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Ausgabe:

1936

Spalte:

49-53

Autor/Hrsg.:

Windisch, Hans

Titel/Untertitel:

Paulus und Christus 1936

Rezensent:

Fascher, Erich

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49 Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 3. _ 50

kannten Liturgie. Auffällig sind die geringen biblischen der Fülle der in diesem Buch verwerteten Literatur wohl

Anklänge Den Inhalt bildet eine Anrufung Gottes um j noch spürbar, aber hinzugetreten .st eine starke Einwir-

ErbarrSn Erleuchtung, Vergebung und um Annahme kung aus jenem nach dem Judaismus heruberneigenden

des Gebets Am Rande findet sich mit roter Tinte eine wissenschaftlichen Schrifttum Deutschlands wie es durch

magiTch Formel in koptischer Sprache. ..u Werk und Name eines SchUrttar, Kittel Jeremias und

Hie Texte werden alle gut ergänzt und in Uber- Bornhauser dargestellt wird. Nimmt aber in seiner

setzuna dargeboten, alle schwierigen Lesarten sind er- Fülle einzelner Untersuchungen der Verf. in Einzelur-

örtert ein Index der griechischen Wörter ist beigegeben, teilen bald die Partei dieser, bald jener Richtung ein,

ebenso zeigen vier gute Tafeln die Originale. So kann so entsteht nicht nur ein gewisses Schwanken im Ge-

das erfreulich billige Buch warm empfohlen werden. samtkurs, sondern ein buntes Mosaik dessen Aufbau

a ,h Werner Georg Kümmel. | den Autor trotz aller eigenen Urteile als einen vermit-

z-uncn-__.___ j telnden Theologen erscheinen laßt.

WindlschT Hans- Paulus und Christus. Ein biblisch-religions- 3. Diese Unausgeglichenheit macht sich auch in man-

geschichtlicher Vergleich. Leipzig: J. C. Hinrichs 1934. (VII,319S.) | chen Einzelurteilen geltend, wo der Verfasser aus Lust
go _ untersuchgn. z. Neuen Testament hrsg. v. H. Windisch, H. 24. i am religionsgeschichtlichen Vergleich zu Ansichten ge-

RM 15—. drängt wird, die entweder anderen Orts aufgehoben wer-
Mit seinem neuesten Buch schenkt uns der Verf. eine j den oder an Ort und Stelle in längeren Reflexionen am
Untersuchung, die ihn nach seinen eigenen Angaben im ! Ende wieder gemildert sind oder durch ein „im allge-
Vorwort schon in ihren Grundgedanken seit mehr als j meinen", „immerhin" usw. wieder um ihre Wirkung ge-
25 Jahren beschäftigt. Vor allem in seiner Leidener Zeit , bracht werden, gleich als ob der Autor ein Urteil nacherwuchsen
ihm übe? das Verhältnis von Jesus und Pau- ; träglich mildern wolle, weil ihm Stellen in den Sinn
lus 2 Aspekte: 1. Die Apostelhaftigkeit Jesu und die kommen, die dagegen sprechen. Er läßt uns also gleich-
Christusähnlichkeit des Apostels, 2. Die Vergleichbarkeit j sam an einem Denkprozeß als Leser teilnehmen, anstatt
beider Gestalten mit dem Gottesmann des Alten Testa- sein Resultat vor uns hinzustellen. Es mag auch an der
ments und dem theios anthropos der griechisch-römi- ; jahrelangen Beschäftigung mit dem Gegenstand liegen,
sehen Antike. Noch in Holland (1Q28) hat W. in einem i daß solche Unebenheiten entstanden sind. Bei der Stoff-
„Doktoralkolleg" seine Gedanken skizzenhaft vorgetra- | masse, die der Autor mit erstaunlicher Belesenheit vor
tragen, um dann in seinen Kieler Jahren an die Ausar^ uns ausbreitet, wäre das ohnehin nicht verwunderlich,
beitung des Buches zu gehen. All das zu wissen ist nicht j Aber der letzte Grund dürfte doch wohl darin liegen,
unwichtig für die Gesamtbeurteilung des Buches — es daß für uns heute ein bloßer religionsgeschichtlicher Vergibt
auch Vorworte, die man nicht ungelesen lassen darf! ! gleich etwas Unbefriedigendes hat. Ein Urteil wie das
— weil es dem aufmerksamen Leser 3 Eigentümlichkei- auf S. 306 „Wie es früher hieß: Jahwe und Mose,
ten offenbart: 1. Die aus der kritischen Theologie nach Gott und Jesus Christus, so heißt es jetzt: Allah und
1900 erwachsene Debatte: Jesus und Paulus, Jesus oder j sein Gesandter. Der Islam ist eine christliche Sekte, in
Paulus (man denke nur an die beiden weit verbreiteten ' der Muhammed an die Stelle des Gottgesandten Jesus
religionsgesch. Volksbücher von Wredc und Jülicher) ] und an die des Apostels Paulus getreten ist", liest man
hat auf den damaligen Privatdozenten W. sichtlich einge- j doch mit Verwunderung, zumal wenn W. vorher selbst
wirkt und jene Fragestellung geweckt, die sich in 2 i sagt, das Glaubensbekenntnis des Muhammed sei als Kor-
Aspekten — methodisch auf dem Boden religionsgesch. rektur des christlichen entstanden, für M. sei Jesus nur
Vergleichs-Antwort suchte. Es ist dabei zu beachten, daß „Gesandter", nicht „Gottes Sohn", nicht „Herr". „Der
sich W.'s Buch berührt mit einem Werke Rudolf Ottos | wahre Gesandte für die Araber und für die Gegenwart
„Reich Gottes und Menschensohn" (1934), welches ; und künftigen Zeiten überhaupt ist nicht (mehr) Jesus
gleichfalls Gedanken entwickelt, die in jahrelanger Ar- j sondern Muhammed." Enthüllt dieses „mehr" in Klam-
beit still gereift sind und vom Standpunkt der heutigen, , mern nicht die Nutzlosigkeit solchen „Vergleiches" oder
schnell wechselnden „Spitzendebatte", vielleicht etwas kann ein Christ diese Auffassung noch mit „christlicher
unzeitgemäß erscheinen, weil sie so wenig auf den heuti- Sekte" bezeichnen, wenn Muhammed anstelle seines
gen theologischen Stil eingehen, die aber dennoch — aus „Herrn" tritt? Die rein formale Vergleichung, die im-
Herz und Hirn eines Mannes kommend, der ein seltenes : mer äußerlich ist, mag „Verwandtschaft" des Typus
Einfühlungsvermögen in religiöse Dinge besitzt — ihre (ein Gott und sein Gesandter) feststellen, aber deshalb
stille Wirkung noch haben werden, wenn das intellek- I sind die Gesandten doch nicht beliebig auswechselbar
tuelle, auf Spitzen gestellte, gedanklich konstruierte und 1 ohne daß man damit den Boden des Christentums ein-
geschichtslos-abstrakte Kolloquium über den Jesus mit fach verläßt. Aber ohnedies widerspricht sich Windisch
und ohne Gänsefüßchen längst als ein interessantes in seiner eigenen Aufstellung; denn er rückt Paulus als
Phänomen der Geistigkeit zwischen 1918 und 1933 ge- i Propheten und Gottesmann, „Pneumatiker", Christus-
schichtlicher Betrachtung anheimgefallen ist, d. h. als mensch", „Mystagogen" und „Heiligen" so nahe an
Ausdruck eines theologischen Intellektualismus gewertet seinen Herrn heran (Kap. 4—9, S. 115—286), daß er
werden wird, der in einer entsprechenden konstruierten 1 die These wagt, das Christentum unterscheide sich von
Hirnkunst und Hirnliteratur — geboren aus kaltem, die anderen Religionen dadurch, daß es zwei Gesandte habe.
Dinge sezierendem Intellekt oder aus technisch gekonn- Dann aber — wenn die Zusammenstellung „Jesus und
ten, dem gesunden Gefühl widerstrebenden Verstiegen- Paulus" bedeutet „2 Apostel, 2 messianische Zeugen die
heiten — seine zeitgeschichtlichen Parallelen hatte. In- 1 2 Hauptfiguren des N.T." (S. 7), vielleicht auch' die
dessen ist Otto, wie W. treffend hervorhebt, mehr an i zwei (vornehmsten) Stifter des Urchristentums und der
der richtigen religionsgeschichtlichen Erfassung Jesu in- urchristlichen Gemeinden", stimmt ja die Parallele zu
teressiert, während ihm die richtige Würdigung des I Muhammed auch äußerlich und formal nicht. W kann
Apostels Paulus am Herzen liegt, sodaß beide Bücher, sich (s. o.) also nur so helfen, daß er Jesus und Paulus
wenn sich auch Kap. 4 u. 5 bei Windisch mit den Aus- zusammen die Funktion üben läßt, welche im Islam Mu-
führungen Ottos auf S. 285—327 berühren, einander hammed allein ausübt. Darin liegt aber wieder eine Beergänzen
oder zu einem Vergleich reizen. W. kündigt | Sonderheit, die den Vergleich wertlos macht, wenn man
allerdings schon an, daß das ihm bei dieser Forschungs- | das Verhältnis Jesu zu Paulus näher ins Auge faßt,
arbeit erwachsene Jesusbild in einer gesonderten Dar- Bleiben wir aber bei der Betrachtung des Verhältstellung
vorgelegt werden soll. nisses Jesu zu Paulus, so hat W. in der Tat eine über-

2. Der Wechsel des wissenschaftlichen Ortes ist auf raschende Fülle von Ähnlichkeiten im Leben beider auf-
die Gestaltung in Einzelheiten von Einfluß gewesen, gezeigt, von der Berufung über die Heilungswunder und
Stand der Leidener Professor stark unter dem Einfluß Offenbarungen zu den Leiden. Es ist hier nicht der Ort
der radikalen kritischen Literatur Hollands, so ist dieser in die unter Heranziehung einer reichen Literatur gezoge-