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Ausgabe:

1936

Spalte:

103-104

Titel/Untertitel:

Thomas de Aquino, Die Sakramente - Taufe und Firmung 1936

Rezensent:

Piper, Otto A.

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ICH

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 6.

104

möglichst getreu wiederzugeben, verliert er sich freilich
oft in Künstlichkeiten. Man darf eben doch nicht
übersehen, daß A. lateinisch denkt, und daß, was im
Lateinischen gut und sinnvoll ist, zum Hindernis des
Verständnisses werden kann, wenn man es für den nicht
lateinkundigen Leser nicht eindeutscht.

Den Augustintexten wird eine Einleitung vorangeschickt
, die den geistesgeschichtlichen Platz des Kirchenvaters
aufweisen soll (S. 17—112). Die Dialektik wird
als die Grundstruktur seiner Frömmigkeit und seines
Denkens herausgestellt, und der Verf. ist in ihrer Beschreibung
in seinem Elemente. Freilich wird bei dieser
Übersicht genau wie bei der Darstellung der Nachdruck
auf das Formale, die Rastlosigkeit des dialektischen Prozesses
, gelegt. Augustin wird angesprochen als der
Mann des „Zwischen": zwischen afrikanischer Glut und
intellektueller Subtiiität, zwischen der östlichen Neigung
zum Entsinken und dem abendländischen Schaffensdrang
. Aber er bleibe immer der Mann, der die Extreme
zusammenzuhalten weiß. Darum werden in dieser Übersicht
die Reformatoren, „die im tiefsten religiösen Sinne
sich zu ihm bekannten" (S. 20), nur immer nebenher
erwähnt. Angeblich haben sie durch ihre Einseitigkeit
die Intention der Augustinischen Dialektik verfehlt. Dagegen
komme das Augustinische in der Neuzeit in Des-
cartes und seinem dialektischen Gegenspieler Pascal,
und wieder in Hegel und seinem geistigen Antipoden
Kierkegaard zum geschichtlichen Ausdruck, freilich so,
daß in beiden Fällen der eigentliche Augustinus über
die Einseitigkeiten und Schwächen der Epigonen triumphiere
. Geschichtlich trete das in Kardinal Newman in
die Erscheinung. Mit dieser Geschichtsdeutung ist nun
auch der geistige „Radikalismus" der Gegenwart formal
gerechtfertigt als ein Nachklingen augustinischer
Motive, freilich auch zugleich sachlich gerichtet. Augustinus
tue daher erneut not. Damit nun aber niemand
den Gegensatz Augustinus-Thomas ausspiele — der doch
dem katholischen Denken und der Frömmigkeit der
Gegenwart den stärksten Antrieb gibt —, sagt uns
der gelehrte und dialektisch so gewandte Verf., daß
Augustin und Thomas die gleiche Intention haben und
sich nur im Rhythmus unterscheiden.

Dies neue Werk P.s zeigt wiederum die große Kunst
des Verf., sich den fortgeschrittensten der modernen
Zeitströmungen einzufühlen, um dann den Zeitgenossen
zu sagen, daß dieses Streben des natürlichen Menschen
zwar gut, aber unvollkommen sei, im Katholizismus jedoch
seine adäquate Erfüllung finde,
z. z. Swansea, Wales. Otto A. Piper.

Thomas von Aquin: Die Deutsche Thomas Ausgabe.

Vollst, ungekürzte deutsch-lateinische Ausg. der Summa Theologica.
Uebers. von Dominikanern und Benediktinern Deutschlands und Oesterreichs
. Hrsg. vom Kath. Akademikerverband. 29. Band: Die Sakramente
. Taufe u. Firmung. Salzburg: Anton Pustet 1935. (24 u. 579 S.)
8°. RM 9,—, geb. 10,— ; in Subskr. 6,90, geb. 8,-.

Der vorliegende fünfte Band bietet die allgemeine
Lehre von den Sakramenten und die Lehre von Taufe
und Firmung (S.th. III, q. 60—72). Die Übersetzung
schließt sich, wie die Herausgeber betonen, eng an den
lateinischen Text an, um die Gefahr zu vermeiden,
„daß die Gedanken des hlg. Thomas verwischt würden
und von ihrer ursprünglichen Kraft und Genauigkeit
verlören" (Einl. S. 20). Damit muß wohl die Hoffnung
auf eine etwas freiere Übersetzung endgültig aufgegeben
werden. Die Einleitung setzt sich sowohl mit
der modernen Sakramentenfeindschaft wie auch mit der
Sakramentstheorie der Berneuchener, vor allem Tillichs,
auseinander und betont die Wichtigkeit des Sakraments
als des „Absoluten" in der Liturgie. Der Ursprung
dieses Bandes aus dem Kreise der „Liturgischen Bewegung
" zeigt sich vor allem in der Kritik, die die einseitige
Anwendung des Gedankens der Wirkursache auf
das Sakrament bei Thomas erfährt. Thomas wird allerdings
nach Möglichkeit in Schutz genommen. Ich vermag
freilich nicht zu sehen, wo bei Thomas die „restlose
innere Hingabe an das Sakrament" ausdrücklich als die
unerläßliche Bedingung seines Empfanges gefordert sein
sollte. Sicher nicht an der von den Herausgebern ange-
! zogenen Stelle III, q. 39 a. 9. Dem Bande sind wieder
I zahlreiche gelehrte Anmerkungen beigegeben, die nicht
nur eine vorzügliche Einleitung in die geschichtlichen
und exegetischen Probleme bieten, sondern auch zu
einem vertierteren und dem persönlichen Glauben der
; Gegenwart mehr entsprechenden Verständnis der Sakra-
. mente anleiten. Vor allem wird der ui'rn-i'iruov-Charakter
' der Sakramente als eine notwendige Ergänzung der
thomistischen Lehre herausgestellt,
z. Z. Swansea, Wales. Otto A. Piper.

Schaller, Heinrich: Die Weltanschauung des Mittelalters.

j München: R. Oldenburg 1934. (III, 169 S.) gr. 8°. RM 6—.

Ders.: Die Reformation. München: Ebda. 1934. (II, 85 S.) gr. 8°.

RM 3.50.

Beide Arbeiten, die mit zwei weiteren über „die Idee des Menschen"
(1934) und über „die Renaissance" (1935) ein Ganzes bilden (letztere
zwei gingen dem Rez. indes nicht zu), sind nicht eigentlich theologische,
sondern kulturhistorische bzw. -philosophische Arbeiten, und nicht eigent-
' lieh wissenschaftliche Abhandlungen, sondern Essays; die Berechtigung
1 einer Rezension derselben in der ThLZ kann "daher bestritten werden,
i Aber sie verraten einen Laientheologen, der über gute theologische
j Fachkenntnisse, auch Quellenkenntnisse, verfügt und durch sein besonnenes,
; gerechtes, oft treffendes (nurS. 11 des ersten Werks fällt der unangebrachte
und einseitige Hieb auf Karl d. Gr. daneben) Urteil die Beachtung auch
des Fachtheologen verdient. Beide Werke beginnen ohne jedes Vorwort;
beide ermangeln auch jeglichen Registers und so gut wie jeglicher
Jahreszahlen bei Zitierung der zahlreich benützten Literatur; beide
sind in allgemeinverständlicher, fast immer die Höhe einhaltender
Sprache geschrieben und mit verhältnismäßig wenigen Fehlern gedruckt.
Soviel im allgemeinen ; nun im einzelnen :

1. Das Wort Weltanschauung gebraucht Sch. in der bisherigen Bedeutung
einer nicht blol! rationalen, sondern auch religiösen Betrachtung

j u. Beurteilung der Welt. Demgemäß zeichnet er zuerst die geistige Welt
des Mittelalters, wie sie herausgewachsen ist aus den drei Mächten An-
1 tike, Christentum u. Germanentum, nämlich die mittelalterliche Kosmologie
(darunter versteht er das physische U. das geschichtliche Weltbild
| des Mittelalters), besonders die Kosmologie der großen scholastischen
Systeme; hierauf die Mystik u. schließlich das Weltgefühl des Mittelalters.
In der zweiten Hälfte des Werks wird die religiöse Welt des Mittelalters
; d. h. der Katholizismus gezeichnet: zunächst seine Entstehung (in modern-
' protestantischer Schau) ; dann die kathol. Dogmen u. Sakramente, kathol.
: Mönchtum u. Ordensgesellschaften, kathol. Volksreligion, besonders im
I Spätmittelalter, u. die religiöse Kunst des Mittelalters. Sch. redet einmal
1 (S. 48) von der „metaphysischen Unzulänglichkeit des christl. Gottesbegriffs
" und begründet dieses Urteit damit, daß der christl. Gottesbegriff
die Übel der Welt von sich aus nicht zu erklären vermöge. Hiermit
bekennt Sch., daß er nicht mehr auf christlichem Standpunkt stellt. Sein
Standpunkt scheint bei Oswald Spengler zu sein.

2. Ein die Ursachen der Reformation des 16. Jahrhunderts erschöpfend
] zeichnendes Kapitel eröffnet das zweite Werk und führt ein in das

Wesen dieser Reformation. Als ihr Hauptsinn wird treffend die Rechtfertigungslehre
Luthers herausgestellt. Sch. lehnte diese Lehre zwar ab,
ist aber begeistert für Luthers Deutschtum. Ein Schlußkapitel, überschrieben
„Ergebnisse und Folgen", behandelt die neu entstandenen
Kirchen (mit sehr scharfer Kritik derselben) und Sekten, die kulturellen
Folgen und die politischen Kämpfe nach der Reformation. — In seinem
Urteil über die Renaissance spricht sich wohl sein eigenes Glaubensbekenntnis
(S. 73), im vernichtenden Urteil über die Habsburger sein
politisches Bekenntnis (S. 80) aus.

Tettnang (Württb.) Wilhelm Koch.

Blätter für württembergische Kirchengeschichte. Im Auftrag
des Vereins für württ. Kirchengeschichte hrsg. von D. Dr. J. Rauscher.
N. F. 38. Jhg. 1934 Heft 3/4 (S. 267-342). 39. Jhg. 1935 Heft 1/2
(S. 1-80). 3 u. 4 (S. 81-190). Stuttgart: Chr. Scheufeie.
Dem Gedächtnis der Reformation sind zwei Arbei-
i ten gewidmet! H. Rücke rt veröffentlicht seinen bei
; der Vereinstagung dargebotenen Vortrag über „die Bedeutung
der württ. Reformation für den Gang der deut-
i sehen Reformationsgeschichte" unter den vier Gesichtspunkten
, daß sich 1534 erstmals das Interesse der
! Evangelischen mit der ständischen Opposition gegen die
habsburgische Übermacht zusammenfand, daß sich in
Süddeutschland 1534 ein immer fester werdender prote-