltgefühl ausspreche, das „zu einem Teil in den
Kategorien und Formen, vielleicht auch in der Stimmung
und Grundfärbung noch von einer der großen
— etwa der antikischen oder der christlichen — Grundkonzeption
bestimmt" sei. „Ein im Wissen um den Tod,
sein Wesen und seine Funktion im Dasein, um seine
Zugehörigkeit zum Leben zu lebendes Leben wird anders
gelebt werden als eines, von dem diese Beziehung nicht
aufgenommen ist in sein Wissen und Verständnis von !
sich selbst". Es ist die gemeinsame Überzeugung dieser

Denker unserer Zeit, daß erst die Ahndung vom Tod,
sie aber vorzüglich den Menschen an sein wahres Selbst
und dessen Bestimmung erinnert. Unter feinsinnigen
Hinweisen auf Parallelen aus Dichtung (R. M. Rilke)
und Kunst (Rembrandt, Shakespeare) beschreibt der
Verfasser die einzelnen Todesauffassungen, so zuerst
die Schopenhauers, die „den Tod entmächtigt, der in
seiner (Schopenhauers) Willensmetaphysik als allgemeines
Schicksal, nicht als freie Tat und nicht in
seiner individuellen Beziehung betrachtet wird, mit dem
Aufweis seines metaphysischen Sinnes". „Feuerbachs
Geistesmetaphysik faßt ihn als freie Tat der Liebe
des zu seinem wahren Selbst sich bekennenden Einzelnen
, also generell, insofern er als Hodeget dieser Freisetzung
des wahren Wesens im Menschen dient, individuell
, insofern ein jeder auf seine Weise stirbt. Sim-
mels Todesphilosophie hebt vor allem den immanenten
Charakter des Todes heraus, beleuchtet seinen tiefen
Bezug zur Individualität der Person ... Ihm stellt
sich der Tod . . . nicht so sehr als der Durchgang
vom Uneigentlichen zum Eigentlichen wie als Abschluß
und Ende von Gestaltungen dar, deren unvertauschbarer
und unersetzbarer Eigenwert auch nicht durch den Aufweis
ihrer der eigentlichen metaphysischen Realität,
dem Lebensstrom, gegenüber sekundären Natur berührt
wird". Besonders dankenswert ist es, daß der Verfasser
sich ernstlich bemüht, auch trotz der schwierigen
Diktion des Philosophen M. Heidegger dessen
Todesphilosophie zu deuten. „Heidegger setzt das konkrete
Selbst in Beziehung zum Tod und will es in ihr
halten". Bei ihm wird mit voller Entschiedenheit das
Todesproblem „vom existentiellen Selbst-Sein her aufgerollt
". Vielleicht hätte das Problem des Todes in der
Philosophie Kierkegaards eingehender erläutert werden
dürfen. Auf S. 48 gibt der Verfasser noch kurze Literaturhinweise
zu den einzelnen Abschnitten.

München. R. f, Merkel.

Feilerer, Karl Gustav: Das deutsche Kirchenlied im Ausland.
Münster i. W.: Aschendorff 1935. (XI, 366 S.) 8°. = Deutschtum
und Ausland., hrsg. v. Georg Schreiber, H. 59/60.

kart. RM 10.70; geb. 12.20.

Es ist nicht ganz leicht, diesem Buche gerecht zu
werden. Der Verfasser geht als Musikgelehrter — in
diesem Falle also als Liedforscher — an das Thema
heran. Den Stoff kennt F. aus eigenem Erleben nur von
der katholischen Seite her. Trotz allem Bemühen, auch
der evangelischen Seite des Themas gerecht zu werden,
und trotz den nicht ganz geschickten Versuchen, die
„Fragebogen" (vgl. G. Schreiber, Nationale und internationale
Volkskunde. 1930, s. 189) den evangelischen
Bedürfnissen anzupassen, und trotz der vielfachen Hilfe,
die führende evangelische Sachkenner dem Verfasser
zu teil werden ließen, stehen wir doch vor einem zwar
fleißigen und materialreichen, aber keineswegs irgendwie
befriedigenden Werk.

Der Verfasser ist kein Neuling auf diesem Gebiete.
Seinen Beitrag zu diesem Thema in der Festschrift für
Georg Schreiber haben wir seinerzeit in dieser Zeitschrift
(1933 Sp. 164) hervorgehoben. Hier aber handelt
es sich um grundsätzliche Dinge. Für die evangelische
Kirche hat das Lied des Gesangbuches, das Gemeindelied
als gesungene Verkündigung, Anbetung und
Bekenntnis eine ganz andere Bedeutung als für die katholische
Kirche, in der der „Volksgesang" nur gelegentlich
zu seinem bescheidenen Rechte kommt. Der
Kunstgesang des Chors, zumal der in die Liturgie eingeschaltete
, ist hier auch musikalisch wichtiger als der
etwaige Volksgesang der Gemeinde.

Dazu aber kommt, daß die katholische Kirche
Deutschlands ihre Aufgaben auf dem Gebiete der Volks-
tumspflege erst im letzten Jahrzehnt erkannt hat. Denn
die Kirchensprache war und ist immer noch lateinisch
— Ausnahmen bestätigen die Regel —, und das ermöglicht
zwar eine leichte Einfühlung der „Kirche" in volks-