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Ausgabe:

1936 Nr. 3

Spalte:

53-55

Titel/Untertitel:

La papauté 1936

Rezensent:

Koch, Hugo

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Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 3.

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zweite Christus" bleibt daher immer, wenn man seine schichte, so ist es doch nicht rein dogmengeschichtlich
Briefe biblisch-theologisch und von innen her, nicht form- gehalten, sondern bringt auch reichlich kirchen- und
vergleichend liest der .doulos", Christus sein kyrios. Er kirehenrechtsgeschichtliche Stoffe, wie eine kurze Inhaltswürde
m E ein'solches Prädikat, der zweite Christus angäbe zeigen wird.

zu sein als Versuchung von sich gewiesen haben. (Vgl. Der erste Ted behandelt die „Vorgeschichte des
dazu was W S 229 zur Vergottung sagt. Was bei Papsttums" in zwei Kapiteln: I. Das Papsttum ist unbe-
Hellenen so genannt wird, ist „im Rahmen biblischer kannt, 11. Anbahnung des Papsttums. Der zweite Teil
Theologie" unmöglich.) Von einem Propheten Jesus, die „Anfänge des Papsttums" in drei Kapiteln: 1. seine
dem er als Pneumatiker ähnlich ist, weiß er aber nichts, geschichtliche Gründung durch das Edikt Oratians v. J.
da er den Christus nach dem Fleisch" nicht mehr ken- 373, II. Künstliche Begründungen, III. sein erstes Auf-
nen will Sein Damaskus hebt ihn für seine Zeit und treten bis zum Tode Leos I. Der dritte Teil den „Auffür
uns letztlich über solche aus modernem Denken ge- stieg des Papsttums" zuerst in religiöser Hinsicht I. im
borenen Vergleiche hinaus, wie wir auch den Begriff Osten II. im Westen, dann in politischer Hinsicht I.
eines Religionsstifters heute mit Skepsis betrachten. Hier außerhalb II. innerhalb des Reiches, sodann hinsichtlich
muß in alle religionsgeschichtliche Betrachtung ein Schuß der Verwaltung I. die Papstwahl II. die Bischofswahlen
Phänomenologie hinein, weil bloß geschichtliche Verglei- i III. die päpstlichen Finanzen, endlich hinsichtlich der
che uns ebenso viel Ähnlichkeiten wie Verschiedenheiten ; Lehrgewalt I. Erwerb der höchsten Lehrgewalt, II. ihre
aufzeigen, die uns auf einen neutralen Standort, aber da- i Ausübung, III. Kampf gegen Ungläubige und Ketzer,
mit am Wesentlichen vorbei führen. IV. Kampf gegen den modernen Gedanken.

Nicht selten begegnen unschöne Wendungen wie „parallele Paralleli- ; Wie man Sieht, gliedert T. seinen Stoff zumal im

tat" (S. 12), „massaie Leiden" (s. 245)," absolute Jahaftigkeit" (S. 260) dritten Teil, unter sachlichem Gesichtspunkt, und er

„intente Widerstände" (S. 276). I zeichnet nicht in geschichtlichen Querschnitten die Ge-

Ein Satz wie der auf S. 83: „Von den Soldaten verlassen, hätte Samtstellung des Papsttums in bestimmten Zeitabschnit-

auch Alexander ein Wort wie Joh. 16, 32 sprechen können" muß in teil, sondern verfolgt in Längsschnitten seine verschiede-

seiner religionsvergleichenden Neutralität befremden. Die an eine juda- ncn Seiten in ihrem Auf Und Ab durch die Jahrhunderte

istische Geschichte von der Abweisimg des Brautbewerbers Paulus ge- ohne Zweifel gewährt diese Teilung Schöne Übersichten

knüpften psychologischen Reflexionen (S. 133) s.nd überflüssig, weil W. , . , . & , , „^hen Nnrh^hlioPn si*

selbst meint, es sei geschmacklos, dieser Anekdote irgendwelche Aufmerk- ^fß"^ <g

samkeit zu widmen.

Nachschrift: Wenn diese Zeilen vor die Augen der
Kollegen treten, werden sie sich schmerzlich mit müdes
plötzlichen Heimganges unseres Kollegen Windisch
erinnern. So wird aus einer Rezension, die die Debatte
zwischen Lebenden fördern sollte, unerwartet ein Nachruf
. Was oben an sachlichen Anmerkungen steht, erleidet
keine Abänderung. Nur wird aus dem Wunsch,
daß der Verewigte uns seine Leben-Jesu-Darstellung
noch schenken möchte, die Frage, ob sie etwa im
Nachlaß fertig gefunden wurde und der wissenschaftlichen
Forschung noch zugänglich gemacht werden kann.
Jena. Erich Fa scher.

Turmel, Joseph: Histoire des Dogmes. III: La Papaute". Paris:
Rieder 1933. (511 S.) gr. 8°. Fr. 60-.

Zu den Werken Caspars und Hallers über das
Papsttum tritt als Seitenstück ein 1933 erschienenes
französisches Buch, das mir erst im Sommer 1935 zur
Besprechung zugegangen ist. Sein Verfasser ist der bekannte
ehemalige Abbe Joseph Turmel, neben Loisy der
bedeutendste und gelehrteste der von Rom wegen „Modernismus
" gemaßregelten Theologen. Nachdem er früher
zahlreiche biblische und kirchen- und dogmengeschichtliche
Arbeiten unter verschiedenen Decknamen veröffentlicht
hat, gibt er nun unter Verwertung dieser früheren
Untersuchungen eine Dogmengeschichte heraus,

deren erster Band die Erbsünde und die Erlösung, der [ Gründen erst mit Viktor beginnen (S. 84 ff.). Er bestrei

Papsttums in Einzelstücke. Dabei entsteht auch ein gewisser
Widerspruch zwischen Überschrift und Ausführung
, weil sich die einzelnen Seiten der Papstgewalt im
Laufe der Jahrhunderte bis zur Gegenwart durchaus
nicht alle auf der geraden Linie eines „Aufschwungs"
(„Essor") entwickelten, sondern auf- und abgingen und
in der neuesten Zeit zum Teil ihren Höhepunkt, zum
Teil ihren tiefsten Stand erreichten. Die Sprache ist
leicht und flüssig, da und dort mit feinem Spott gewürzt
. T. läßt gerne Quellen und Tatsachen sprechen,
um dann seine Schlüsse zu ziehen. Die Quellen beherrscht
er meisterhaft; dagegen zeigen sich in der
Literaturbenützung, namentlich was die deutsche Forschung
betrifft, manche Lücken, was jedoch wohl durch
seinen Aufenthaltsort entschuldigt werden kann.

So sind ihm entgangen die neuesten Erörterungen über die vielverhandelte
Irenäusstelle adv. haer. III, 1, 1, sogar die Straßburger Dissertation
L. Spikowskis v. I. 1926 (S. 22 ff), über Ep. 8 der cyprianischen
Sammlung (S. 24), über die maiores dioeceses des römischen Bischofs im
Schreiben des Konzils von Arles an Silvester (S. 44), die Abhandlung
von K. Müller über Patriarchalverhältnisse in der alten Kirche (S. 82 ff),
von E. Schwartz über die Akten des Konzils von Serdika (S. 132 ff) usw.
Das S. 32 f über matrix, cathedra Pttri und ecclesia principalis bei Cyprian
Gesagte stammt aus d. J. 1908 und ist durchaus ungenügend. Soviel ich
sehe, ist nicht einmal der 1930 erschienene 1. Band Caspars benutzt.

Bekanntlich ist T. ein scharfer Kritiker, und auch im
vorliegenden Werke tritt dies in Erscheinung. Den monarchischen
Episkopat in Rom läßt er mit beachtenswerten

zweite die Dreifaltigkeit, die Menschwerdung und die i tet auch die Anwesenheit Petri in Rom und glaubt daß

Jungfrau Maria, der vorliegende dritte Band das Papst- | dieser mit Jakobus und Johannes ein Opfer der'Ver-

tum behandelt. Audi ein vierter Band ist schon erschie- i folgung unter Herodes Agrippa geworden sei (S. lOlff)

neu, der den Kreatianismus, die Engellehre, das Leben i Sicher hat er darin Recht, daß „Zeugnissen" nach

im Jenseits, Kanon und Inspiration der Schrift, die j denen Petrus und Paulus gleichzeitig in Rom gewirkt

heiligmachende Gnade darstellt. Schon 1908 veröffent- ■ und die dortige Kirche gegründet haben sollen jede

lichte er unter seinem Namen eine noch mit kirchlicher | Glaubwürdigkeit abgeht. Mt. 16,18 f. und 18 18 sind

Druckerlaubnis versehene „Geschichte des Dogmas vom
Papsttum von den Ursprüngen bis zum Ende des 4. Jahrhunderts
", worin er bei Cyprian die bekannte Matthäusnach
seiner Ansicht gegen Paulus gerichtet, d. h nicht
gegen den geschichtlichen Paulus, sondern geo-en den
Paulus Marcions, von dem Gal. 1,15 und II Cor 11

stelle (16, 18 f.) nur als Stiftung des Bischofsamtes, mit I 28 stammen (S. 106 ff.). Als Begründer des Papsttums

Petrus als Symbol der Einheit, gedeutet und im übrigen betrachtet er den Kaiser Gratian (Edikt v I 378 unter

die römische Kirche zwar als gewissen Einheits- und dem Einfluß des Damasus, S. 119 ff.). Aber dieses Edikt

Mittelpunkt der Gesamtkirche, aber niciit als Inhaberin beschränkt sich doch auf das Abendland und begründete

eines Rechtsprimats bezeugt findet. Auch aus diesem, höchstens das römische Patriarchat. Die auf Rom bezüg-

später auf den Index gesetzten Werke konnte er manche liehen Canones des Konzils von Serdika hält er für —

Abschnitte in sein neues herübernehmen. Aber im Gan- ursprünglich anders gefaßte — Fälschungen des Papstes

zen hat er im vorliegenden Werke vieles anders ansehen Innccenz I. aus der Zeit des Streites um Johannes

gelernt. Bildet es auch den 3. Band seiner Dogmenge- Chrysostomus, vielleicht ergänzt von Zosimus (S 128