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Ausgabe:

1936 Nr. 7

Spalte:

129-130

Autor/Hrsg.:

Klein, Karl Kurt

Titel/Untertitel:

Der Humanist und Reformator Johannes Honter 1936

Rezensent:

Lerche, Otto

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129

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 7.

130

zu erhalten; deren Verknöcherung begann, als die Lehrer
der evangelischen Kirche nicht mehr mit L. im Teufel
den persönlichen Gegner des Wortes sahen und zur dialektischen
Arbeit der Vernunft ihre Zuflucht nahmen(l37).
— Die entschiedene Stellungnahme des Verfassers in
den beiden Eingangs bezeichneten Richtungen wird gewiß
vielfachen Widerspruch erwecken. Ob zwischen der
O.sehen Überbetonung des Teufelsgedankens in Luthers
Theologie und dem Worte R. Seebergs, daß L. zentrale
religiöse Vorgänge darzustellen vermag, ohne des Teufels
nur zu erwähnen (153), die Wahrheit nicht etwa
in der Mitte liegt? und ob die starre Ablehnung der
psychologischen Betrachtungsweise für Luthers „Anheben
und Zunehmen" in der Heiligung Raum läßt? O.
verallgemeinert Richtiges, wenn seine Hauptstellen, im
Widerspruch mit anderswo Zugegebenem (66) die Sünde
bei L. dem Teufel ganz unterordnet und da sogar L.
gegen Paulus ausspielt (181) und wenn im Großen
Katechismus die Teufelsvorstellung geradezu „die
Schnur" genannt wird, „auf die die einzelnen Erklärungen
aufgereiht sind" (Anm. 367), wenn doch im Gr. K.
zu drei Geboten der Teufel gar nicht erwähnt ist, bei
den meisten andern jedenfalls nicht zentral erscheint.
Nicht immer ist die Systematik gewahrt: In der an
sich durch ihre Prägnanz wertvollen Zusammenfassung
(235—54), die es sich zuerst zu lesen empfiehlt, da sie
in das Hauptinteresse des Vf.s schnell einführt, ist
nicht nur eine, für den Querschnitt erlaubte, neue Par-
titio angewandt: Theologischer Charakter, antithetische
•Grundhaltung, biblische Bestimmtheit, eschatologische
Beziehung, sondern es werden auch sachlich neue Gedanken
untergepackt, die in dem Hauptteile nicht hätten
fehlen sollen; umgekehrt finden öfters Wiederholungen
statt. Und ist es nicht logisch schief, wenn (164 I b) die
Vereitelung des teuflischen Versuchs durch das Wort
zu den Anfechtungen, statt zu den Waffen gestellt
wird? An einer Stelle ist unklar, ob nicht nur des
Verfassers, sondern auch Luthers Zustimmung gekennzeichnet
werden soll, wenn er (100) Karl Barth sagen
läßt: „Die Taufe ist nicht, sondern sie bedeutet die
Wirklichkeit der Gnade." Auch worin das allseitige
Vordringen des Satans über den Bereich von Sünde
und Sündenvergebung hinaus bestehen soll, ist m. E.
nicht • einleuchtend gemacht. Wenn man den Eindruck
hat, daß der Verfasser gegen Ende seinen Gegenstand
noch klarer erfaßt hat und daß eine künftige Auflage
ein flüssigeres Lesen des Ganzen ermöglichen wird, so
bieten die bedeutenden Gedanken, die in der energischen
Verfolgung jener Ziele unter Tiefblicken in Luthers
Stellung zur Bibel, zu Papsttum und Bauernbewegung
zum Ausdrucke kommen und durch sprechende Bilder
wie: Vernunft und Teufel nicht gleichberechtigte Inhaber
einer Firma, Frontalangriff neben Ermüdungstaktik,
Wort Gottes und Teufel gleichdimensional, (161, 168,
174) reizvoll gemacht werden, so viel Eigenartiges, die
bisherigen Darstellungen Ergänzendes, daß auch an der
Arbeit in der vorliegenden Fassung kein Theologe vorübergehen
kann.

Kassel. Hermann Stockhaus.

Klein, Karl Kurt: Der Humanist und Reformator Johannes
Honter. Untersuchungen zur siebenbiirgischen Geistes- und Reformationsgeschichte
. Hermannstadt: Krafft & Drotleff und München:
Ernst Reinhardt 1935. (XII, 292 S.) gr. 8°. = Schriften der Deutschen
Akademie, H. 22. RM 8.50.

Nach dem Außentitel des Buches erwartet man eine
neue Biographie; nach dem Untertitel im Buche ist
es mehr und weniger. Mehr: denn es geht tief in die
Probleme der siebenbürgischen Geistesgeschichte auf
dem großen weltgeschichtlichen Hintergrunde des 16.
Jahrhunderts ein — weniger: denn das Bild, das uns
etwa G. D. Teutsch von dem Volksführer und Kirchen-
mann Siebenbürgens vor Jahrzehnten gezeichnet hat,
bleibt im wesentlichen unverändert. Denn das ist das
wichtigste Ergebnis dieses Buches: Honter war trotz

mancherlei Einreihung und Einordnung in die bewegten
Kreise seiner Zeit und seines Volkes der eigentliche
und alleinige Reformator und zugleich der Schöpfer
des siebenbürgisch-deutschen Volksbewußtseins vor den
Toren des Morgenlandes. Der Kronstädter Stadtrichter
Hans Fuchs etwa, eine führende politische Persona
lichkeit jener Tage, überließ in entscheidenden Fragen
Honter widerspruchslos die verantwortliche Leitung. Und
das andere wichtige Ergebnis dieser Studien ist, daß
die Reformation nicht schlagartig einsetzte und völlig
friedlich sofort durchschlug, sondern daß sie sich auch
in Siebenbürgen wie in der Heimat in heißen geistigen
und politischen Kämpfen langsam verbreitete, dann dort
allerdings das ganze Volk ergriff. —

Auch die Beziehungen zur Reformation Deutschlands
erfahren manche neue Beleuchtung, so der Weg
Honters über Erasmus zu Augustin und von Augustin
zu Lutherischer Schrifterkenntnis.
Berlin. Otto Lerche.

Bauer, Dr. Heinrich: Oliver Cromwell. Ein Kampf um Freiheit

i und Diktatur. 2. Aufl. Mit 17 Abb. München: R. Oldenbourg, 1934.
(IX, 408 S). 8°. RM 8—: geb. 9.50.

Es ist zu begrüßen, daß dies Cromwell-Buch eine
neue Auflage erlebt hat. Die Cromwellkonjunktur der

I letzten Jahre hat nicht wenig dazu beigetragen, die viel-
gcquälte Biographie des englischen Revolutionshelden
in neuer Weise zu verzerren. Bauers Buch ruht auf
einem sauberen Quellenstudium und einem gewissenhaf-

l ten Auswerten der wissenschaftlichen Literatur zum Thema
. Für die romanhafte Darstellung hat der Verfasser

i das Zeug, nämlich einen kraftvollen und beweglichen

I Stil. Das Buch vermittelt auf diese Weise einem breiteren
Kreis das Cromwellbild, das die Forschung der

j letzten Jahrzehnte erschloß. Daß der Verfasser die

i Zeitgemäßheit seines Themas mehr mittelbar als un-
mittelbar zum Ausdruck brachte, wird man als Lob für
seine Darstellungskunst buchen müssen.

Die Darstellung der Religion Cromwells bei Bauer
führt auf eine Frage, die das Buch offen läßt. Sie beschreibt
den historischen Tatbestand zuverlässig in dem
Sinne, daß alle Einzelheiten quellenmäßig belegt werden
können. Aber gerade die Exaktheit des Referates, die
hier vorliegt, quält zum Schluß etwas. Man sieht sich
vor einer Fülle eindringlich beschriebener Tatbestände
und weiß nicht, wie sie zusammengehören und was sie
bedeuten. Sie wirken etwas wie eine exotische Ornamen-

j tik, packend, aber undurchdringlich, faszinierend, aber

; fremd. Eine seltsame Seele liegt vor einem, aber
es muß eigentlich die alte Frage der Cromwellforschung
nach der Echtheit dieser Seele in neuer Weise wieder

' auftauchen. Zwar wird man nicht mehr einfach nach
Aufrichtigkeit oder Heuchelei fragen, wohl aber nach

j der Bedeutung der hier beschriebenen Frömmigkeit für

{ das Handeln des Helden, das Geschichte machte. Damit
ist also gesagt, daß diese Frage über das Verständ-

1 nis der Religion Cromwells im engeren Sinne hinausgreift
. Sie zielt auf das Verständnis nicht nur seiner
Frömmigkeit, ja nicht einmal nur seiner Persönlichkeit,

1 sondern seiner Sendung.

Man wird diese Sendung nicht verstehen lehren
können, ohne eine entscheidende (= Entscheidung treffende
) Aussage über den Inhalt der Frömmigkeit Crom-

j wells zu tun, also über ihre sachliche Bedeutung. Man
wird, kurz gesagt, aus der religionspsychologischen Beschreibung
zur theologischen Beurteilung übergehen
müssen. Mir ist nicht ganz klar geworden, warum sich
der Verfasser von dieser zurückhält. Denn ich habe

i nicht den Eindruck, daß sie ihm unzugänglich wäre..
Danzig. H.Kittel.

Bienert.Lic. Dr. Walther: Der Anbruch der christl. deutschen
Neuzeit, dargestellt an Wissenschaft und Glauben des Christian
Thomasius. Halle: Akad. Verlag 1934. (XVI, 550 S.) gr. 8°. = Theol.
Arbeiten z. Bibel-, Kirchen- u. üeistesgeschichte, hrsg. von Ernst
Barnikol, II. Bd. RM 16 —; geb. 18.60.