Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1936 Nr. 5

Spalte:

83-86

Titel/Untertitel:

Ägypten 1936

Rezensent:

Soden, Wolfram

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

83

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 5.

84

de Bedeutung haben wird gegenüber allen andern Religionen
. Das ist nun eine offene Frage, über die man
auch anderer Meinung sein kann. Daß diese Tendenz da
ist, steht fest. Ob sie siegen wird, steht dahin. Und
wenn sie siegt, ob das zum Heil Japans sein wird, das
ist eine andere Frage.

Man muß unwillkürlich immer wieder bei der Überschau
über die japanischen Dinge an die jüngsten Ereignisse
in unserm eigenen Volke denken, dessen Geschichte
ja ohne dies so viele Parallelen zu der japanischen
hat. Wie wird sich bei uns die nationale Wiedergeburt
mit dem Religionsproblem auseinandersetzen?
Wer die neusten Dinge beobachtet hat, der sieht, daß bei
uns auch vielfach die Neigung herrscht, aus dem Neuen
eine ihm immanente Religion zu machen. Wird das
gelingen? Und wenn, wie wird es dann mit dem Christentum
? In Japan will die Regierung das Christentum,
denn seine segensreichen Wirkungen sind so groß, daß
die Regierung sie voll anerkennt. Aber man will auch
den Einbau des Christentums in die Nationalreligion,
wie der Buddhismus sie vollzogen hat. Aber das Christentum
ist eben doch etwas ganz Wesensanderes als der
Buddhismus. In dem Sinne und in der Art, wie das
die pantheistischen Religionen können, kann das Christentum
die Angleichung an eine solche Religion, wie
es doch trotz aller gegenteiligen Behauptungen der
Staatsschinto ist, nicht vollziehen.

Der Verfasser hat in seinem 'Buch alle diese schwierigen
Dinge natürlich nur andeuten können. Aber wer
nach seinen feinen Darlegungen den Dingen tiefer nachdenkt
, der sieht da große Nöte aufsteigen, welche noch
lange die japanische Öffentlichkeit bewegen werden.
Nationalismus in religiöser Zentrierung in der Form
einer Staatsreligion, die die Göttlichkeit des Kaisers zum
Mittelpunkt hat, das ist das heutige Japan. Und doch
ist diese nationale Religion sittlich so dürftig, daß nur
ihre Befruchtung durch die andern Religionen und durch
die konfuzianische Sittlichkeit sie auf ein höheres Niveau
erhoben hat. Und nun dazu die ungeheuren Wirren,
durch welche Japan hindurchmuß infolge der Einpflanzung
der europäischen Zivilisation und Kultur in sein gesamtes
Leben!!!

Alle diese brennenden Fragen werden beim Lesen
dieses guten Buches lebendig. Man möchte wünschen,
daß bald bei uns die Zeit kommt, in der man der Religionsgeschichte
überhaupt und besonders der Religionswelt
der großen Kulturvölker mehr Beachtung schenkt.
Hier in Japan ist, dies sei nur noch angedeutet, für die
Mission ein Gebiet, wie sie noch keines gemeistert hat.
Dem Buch wünschen wir viele Leser.
Berlin. Johannes Witte.

Kulturgeschichte des Alten Orients von A. Alt, A. Christensen, A.
Götze, A. Orohmann, H. Kees, B. Landsberger. 3. Abschnitt. 1. Liefg.
Albrecht Götze, Kleinasien. Arthur Christensen, Die Iranier.
München: C.H.Beck 1933. (XVIII, 310 u. 11* S.u. 6 Ktn., 2 Text-
abb. u. 20 Taf.) gr. 8°. = Handbuch d. Altertumswiss. Begr. v. I. von
Müller. Hrsg. v. W. Otto. 3. Abt. 1. Teil. 3. Bd. 3. Abschnitt. RM 20 —.
Von der „Kulturgeschichte des Alten Orients", deren
Einbeziehung in das „Handbuch der Altertumswissenschaft
" jedermann dem umsichtigen Herausgeber W.
Otto danken wird, liegt hier die 1. Hälfte des 3. Abschnitts
vor. In ihr sind die Arbeiten von zwei Verfassern
vereinigt, die ihres ganz verschiedenen Inhalts wegen
hier getrennt behandelt werden müssen.

Auf den ersten 200 S. behandelt A. Götze das
alte Kleinasien. Seine Arbeit nimmt innerhalb des Gesamtwerkes
schon insofern eine ganz besondere Stellung
ein, als sie als einzige ein bisher noch nie im Zusammenhang
dargestelltes Gebiet zu bearbeiten hatte. Durch
diese Tatsache bestimmt sich sowohl ihre ungewöhnliche
wissenschaftliche Bedeutung als auch die ihr notwendigerweise
gezogene Grenze. In einem einleitenden
Kapitel sucht G. die Stellung Kleinasiens innerhalb des
östlichen Mittelmeergebietes zu kennzeichnen. Er zeigt

dabei, daß Kleinasien schon seiner geographischen Struktur
nach dazu bestimmt ist, Mischkulturen zu beheima-
i ten. In bunter Reihe wechselten im Altertum Völkervorstöße
von Osten (Mesopotamien, Iran) mit solchen von
Westen (Südosteuropa) ab, deren jeder dazu beitrug,
das Völkergemisch der Halbinsel noch mannigfacher
j zu gestalten. Die ältesten dieser Völkerwanderungen
I (vor 3000) sind uns noch ganz unbekannt, die Wanderungen
während des 3. Jahrtausends nur aus den vor-
i läufig noch wenig zahlreichen Bodenfunden zu erschlies-
; sen, deren bisherigen Ertrag G. erstmalig in übersicht-
i licher Weise zusammenfaßt. Um 2000 finden wir im
östlichen Kleinasien kleinere einheimische Fürstentümer
I der sog. Protohattier an der Macht, während der um-
! fangreiche Handel mit Metallen und Stoffen weitgehend
| in den Händen der Assyrer lag, die gegen entsprechende
j Abgaben offenbar von den Fürsten wichtige Vorrechte
( eingeräumt erhalten hatten. Dank der Auffindung meh-
j rerer kaufmännischer Archive von altassyrischen Keil-
sehrifttafeln in Kültepe, dem alten Kanesch, ist uns diese
wohl nur auf ein halbes Jahrhundert zu veranschlagende
Zeit der altassyrischen Handelskolonien in Kleinasien
recht gut bekannt; G. widmet ihr daher ein eigenes Kapitel
. Neue Völkereinbrüche um 1900 machten dem assyrischen
Handel ein Ende und brachten u. a. die eine in-
[ dogermanische Sprache sprechenden Hethiter ins
j Land, die nunmehr 700 Jahre lang die Geschicke Klein-
j asiens entscheidend beeinflussen sollten. Der Darstel-
j lung der hethitischen Kultur, für die uns über 10 000
Tontafeln des Staatsarchivs der hethitischen Hauptstadt
Chattusas (heute Boghazköi) eine ergiebige Erkenntnisquelle
sind, ist daher der nun folgende größte Teil von
! G.s Beitrag gewidmet. Da hethitische Wirtschaftsurkun-
t den und Privatbriefe vorläufig noch ganz fehlen, mußte
| sich G. im Wesentlichen auf die Schilderung von Staat,
| Recht und Religion der Hethiterzeit beschränken. Dabei
; konnte er sich gerade für diesen Teil seines Buches nur
| in sehr geringem Maße auf die Vorarbeiten anderer
stützen; seine Arbeit ist daher hier ein allererster Vorstoß
in wissenschaftliches Neuland. Um so höhere Anerkennung
verdient das, was er den Texten schon jetzt
abzugewinnen vermochte. Bleibt er doch durchaus nicht
in trockenen Inhaltsangaben wichtiger Texte stecken,
sondern bemüht sich mit Erfolg, den aus den Texten
j zusammengetragenen Stoff nach kulturgeschichtlichen
j Gesichtspunkten durchzugliedern und zu verarbeiten. Gefährlich
werden könnte die ausgezeichnet abgerundete
Darstellung höchstens insofern, als sie die außerordentliche
Lückenhaftigkeit unseres Wissens nicht immer klar
I genug zum Ausdruck bringt. Und doch ist es gerade
| für den Fernerstehenden sehr wichtig, sich die Lücken
unserer heutigen Kenntnis immer vor Augen zu halten
, da er sonst vielleicht in G.s Buch auf manche
Fragen Antwort sucht, auf die eine Antwort heute noch
j nicht gegeben werden kann. Zu diesen heute noch nicht
zu lösenden Fragen gehört vor allem das Problem, wie
i viel von dem, was uns als „hethitische" Kultur entge-
I gentritt, wirklich den Geist der indogermanischen Hethiter
verkörpert, sei es als echtes Eigengut, sei es als
zu Eigenem umgestaltetes Lehngut. G. gibt auch für
I das Studium dieser geschichtlich entscheidenden Frage
j viele wertvolle Hinweise, vereinfacht die Fragestellung
aber gelegentlich zu sehr dadurch, daß er die Kulturen,
mit denen sich die Hethiter auseinandersetzen mußten,
einfach als „orientalisch" kennzeichnet; die außerordent-
j lieh tiefgreifenden völkischen Unterschiede innerhalb der
I orientalischen Umwelt des Hethiterreiches werden dabei
nicht selten ungebührlich verwischt. Einen weiteren
Mangel könnte man darin sehen, daß G. bei
| der Darstellung der hethitischen Religion den Stoff
weithin nach bestimmten der vergleichenden Völkerkunde
entlehnten starren Kategorien gegliedert hat, ein Ver-
j fahren, das der doch in allererster Linie wünschenswer-
j ten Herausarbeitung der besonderen Wesenseigentüm -
i lichkeiten hethitischen Glaubens nicht gerade dienlich ist.