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Ausgabe:

1936 Nr. 2

Spalte:

37-38

Autor/Hrsg.:

Riecker, Otto

Titel/Untertitel:

Das Evangelistische Wort 1936

Rezensent:

Fleisch, Paul

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37

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 2.

38

O. Bardy über de principiis nicht. Man sollte nunmehr
an die Bearbeitung von Einzelfragen gehen, z. B. die
exegetische Methode des' Origenes untersuchen, seinen
Begriff der Gnosis bestimmen und ihn vor allem einmal
gegen Clemens genau absetzen. Schließlich ist sehr aufschlußreich
, zu untersuchen, wie die origenistische Tradition
in Alexandrien, anderseits in Caesarea sich fortgepflanzt
hat. Denn nur in diesen Einzelheiten wird
man der Arbeit des Origenes auf die Spur kommen. Wir
müssen endlich wissen, wie Origenes z. B. die synoptischen
Evangelien oder das Johannesevangelium exe-
gesiert hat. Man wird hier für die Methode des Origenes
zu bestimmten Resultaten kommen müssen, da wir ja
den Bibeltext kennen und so die Umformung der Gedankenwelt
der biblischen Schriften bei Origenes genau
nachkontrollieren können. Mit solchen „philologischen
" Arbeiten gilt es einzusetzen.

Berlin. H.O.Opitz.

Rl e ck er, Dr.theol. Otto: Das evangelistische Wort. Pneumatologie
und Psychologie der evangelistischen Bewegung, Träger, Rede und Versammlung
. Gütersloh : Bertelsmann 1935. (XIII, 375 S.) gr. 8°.

RM 12—; geb. 14—.

Verf. untersucht die Bewegung der Massenevangeli-
sation, wie sie Wesley und Whitefield eingeleitet, Fin-
ney, Moody, Schrenk und Keller als „große" Evangelisten
fortgesetzt haben, psychologisch, und zwar die
„Bewegung" als Ganzheit (besonders ihre „Macht",
aber auch Freiheit der Formen, Intensität der Einwirkung
u. a.), den Evangelisten nach Ausrüstung und
Sendung und den evangelistischen Redeakt, diesen nach
Seiten der Einheit des Redeaktes, des Redners im
Redeakt und des vermittelnden Wortes (z. B. Aktgestalt
und Wortgestalt des evangelistischen Handelns), sowie
von- Wort und Versammlung. Schon diese wenigen
Überschriften zeigen die Allseitigkeit der psychologischen
Untersuchung. Die Beobachtungen sind, soweit ich sehe,
zutreffend, besonders, was den Redeakt angeht, und
die Belege gut ausgewählt. Solche psychologische Untersuchung
dieser Bewegung ist wertvoll, auch wenn,
ja vielleicht gerade weil ihre Beobachtungen und Feststellungen
genau so für eine entsprechende rein säkulare
Bewegung gelten. Verf. sagt einmal selbst: „Selbst
ihr tragender, christlich-pneumatischer Charakter vermag
die morphologischen Grundgesetze, die vorwiegend
gemeinschafts-psychologischer Natur sind, nicht
abzuschwächen."

Aber Verf. will über die Beobachtung der Gesetze
einer durch besonders begabte Redner geführten Massenbewegung
hinaus eine „Pneumatologie" der Bewegung
geben. Freilich weiß er, daß das Pneumatische
nicht einfach so „gegeben" ist wie das Psychologische,
er erinnert sich der Warnung Barths und gibt zu, daß
im Reden und Handeln der Evangelisten nicht festzustellen
ist, wieviel und wieweit und ob im einzelnen
überhaupt Gottes Tun am Werke war, und daß die
Aussage, daß es vorhanden war, eine Glaubensaussage
ist und bleibt. Aber er meint, in der Vergangenheit könne
man das Wirken des Geistes doch klarer erkennen
als im einzelnen Akt der Gegenwart, und so untersucht
er denn in einer Linie mit den aufgeführten psychologischen
Seiten etwa auch die Sendung des Evangelisten
als „pneumatische Gegebenheit" oder seinen „pneumatischen
Lebensstand", sowie beim evangelistischen Redeakt
die pneumatisch-psychische, ja die pneumatisch-physische
und pneumatisch - rhetorische Unmittelbarkeit,
auch die „pneumatische Repräsentation", darunter die
„göttliche Realpräsenz" und „die Stille vom Himmel".
Das heißt doch, er stellt in gleicher Weise in und neben
dem Psychologischen als irgendwie davon zu unterscheiden
das Pneumatische fest, wenn denn auch etwa formuliert
wird, daß die ansteckende Kraft der erwecklichen
Persönlichkeit nicht so sehr auf dem nervös-hysterischen
als auf dem gabenmäßigen und pneumatischen
Gebiete liege.

Verf. scheint sogar die pneumatische Seite auch zur
Normierung echter Evangelisationsbewegung machen zu
wollen, wenn er etwa Pearsall Smith und Paul bezüglich
des pneumatischen Lebensstands abwertet (S. 97). Dabei
wird in den Berichten gerade von Smith genau so wie
von den sechs behandelten Evangelisten geredet. Er
erscheint immer als das geisterfüllte Gotteskind. Verf.

j kann aber vollends sagen: „Vom Zellen- und Bewegungsgedanken
her wird klar, welch ein unbelebtes Etwas eine
reine Pastorenkirche ist. Pneumatische und statische
soziologische Struktur stehen sich hier gegenüber." Wir
reden gewiß nicht einer reinen Pastorenkirche das Wort.
Aber dieser Gegensatz ist doch nicht richtig. Selbst
wenn man pneumatisch und dynamisch in eine gewisse

I Nähe bringen will, ist diese „Dynamik" doch nicht
einfach identisch mit „Bewegung" im Sinne der Evangelisationsbewegung
und eine Pastorenkirche nicht unbedingt
statisch in dem Sinne, daß keine Dynamik da
sein könnte! Wie kommt dann etwa das Wirken Vilmars
und seiner Schüler oder L. Harms' Erweckungs-
wirken zu stehen?

Es ist das gute Recht des Verf. sich auf die Evangelisationsbewegung
zu beschränken, aber wenn er dafür
mehrfach von „ErweckungsbewegungV redet, würde man
gern auch einen Vergleich dieser Erweckungsbewegung
mit der deutschen der ersten Hälfte des 19. Jhdts.
wenigstens angedeutet sehen, wo manche ähnliche Beobachtungen
zu machen sind, wie z. B. das „Nachwandern
", das „Beharren beim Wort" u. a., und die doch
in vielem sich unterscheidet. Dann würde sich doch
wohl herausstellen, daß die konfessionellen Grundlagen
eine viel bedeutendere Rolle auch bei der Bewegung
spielen, als es beim Verf. zu stehen kommt, der sie erst
nachträglich anführt, als ob sie nur gewisse Modifikationen
der Bewegung bedeuteten. Er gibt zwar zu, daß
auch auf den Inhalt der Botschaft Entscheidendes ankommt
, aber er untersucht diesen Inhalt nicht näher.
Ob nicht aber gerade eine ganz bestimmte Theologie
neben psychologischer Technik die Einheit der Bewegung
ausmacht? Und ist nicht auch schon eine Einstellung
, die das Charisma des Evangelisten an den
„Früchten" mißt, eine bestimmte Theologie?

So erweckt das Buch allerlei Fragen, aber auch das
macht es wertvoll.
Hannover. p. Fleisch.

Picard, Max: Die Flucht vor Gott. Erlenbach—Zürich: Eugen
Rentsch Verlag [1934]. (198 S.) 8°. RM 4.50.

Der Schweizer Max Picard bekannt durch die Klarheit
des Blickes in seinem Buch „Das Menschengesicht"
(das Menschengesicht ist erst dadurch real, daß es Anteil
am Göttlichen hat. Die Gesichter sind hierarchisch
geordnet gemäß ihres Anteils am Göttlichen) gibt hier
eine Wesensanalyse der europäischen Kultur, indem er
offenbar macht, aufdeckt die tiefste Motivation der Gesamtorientierung
des Menschen unserer Zeit. Es schaut
der Dichter die Hintergründe des Mensenseins unserer
Tage und gibt mit der Sprache dem die Form, was der
Philosoph in der Schärfe phänomenologischer Erfassung
dem durchdringenden Blick des Psychologen entnimmt
. Wir spüren die Auseinandersetzung mit Heidegger
, nur daß wir hier nicht die säkularisierte und so
I entleerte Theologie Heideggerschen „Entwurfs" des
| Menschseins haben im Mutig-sein zum nihilistischen
' Einsatz; schmerzerfüllt wird das Gesicht der gegenwär-
j tigen Kultur gezeigt als Flucht vor Gott. ' Die Mensch-
! heit ist so sehr auf der Flucht, daß diese da ist wie ein
' Eigengebilde, in dem wir alle leben. In der Welt des
i Glaubens muß einer seine Flucht erst schaffen; heute
aber in der allgemeinen Flucht, in der aufgelösten Flucht
ist „Leben und Fliehen eines"; der Mensch muß den
Glauben erst schaffen und halten gegen die ständige
i Tendenz zur Auflösung. Eben deshalb ist alles, auch
; Gott, zur Möglichkeit degradiert, zum Eklektizismus
| entleert, weil der Flüchtige der Entscheidung und dem