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Ausgabe:

1936 Nr. 3

Spalte:

43-45

Autor/Hrsg.:

Neugebauer, Hugo

Titel/Untertitel:

Platonische Mystik 1936

Rezensent:

Breithaupt, G.

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Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 3.

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sie doch umgekehrt gerade darauf, daß ein solches Recht
nicht besteht: was Juda ihr am jüngsten Sohn vorenthalten
hat, holt sich Tamar in verzweifelt-heroischer Tat
(vgl. Gen. 19, 30ff.!) von Juda selber. — J ean behandelt
das Aufkommen der Trias Anu Enlil Enki unter den
Dynastien von Isin und Larsa und bespricht in diesem
Zusammenhang auch andere Gottheiten der Zeit (S. 113
bis 139). — Dhorme, „Le plus ancien temple d'Istar
ä Ninive" (S. 140—156) zeichnet nach den Grabungen
Thompsons und den dabei gefundenen Bauinschriften
die Geschichte der ninivitischen Istar, die durch den ak-
kadisehen König Manistusu kurz vor 2500 eingeführt
worden und hier dann ihren kriegerischen Charakter erhalten
hat. — Przyluski, „La Decheance de la Grande
Deesse" (S. 157—165) versucht die bekannte Götterliste
Herodot I 131 mit der merkwürdigen Gleichsetzung
von Aphrodite-Mylitta mit Mitra aus den indoiranischen
Quellen zu erklären. — H. Girard schildert ausführlich
die Entwicklung des jungen Renan im Zusammenhang
seiner Zeit (S. 166—236).

Tome CXI: R. Dussaud, Le Mythe de Ba'al et
d'Aliyan d'apres des documents nouveaux (S. 1—65)
setzt seine anregenden und förderlichen Untersuchungen
zu den Ras Schamra-Texten aus Bd. C1V, CV undCVIII
fort, indem er die bekannten Teilstücke des Epos in der
von Virolleaud vorgeschlagenen Reihenfolge zusammenordnet
und in Auseinandersetzung mit andern Erklärern
bespricht: Aliyan und Baal doch verschiedene Gestalten
, jener aus der südlichen Steppe mitgebracht, dieser
der in Phönizien vorgefundene Hadad, die beiden zu
Vater und Sohn gemacht; metrum (Doppeldreier, Fünfer
und Vierer) und Parallelismus membrorum wie im
AT.; Verfasser der aus Philo von Byblos bekannte Tha-
bion. — G. Dumezil, Tityos (S. 66—89) erschließt
lumaren Charakter dieser Sagengestalt (die monatlich
nachwachsende Leber!), findet das von Strabo XI 503
erwähnte albanische Mondheiligtum im georgischen Dorf
Ac'quri im dortigen Heiligtum des T'et'ri Giorgi, des
„weißen Georg", wo Tityos im Namen, Ritus und
Mythos weiterlebt. — A. Dupont Sommer findet
in den „Gottlosen" von Sap. Sal. 2 vulgäre Anhänger,
aber nicht eigentliche Schüler Epikurs (S. 90—109). —
Du Mesnil du Buisson untersucht und vergleicht
die beiden bildlichen Darstellungen von Moses Wasserwunder
in der Synagoge von Dura und erklärt ihre Verschiedenheit
aus der Beiziehung anderer Züge der Tradition
. — M. Olsen, Le pretre-magicien et le dieu-magi-
cien dans la Norvege ancienne (I. S. 177—221) zeigt,
von der Felszeichnung von Kaarstad ausgehend, in Bild
und Runenbeischrift den Fruchtbarkeitscharakter und
den Zusammenhang solcher Felszeichnungen mit den
Vorstellungen der Edda auf. — Ch. Picard, La jalou-
sie des dieux et le droit eriminel en Athenes (S. 222
bis 253) analysiert und kritisiert ein gleichnamiges Buch
von Svend Ranulf (1933/34). — M. Goguel erklärt
das auffällige Nebeneinander von paulinischen und nicht-
paulinischen Gedanken im Epheserbrief mit der Annahme
, ein echter Rundbrief des Paulus aus seiner Gefangenschaft
in Caesarea an die Kirchen Kleinasiens,
gleichzeitig mit den Briefen die Kolosser und Pbilemon,
sei von einem Späteren mit Zusätzen versehen worden,
in denen er mit der Autorität des Paulus gewisse gno-
stische Tendenzen jener Kirchen bekämpft.
Basel. W. Baumgartner.

Neugebauer, Hugo: Platonische Mystik. München: Otto Wilh.
Barth. [1934] (165 S.) 8°. karl. RM 4.20; geb. 5.20.

Unter platonischer Mystik versteht der Verfasser
Piatons Eschatologie, die bekanntlich stark durch die
orphisch-pythagoreische Theologie beeinflußt worden ist.
Die Abhängigkeit Piatons von diesem Schrifttum will
Neugebauer dartun. Nach einem wohl als Einleitung gedachten
Überblick mehr allgemeiner Art über „Platon
und die orphisch-pythagoreische Mystik", in dem er
ein Bild der orphischen Erlösungsreligion, ihrer Verschmelzung
mit Pythagoras' Lehre und der Beziehungen
beider zu Platon entwirft, gliedert er den Stoff in die

■ vier Kapitel „Seelen und Sterne", „Das Totengericht",
„Übererde und Unterwelt", „Die Loswahl", und zwar

I entsprechen diese Abschnitte den großen Mythen, in
| die Platon seine eschatologische Verkündigung kleidet,
oder, um den Inhalt mit des Verfassers eigenen Worten
I wiederzugeben, sie handeln von „der Idee des Sünden-
j falls, die den ,Phaidros' beherrscht, der Idee der Ver-
I geltung, die im ,Gorgias' das strenge Antlitz des Toten-
| richters enthüllt, der Idee der Reinigung von Stufe zu
I Stufe im ,Phaidon', der Idee der Wiedergeburt, die,
! zwischen Himmel, Erde und Unterwelt vermittelnd, nur
' die höchste und die tiefste Stufe meidet, endlich der
I Idee der Loswahl im ,Staat', die die Idee der Notwen-
i digkeit mit der Idee der Freiheit sinnvoll verbindend,
j dem Menschen den Glauben an sich selber wiedergibt".

Das Verfahren ist mehr deutende Betrachtung der plato-
i nischen Jenseitsgemälde als sich auseinandersetzende
! Forschung. Die Übersetzung findet vor dem Urtext den
I Vorzug, und das Literaturverzeichnis hätte sich für wissenschaftliche
Ansprüche noch vermehren lassen. Am
nötigsten wäre wohl eine Aussprache mit E. Frank,
Plato und die sogenannten Pythagoreer, Halle 1924, gewesen
. Die Weise des Zitierens ist oft unscharf. So
j fragt man sich, für wen der Vf. sein Buch geschrieben
| denkt.

Auch für den nicht gelehrten Leser ist es zwecklos, S. 12 im Text
j „eine alte Überlieferung" anzuführen, „die Pythagoreer hätten den Leib
I durch die Medizin und die Seele durch die Musik gereinigt", und diese
j auf Aristoxenos zurückgehende Überlieferung (Cramer, Anecd. Paris. 1
| 172) in den Anmerkungen lediglich als „apokryphe Quelle" zu kennzeichnen
, statt wenigstens auf Diels' Vorsokratiker (45 D 1), die N. ja
! so oft zitiert, zu verweisen. — S. 85 steht ein Hinweis auf eine Stelle
„bei Lukian in den Totengesprächen, wo ebenfalls von Narben und Striemen
der Seele die Rede ist." Abgesehen davon, daß auch hier die
Stellenangabe zu allgemein gehalten ist, trifft sie nicht einmal zu, viel-
j mehr ist von den der Seele anhaftenden Stigmata die Rede in Lukians
| Niederfahrt (24 ff.), die auf Menipps Nekyia zurückgehen wird.

In der Hauptsache ist A. Dieterich dem Vf. Wegweiser
gewesen; doch verfällt er nicht in dessen Fehler,
aus der Mehrheit der Mythen eine einzige große orphisch
-pythagoreische Eschatologie wiederherstellen zu
wollen. Im übrigen kommt N., der gelegentlich die
j Verwandtschaft des orphischen Glaubens mit dem christ-
! liehen streift, kaum über Dieterich hinaus. Von seinen
I eigenen Vermutungen, die er mit Vorsicht äußert, verdienen
zwei allerdings Beachtung. Platon beschreibt im
': Phaidon 112Äff. die aus dem Tartarus entspringenden
und in ihn wieder einmündenden Ströme des Erdinneren,
j Darin sieht N. ein Bild vom Kreislauf des der Herzkam-
j mer entströmenden und in sie wieder zurückkehrenden
Blutes der Menschen und der höher entwickelten Tiere,
j und er glaubt, diese Übertragung einer Erscheinung des
Mikro- auf den Makrokosmos dem pythagoreischen Arzte
| Alkmaion von Kroton zuweisen zu dürfen, hinter dem
dann der Entdecker des Blutkreislaufs, Harvey, zurück-
I zutreten hätte, wie auf einem anderen Gebiete Koperni-
| kus hinter Aristarch. Bei der Trümmerhaftigkeit der
I orphisch-pythagoreischen Literatur wird man da wohl

■ nicht zu einem einwandfreien Ergebnis kommen, so verblüffend
die Ähnlichkeit ist. Fast ebenso bestrickend ist
die Gleichsetzung des im Staat 616 B erwähnten großen
Lichts, das, aufrecht wie eine Säule, am meisten dem
Regenbogen vergleichbar, aber leuchtender und reiner,

'< von oben durch den ganzen Himmel und die ganze
| Erde sich spannt, mit dem Nordlicht, während bisher

an die Milchstraße gedacht war; dabei würde dann der
| im gleichen Zusammenhang genannte Sitz der Ananke,

in deren Schoß sich die große Spindel, d. ti. die Welt-
I achse, dreht, mit dem Nordpol der Erde zusammenfallen.
I Diese Erklärung braucht man gar nicht für so gewagt
' zu halten wie der Vf. selbst, der meint, daß griechische

oder phönizische Seefahrer einmal die Kunde vom Po-
! larlicht aus den nördlichen Breiten mitgebracht hätten.
I Finster nämlich, der S. 253 seines Homerbuches