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Ausgabe:

1936 Nr. 25

Spalte:

461

Autor/Hrsg.:

Häberlin, Paul

Titel/Untertitel:

Das Wunderbare 1936

Rezensent:

Knabe, Erich

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461

Theologische Literaturzeitung 1936 Nr. 25.

462

Häberlin, Prof. Paul: Das Wunderbare. Zwölf Betrachtungen
über die Religion. 2. Aufl. Zürich : Schweizer Spiegel Verlag 1930.
(176 S.) 8°. eeb. RM 5.30.

Ich habe das Buch nicht mit den Augen des Rezensenten
gelesen, sondern zumeist in Gemeinschaft mit
anderen, die Kapitel: Wunder, Schicksal, Bestimmung,
Offenbarung, Glaube, Vertrauen, Neues Leben, Glaubensgemeinschaft
, Verzweckung, Moralisierung, Dämoni-
sierung, Aberglaube. Ich bin immer wieder in den Bann
einer überraschenden Ausdrucksweise gekommen, ich
habe keinen Rotstift nehmen können, anzukreiden, was
nicht ganze Zustimmung erhalten kann. Das Rätselhafte
legt sich vor einen hin, so stolz, so groß, daß man nicht
mit kleiner Erkenntniskritik sich heranwagt, sondern
ehrfürchtig stillsteht. Es reizt garnicht zu Aufklärungsversuchen
, sondern wirkt als die große Kundgabe des
göttlichen Geheimnisses. Das Buch gibt die eine, ich
sage garnicht neue Aufklärung, daß Religion nicht Moral
ist, daß Moralisierung des religiösen Lebens Verzweckung
und Vergesetzlichung des Verhältnisses zu
Gott, Hinabstoßen in das niederdrückende, lähmende
Gefühl der Verschuldung, Vergötzung der Angst ist. Die
Welt, das Schicksal, das moralische Leben in seiner
gut-bösen Art, das werde alles zu einer ungeheuren
Grausamkeit und wir müßten uns nur ängstlich dieser
Grausamkeit beugen, um nicht erst recht den Zorn der
unheimlichen Gottheit auf uns zu ziehen. Vor Gott
Angst zu haben ist wahre Sünde. Sie ist Verkennung
der menschlichen Lage und der göttlichen Liebe. Mit
diesen Sätzen lasse ich den Tenor des Buches erahnen.
Dösen. Erich Knabe.

Schulze, Priv.-Doz. Lic. Dr. Fritz: Volk und Gott. Ein Beitrag z.
Frage deutsch- ev. Volkserzieher. Frankfurt a.M.: Moritz Diesterweg
1934. (IV, 58 S.) gr. 8°. RM 1.80.

Aus der großen Menge ähnlicher Schriften ragt die
vorliegende durch Schärte der Problemstellung, Klarheit
der Gedankenführung und Besonnenheit des Urteils
hervor. Diese Vorzüge Dekunden sich bereits in der
Gliederung des Stoffes. Nach einleitenden Ausführungen
über die „Entstehung der Frage" behandelt das I.
Kapitel unter der Überschrift „Der Inhaber der nationalpolitischen
Macht" in zwei Teilabschnitten, welche
die doppelte Frontstellung deutlich erkennen lassen:
a) Die Dämonie des absoluten Staates, — b) die Idee
des totalen Volksstaates

Seine Antwort:

Durch seinen Willen, aus seinem Sosein herauszutreten
und sich am andern zu verändern, durch
seinen Willen zum Anderssein. Aus diesem Interesse
heraus nimmt er die Einwirkung entgegen und verarbeitet
sie. Im Hintergrunde liegt die Sehnsucht, sich aus
der Gefangenschaft der Individualität in die Urheimat
dieses Seins heim zu finden. Durch Wegfall bremsender
Selbsterhaltungstendenzen werde die Suggestibili-
tät im hypnotischen Zustand noch erhöht.

Suggeriert werden können nur Motive. Alles andere
muß nur als Auswirkung derselben verstanden werden
(auch die Denk- und Phantasieleistungen)
also der „Sender" will z. B., daß „der Empfänger" Wasser sehe und
fühle. Das macht der Empfänger nun zum eignen Motiv und nun fühlt
er sich im Wasser.

Damit will Häberlin aber nicht sagen: Fremdsuggestion
ist immer zuletzt Autosuggestion; gewiß Handlungsvorgang
im Empfänger, aber erstlich Anregung des Senders
. Natürlich erkennt Häberlin auch Autosuggestionen
an, die er vor Verwechslungen mit ähnlichen Vorgängen
zu schützen bemüht ist. Dem Buche eignet eine starke
Überzeugungskraft, und nur der Fachmann, merkt die
Überspitzungen.
Dösen._Erich Knabe.

Diettrich, Lic. Dr. O.: Pneumatische Seelenführung im Verhältnis
zu Suggestion und Psychanalyse. Gütersloh : C. Bertelsmann
1931. (79 S.) 8°. RM 1.62.

Das Buch ist eine, z. T. korrigierende Ergänzung
zu Häberlin. Es führt vorerst in das Wesen und in
die Technik der Suggestion ein und grenzt ihre Arbeit
haarscharf von dem der pneumatischen Seelsorge ab.
Dasselbe tut es darnach mit der Psychanalyse. Diettrich
will sich von jeder dogmatischen Befangenheit in Beurteilung
andersartige Versuche, den Seelen zu helfen,
freihalten und gern von ihnen lernen. Aber er läßt sich
auch nichts von der Freudigkeit des kirchlichen Seelsorgeramtes
abbrechen.

Man erwarte von einem Büchlein von 79 Seiten
nicht den Unterricht eines Lehrbuches über Seelsorge.
Dösen. Erich Knabe.

Jahn, Lic. Ernst: Tiefenpsychologie und Seelenführung. Fünf

Abhandlungen z. Tiefenpsychologie. Schwelm i. W.: Q. Meiners 1931.
(115 S.) 8°. = Reinheit u. Kraft, hrsg. v. Westdeutsch. Sittlichkeitsverein
, 2. Schriftenreihe, H. 5/6. RM 1.50.

Aur'dVe^m Un^bäu bespricht dann das II. Ka- i Jahn gab dem Büchlein fünf Abschnitte: 1. Kultur-

und Seelenführung. 2. Kritische Darstellung der Psychanalyse
. 3. Psychanalyse und Christentum. 4. Die Bedeutung
des Tiefenbewußtseins für die religiös ethische
Erziehung. 5. Minderwertigkeitsgefühl und Geltungsstreben
. Dazu eine Erklärung von Fachausdrücken.
Er nennt die Psychopathologie das Vergrößerungsglas
, durch welches sonst verborgene Züge des Seelenlebens
erkennbar werden. Die nichtreligiöse Seelenführung
wird infolge ihrer Zielunsicherheit häufig zu einer
ungesunden Ueberindividualisierung. Die Psychanalyse
betrachte zu sehr nur die krankhaften Seelenvorgänge
und nicht die positiven Werterlebnisse des Unterbe-

pitel „Das Gefüge des Volksganzen" wieder in zwei
Abschnitten, nämlich a) seine biologische Grundlage
(Volk und Rasse), — b) sein Werden in der Geschichte.
Hierzu bietet das III. Kapitel die Ergänzung als „Sinndeutung
des Volkes", nämlich a) die Dämonie des absoluten0
Volkes, — b) das Volk unter der Transzendenz.
Es folgt das IV. Kapitel über „Erziehung zum Volke",
nämlich a) Aufgabe der Nationalpädagogik, — b) Religiöse
Zurüstung innerhalb der Nationalpädagogik.

Den Schluß bildet ein zusammenfassender Abschnitt
„Nationalpädagogischer Aktivismus". Aller unzureichenden
und deshalb falschen Statik nach Art der mittelalter

liehen Weltanschauung wird die Forderung streng 1 wußtseins. Sie habe aber das Verdienst, die Unisolier-
dynamischer Lebensauffassung und Le-l barktei* des Ichs von der Umwelt wieder herausgestellt
bensgestaltung entgegen gestellt — im Sinne zu haben. Die Religion kann sie nie ersetzen; sie hat
Luthers (Christen nicht im Wordensein, sondern im I *eine personhchkeitsbildende Kräfte, sie ist nur See-

Werden) und Schleiermachers (Die Reformation geht
noch fort).

Berlin. Q- Wobbermin.

lenkenntnis. Eine Psychosynthese ohne Grundlage einer
positiven Weltanschauung sei unmöglich. Das Büchlein
enthält viele feine Gedanken, sonderlich in Kap. III.
und IV. 1

Dösen._ Erich Knabe.

Häberlin, Prof. Paul: Die Suggestion. Basel: Kober 1927. (188

S.) 8°. = Beiträge z. Speziellen Psychologie, hrsg. v.P Häberlin Bd 1. I Bericht über den VI. allgemeinen ärztlichen Kongreß für

KJV) =-0"- *a>- Psychotherapie in Dresden 14. bis 17. Mai 1931. Leipzig: S. Hirzel

An diesem breitausgeführten Buch ist das Uber- 1931. (VIII, 267 m. 4 Abb.) gr. 8*. RM 18—; geb. 20—.

raschende, daß es das Zustandekommen der Sugge- Auf 266 Seiten liest man 35 Vorträge mit zehn

stion überwiegend vom Willen des Suggerierten ab- Diskussionsreden. 18 Referate besprechen die Behand-

hängig macht. „Wie kommt ein Individuum dazu, eine lung des Seelischen vom Körper aus als da sind Gym-

Einwirkung so aufzunehmen, daß sie zur Suggestion nastik, Massage, Klima, Bäder, ehem. Reize, Atmung,

wird?" ist seine Frage. Konstitutionsumstellung durch Arznei usw. 12 beschäf-