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Ausgabe:

1936 Nr. 7

Spalte:

133-136

Autor/Hrsg.:

Leers, Johann von

Titel/Untertitel:

Das alte Wissen und der neue Glaube 1936

Rezensent:

Knevels, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 7.

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sen sich die Kirche und die Bischöfe wie die Gläubigen
gegen die Regierung und ihre Gesetze, die mit entsprechenden
Ehrentiteln versehen werden, wehren. Wir
haben allen Grund, darauf zu achten, daß sich die Wissenschaft
gerade in der Gegenwart Schranken im Ausdruck
auferlegt und sachlich bleibt, auch wo sie mit
dem Herzen beteiligt ist.

Das gelehrte und mit allen wissenschaftlichen Gepäck
bepackte Buch ist sicher schnell und mit einem
gewissen Schwünge geschrieben. Es wäre leicht, auf
dies Konto eine Fülle kleiner Fehler und Versehen
zu schreiben, wie Inedita, die veröffentlicht sind (S. IX),
die silberne Hochzeit Wilhelms I. 1879, Baron Keudell,
Kaiser Wilhelm II. von Deutschland usw.

Jedoch hindern uns alle Einwendungen nicht daran,
die Leistung als solche dankbar anzuerkennen. Die
gerade für die deutsche Geschichte und für die deutsche
Kirchengeschichte, namentlich für die deutsche Geistesgeschichte
so überaus wichtigen Pontifikate Pius' IX.
und Leos XIII. sind uns durch diese Darstellung lebendig
nahe gebracht. Es ist und bleibt außerordentlich
schade, daß ein katholischer Gelehrter von Formai,
wie es Schmidlin doch unzweifelhaft ist, das Vatikanische
Archiv nach 1846 nicht benutzen durfte, während ein
durchaus ungeschulter Dilettant wie der Graf E. Sode-
rini zu seiner saloppen Geschichte Leos XIII. (3 vol.
Milano 1932 ff.) ungehinderten Zugang zu den geheimsten
Quellen hatte. Soderinis Geschichte Leos XIII.
bietet im dritten Bande eine Geschichte des deutschen
Kulturkampfes, die eben in Innsbruck deutlich erschienen
ist. Das Buch geht aber nur in ganz unwesentlichen Kleinigkeiten
über die Darstellung Schmidlins hinaus. Das
ist immerhin ein Gradmesser für die Zuverlässigkeit
der Arbeit Schmidlins, namentlich in der Bewertung
und Ausnützung der ihm zur Verfügung stehenden
Quellen.

Berlin. Otto Lerche.

Leers, Johann von: Das alte Wissen und der neue Glaube.

Hamburg: Hanseatische Verlagsanstalt 1935. (101 S.) 8°.

Kart. RM 2.40.

Der als deutschgläubiger Forscher, Redner und
Schriftsteller bekannte Verfasser will das „alte Wissen",
genauer: das Wissen vom Alten, d. h. von der germanischen
Vorzeit und dem Glauben unserer Vorfahren
zur Gestaltung des neuen deutschen Glaubens
fruchtbar machen. Sein Buch enthält im Wesentlichen
geschichtliche bzw. vorgeschichtliche Ausführungen. Die
Anwendung auf die Gegenwart wird nur kurz angedeutet
. Sie versteht sich nach der Einstellung des Verfassers
von selbst: der Glaube unserer Vorfahren
oder sein tieferer Inhalt und Sinn ist der richtige
auch für die Gegenwart.

Zu Anfang zeigt v. Leers die „materielle Kulturüberlegenheit
" der nordischen Völker. Diese ist ja weithin
zugegeben. Dagegen wurde ihre geistige Kulturüberlegenheit
geleugnet, indem man die geistige Überlegenheit
des Christentums und die religiöse Schöpfungsunfähigkeit
oder zum mindesten die ausweglose
Gestaltungsunfähigkeit der nordischen Rasse gegenüber
der religiösen Höhe des Christentums behaupte und
die Auffassung pflege, daß wir im Seelenleben unseres
Volkes von Natur unfähig seien, aus Eigenem eine
wirkliche Höhe zu erreichen, und letzten Endes nicht
ohne den Geist des Judentums, des frühen Israels
auskommen könnten (S. 11). Hiermit ist der christliche
Standpunkt keineswegs richtig ausgedrückt, sondern
so verzerrt, daß seine Widerlegung nicht mehr
schwer fällt. Weder die orthodoxe christliche Lehre
noch die moderne Theologie stellt solche Thesen auf.
Es liegt uns fern, zu behaupten, daß die nordische
Rasse zu religiösen Schöpfungen oder Gestaltungen
unfähig oder weniger fähig als andere sei. Wir lehren
vielmehr dies, daß alle aus dem rassischen und völkischen
Menschentum entstehenden religiösen Gestaltungen
, seien sie noch so echt und tief, nicht zum

1 Ziele, zur Erfüllung führen (wessen sie sich zumeist
selbst an irgendeinem Punkte schmerzvoll bewußt werden
). Wir verkünden eine für alle Völker gültige Offenbarung
, die irdisch-menschlich auf jüdischem Boden und
in der jüdischen Rasse erschien, aber keineswegs mit dem
Geist des Judentums zusammenfiel, sondern ihm eben-
s o entgegengesetzt ist wie dem Geiste anderer Völker,
Rassen und Religionen, — wovon die Bibel und die
nachbiblische Geschichte des Judentums wahrlich genug
Zeugnis ablegt. Es ist überhaupt falsch und unrecht

i ein Gegensatzpaar „Nordische Rasse" — „Christentum
" zu bilden und dann schnell noch für Christentum

' „Judentum" einzusetzen. Denkt der Verfasser hier unlogisch
, oder war seine polemische Absicht bestim-

' mend?

Mit solchen Gegensatzpaaren arbeiten die Deutschgläubigen sehr
1 gern, besonders in Reden. Weniger urteilsfähige Zuhörer lassen sich
dadurch imponieren. Ein ebenso unlogischer, propagandistisch brauch-
; barer Gegensatz ist: „Deutsch" und „Christlich", oft gar als gegenseitig
völlig ausschließender Gegensatz verwendet: „Deutsch oder Christlich".
: „Gehörst du zum deutschen Genius oder zu Christus*, rief der Reichsredner
der Deutschen Glaubensbewegung, Dr. Buddensieg, am 25. Jan.
1935 in der Heidelberger Universität als „Entscheidungsfrage" an das
deutsche Volk aus. Das Gegensatzpaar „Deutsch" und „Christlich" ist
noch verkehrter als „Nordisch" und „Christlich", denn in dem, was
heute deutsch ist, ist christlich irgendwie mitenthalten; an „Deutsch"
hat „Christlich" mitgebaut.

Es ist sehr zu bedauern, daß wir mit den Deutschgläubigen über
I solche Anfangsgründe nicht einig werden. Ich habe an den üblichen
I christlichen Gegenschriften vieles auszusetzen. Aber hier liegt die
Schuld bei den Deutschgläubigen. Hier müssen sie umlernen, wenn sie
! in ein ernsthaftes Gespräch mit uns kommen wollen.

Gleich darauf erwähnt v. Leers die christliche Rassenlehre
und führt für sie Gal. 3, 28 und ferner
Off. Joh. 5, 9 an. Hier müssen wir einen ähnlichen
Einwand machen. Die Deutschgläubigen verwenden
immer wieder die Bibelstellen ganz ohne ihren
• Zusammenhang. Dadurch kommt zuweilen geradezu das
; Gegenteil von dem heraus, was gemeint ist. Zu ihrer
I Entschuldigung kann man nur anführen, daß christliche
Dogniatiker das auch getan haben. Aber kein
j ernstzunehmender Theologe verfährt heutzutage noch
j so. Bei der immer wieder zitierten Stelle Gal. 3, 28
i ist das Herausreißen aus dem Zusammenhang für den
Sinn verhängnisvoll. Was in der Gemeinschaft der
Getauften und Glaubenden, was für die Gottes-
; kindschaft und das Reich Gottes gilt, das wird von
i den Gegnern so hingestellt, als bezöge es sich
auf die irdisch-weltliche Existenz von Rassen und Völkern
. Gewiß war auch im Bereich von Kirche und
Theologie die Bedeutung von Volk und Rasse nicht
genug erkannt, — aber sie war eben überhaupt nicht
genug erkannt, und der christliche Glaube bildet jedenfalls
kein Hemmnis, jene Bedeutung anzuerkennen. Off.
Joh. 5,9 wird von v. Leers folgendermaßen übersetzt:
„Du hast uns, Gott, heraus erlöst durch dein Blut aus
jedem Stamm, jeder Sprache, jedem Volk und Volkstum
." Die richtige Übersetzung lautet: „Du (nämlich:
! das Lamm) hast für Gott (erg.: eine Gemeinde) durch
dein Blut erkauft aus jedem Stamm, jeder Sprache,
| jedem Volk und jeder Nation". Die unrichtige Übersetzung
bei v. Leers erweckt den Eindruck, als wenn die
Christen sich durch Gott von ihren Volks- und Stam-
! meseigentümlichkeiten „erlöst", d. h. ihrer entkleidet
j glaubten und Gott dafür gepriesen würde, daß er aus
den Christen so eine allgemeine Menschheitsmasse ohne
Volks- und Rasseneigentümlichkeiten gemacht habe. In
Wirklichkeit sagen alle diese Stellen, daß die christliche
Gemeinde sich aus allen Völkern und Stämmen zusammensetzt
und die Botschaft an alle ergeht.

Wir haben diese Punkte so ausführlich behandelt,
weil sie typisch sind und mutatis mutandis immer wiederkehren
.

Der übrige Inhalt des Buches bringt wissenschaftlich
wenig Neues. Im Abschnitt „Der Streit um die vorchristliche
Religiosität" (S. 15 ff.) wird der Streit um
die religiöse Höhe des Glaubens unserer Vorfahren